Nasa, Voyager
Voyager 1 und Voyager 2 sind seit mehreren Jahren im interstellaren Raum unterwegs. Wie lange sie noch Funkverbindung mit der Erde aufrechterhalten können, ist ungewiss.
Illustr.: NASA/JPL-Caltech

Voyager 1 hat ein Problem mit ihren Bordsystemen. Seit einigen Tagen schickt die Veteranin unsinnige Nachrichten zur Erde, die Verantwortlichen der Nasa-Mission befürchten, dass es mehr ist als nur ein technischer Schluckauf.

Rekordreisende

Voyager 1 und ihre Schwesternsonde Voyager 2 haben im Verlauf ihres langen Lebens mehrfach Geschichte geschrieben. Seit ihrem Start am 5. September 1977 an Bord einer Titan-IIIE-Centaur-Rakete hat Voyager 1 über 24,4 Milliarden Kilometer zurückgelegt. Das entspricht der 162-fachen Distanz zwischen Erde und Sonne; kein anderes Raumfahrzeug ist je so weit gekommen. Voyager 2 liegt mit 19,9 Milliarden Kilometern nur knapp dahinter.

Zwischen 1979 und 1989 flogen die beiden Sonden an Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun vorüber und schickten erstmals spektakuläre Nahaufnahmen von den großen Gasplaneten und ihren Monden zur Erde. 2012 schließlich verließ Voyager 1 die vom Sonnenwind erreichte Region des Sonnensystems und trat in den interstellaren Raum ein. Voyager 2 folgte ihrer Schwester 2018 auf der annähernd gegenüberliegenden Seite der Sonne.

Robuste "Steinzeittechnik"

Nach modernem Maßstab erscheint die Technik an Bord der Voyager-Sonden geradezu steinzeitlich. Der Speicherplatz der Onboard-Computer beträgt beispielsweise jeweils nur 69,63 Kilobyte – gerade genug für eine kleine JPEG-Datei. Aber gerade diese Einfachheit machte die beiden Voyager-Sonden außerordentlich robust.

Dass sich bei den beiden unbeirrbaren Sonden im 47. Jahr ihrer Reise durchs All gewisse Abnützungserscheinungen zeigen, liegt dennoch auf der Hand und lässt sich auch kaum vermeiden. Im Mai 2022 etwa beschloss Voyager 1 plötzlich, die vom Lagekontrollsystem AACS übermittelten Telemetriewerte durch einen anderen, eigentlich bereits stillgelegten Computer zu schicken. In der Folge kamen bei der Bodenstation allenfalls verstümmelte Informationen über den Zustand der Sonde an. Das Problem ließ sich schließlich durch die Umleitung der Daten zum ursprünglichen Computer lösen.

Nasa, Voyager
Die Flugrouten von Voyager 1 und 2.
Grafik: NASA/JPL-Caltech

Begrenzte Energie

Mit hemdsärmeligen Tricks und technischen Kniffen gelang es den Missionsverantwortlichen in den letzten Jahrzehnten Voyager 1 und 2 am Leben zu erhalten und mit genug Energie zu versorgen, um in den Randbezirken des Sonnensystems jenseits des Kuipergürtels Messungen vorzunehmen und die Daten zur Erde zu schicken. Doch auch die längste aller Nasa-Missionen hat ein Ablaufdatum, und das gibt das Energiesystem der Voyager-Sonden vor.

Da so fern der Sonne Solarzellen keine Option sind, werden die elf wissenschaftlichen Instrumente und die Kommunikationsanlagen der beiden Voyagers von je drei Radionuklidbatterien mit Strom versorgt. Das Plutonium-238 erzeugt durch radioaktiven Zerfall Wärme, die von Thermoelementen in elektrische Energie umgewandelt wird. Doch die Zerfallsraten nehmen ab, und die thermische Leistung schwindet allmählich. Durch Abschaltung von Messinstrumenten – wie auch schon in der Vergangenheit geschehen – lässt sich die Betriebsdauer etwas strecken.

Allzu lange wird das freilich nicht mehr funktionieren: Das Nasa-Team nimmt an, dass die Energiereserven der Voyager-Sonden keine fünf Jahre mehr reichen dürften. Womöglich aber kommt das Ende rascher und unerwartet, denn das aktuelle Problem ist keine Kleinigkeit, wie die Fachleute der Nasa und assoziierter Universitäten betonen.

Sich wiederholende Nullen und Einsen

Was genau ist geschehen? Seit einigen Tagen schickt Voyager 1 eine sinnlose, sich wiederholende Folge von Nullen und Einsen zur Erde, als wäre sie in einer Schleife hängengeblieben. Nachdem andere Erklärungen ausgeschlossen worden waren, konnte das Voyager-Team das Problem auf eine Fehlfunktion in einem von drei Computern zurückführen. Die Computer sind Teil des Flugdatensystems (FDS), einer zentralen Komponente des "Sondengehirns".

Die Hauptaufgabe des FDS besteht darin, Daten von den wissenschaftlichen Instrumenten sowie Informationen zum Zustand der Sonde zu sammeln. Die Daten werden zu einem einzigen Paket verschnürt und an die sogenannte Telemetrie-Modulationseinheit (TMU) weitergereicht, die das Ganze im Binärcode zur Erde sendet. Nach Angaben der Nasa dürfte der Fehler in der Kommunikation zwischen FDS und TMU aufgetreten sein.

Einseitige Kommunikation

Ein Lichtblick für eine mögliche Reparatur: Trotz der Fehlfunktion ist Voyager 1 noch dazu in der Lage, Befehle von der Erde zu empfangen und auszuführen. Wissenschaftliche oder systemrelevante Daten zu übermitteln funktioniert dagegen nicht, was Lösungsversuche wiederum erschwert.

Anfang letzter Woche versuchte es das Voyagerteam mit Plan A, der guten alten "Herunterfahren und neu starten"-Methode, doch leider ohne Erfolg. Einen Plan B müssen die Forschenden erst austüfteln, und das kann nach Angaben der Nasa mehrere Wochen dauern und schweißtreibende Archivarbeit erfordern: Auf der Suche nach einer Lösung muss sich das Team durch jahrzehntealte Handbücher und technische Dokumentationen wühlen.

45 Stunden warten

Nichts garantiert, dass genau die erforderlichen Unterlagen und Datenträger überhaupt noch vorhanden sind. In den ersten Jahren waren tausende Ingenieure und Forschende an den Voyager-Missionen beteiligt. Viele Projektmitglieder nahmen Kisten voller Dokumente mit nach Hause, als sie in den Ruhestand traten, und ließen sie in Kellern und Garagen Staub ansetzen.

Doch das ist nicht die einzige Hürde auf dem Weg zur Genesung von Voyager 1, auch den Entfernungsfaktor darf man nicht vergessen: Schickt man von der Erde aus Steuerungsbefehle an Voyager 1, dauert es 22,5 Stunden, bis sie dort ankommen. Das bedeutet, dass die Spezialistinnen und Spezialisten der Mission 45 Stunden warten müssen, um zu erfahren, ob eine Maßnahme zum einem gewünschten Ergebnis geführt hat.

Rundherum

Die Hoffnung ist zwar groß, dass man die Rekordhalterin Voyager 1 noch einmal zurückholen kann, aber man muss wohl auch in Betracht ziehen, dass hier der sinnvolle Kontakt zur Sonde enden könnte. Für ihre Reise gilt das keineswegs: Voyager 1 wird in etwa 16.000 Jahren in 3,5 Lichtjahren Distanz an Proxima Centauri vorüberziehen und in den nächsten 400.000 Jahren drei weiteren Sternen verhältnismäßig nahe kommen. Auf einer größeren Zeitskala werden die beiden Voyager-Sonden einmal alle 225 Millionen Jahre das Zentrum unserer Milchstraße umrunden. (Thomas Bergmayr, 20.12.2023)