Die Debatte um Plagiatsanschuldigungen an US-Universitäten geht in die nächste Runde. Wie berichtet, ist die Präsidentin der Harvard-Universität Claudine Gay vergangene Woche zurückgetreten. Seit einer Anhörung vor einem Kongressausschuss zu Antisemitismus Anfang Dezember stand Gay wie zwei weitere Universitätspräsidentinnen unter massiver Kritik. Auf die Frage, ob Studenten, die auf dem Campus zum "Völkermord an Juden" aufrufen, gegen die Verhaltensregeln der Unis verstoßen, hatte Gay geantwortet: "Es hängt vom Kontext ab."

Seither war die Kritik an der ersten schwarzen Harvard-Präsidentin nicht abgerissen. Im Dezember konnte Gay einen Rücktritt noch abwenden – im Gegensatz zu ihrer Amtskollegin Elizabeth Magill, zuletzt Präsidentin der University of Pennsylvania, die am 10. Dezember ihr Amt niederlegte. Die Vorwürfe betrafen nicht nur Gays Aussagen bei der Kongressanhörung, sondern generell ihre wissenschaftliche Integrität, nachdem Plagiatsvorwürfe gegen sie erhoben worden waren. Als Gays Rücktritt vergangene Woche von konservativen Stimmen umgehend als Sieg im Kulturkampf gegen Wokeness und Diversity gefeiert wurde, wurde abermals deutlich, dass es in der Causa längst nicht nur um Gays Positionierung zu Antisemitismus geht, sondern generell um die Frage, wie und ob sich US-amerikanische Hochschulen gesellschaftspolitisch positionieren sollen – oder nicht.

Bill Ackman
Der Hedgefonds-Maganer Bill Ackman exponierte sich als Kritiker der nun zurückgetretenen Harvard-Präsidentin Claudine Gay.
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Prominenter Kritiker

Eine prominente Rolle in der Kampagne gegen Gay, die letztlich zu ihrem Rücktritt führte, nahm der US-Hedgefonds-Manager William (Bill) Ackman ein. Dem Vernehmen nach war der Milliardär offenbar verärgert darüber gewesen, dass die Verantwortlichen seine Alma Mater, die er mit großzügigen Spenden ausgestattet hatte, seine Einschätzung zu einer Reihe von Themen ignorierten. Auch Präsidentin Gay habe für seine Ansinnen kein offenes Ohr gehabt. "Es wäre klug gewesen, wenn sie zugehört oder zumindest den Hörer abgenommen hätte", äußerste sich Ackman über die nun zurückgetretene Harvard-Präsidentin.

Claudine Gay
Anfang Dezember war Claudine Gay, damals noch als Harvard-Präsidentin, vor einem Kongressausschuss zur Anhörung geladen. Ihre dortigen Äußerungen zogen viel Kritik nach sich.
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Auch nach Gays Rücktritt sind die Wogen längst nicht geglättet: Am Wochenende kam es zur nächsten Wendung in der Schlammschlacht um Plagiatsvorwürfe: Nun wurde Neri Oxman, eine frühere Professorin am Massachusetts Institute of Technology (MIT) und Ehefrau von Bill Ackman, zur Zielscheibe von Attacken: "Business Insider" veröffentlichte eine Zusammenfassung von Vorwürfen, wonach Oxman in ihrer Dissertation mehrere Passagen von Wikipedia plagiiert habe. Zunächst war von vier plagiierten Stellen die Rede, in der Auflistung von Samstag identifizierte "Business Insider" bereits dutzende Wikipedia-Artikel, die Oxman in ihrer Dissertation übernommen haben soll. Weiters wurden Plagiatsvorwürfe in anderen wissenschaftlichen Arbeiten erhoben, die sie 2007 und 2011 veröffentlicht hatte. Oxman entschuldigte sich daraufhin in einem Statement: Sie habe in ihrer Dissertation in vier Absätzen auf das korrekte Setzen von Anführungszeichen vergessen.

Neri Oxman
Die Designerin Neri Oxman hatte einst eine Professur am Massachusetts Institute of Technolgy (MIT) inne. Nun sieht sie sich mit Plagiatsvorwürfen konfrontiert.
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Retourkutsche auf Retourkutsche

Ihr Ehemann Ackman ist aber drauf und dran, die Angelegenheit weiter eskalieren zu lassen. In einem Statement auf X (vormals Twitter) nahm er seine Frau wortreich in Schutz und unterstellte dem "Business Insider" unlautere Motive und keine fairen journalistische Praktiken. Da Ackman offenbar eine Retourkutsche gegen seine Frau vonseiten ihres einstigen Umfelds am MIT als Antwort an seine offene Kritik an Gay vermutet, legte er nun mit einer weiteren Ansage nach: Er kündigte an, künstliche Intelligenz dafür einsetzen zu lassen, um die wissenschaftlichen Arbeiten der MIT-Faculty großflächig auf Plagiate zu überprüfen.

Wie und wann diese Prüfung durchgeführt werden soll, ist freilich noch unklar. Ackman prophezeit schon jetzt, dass das Ergebnis eine "unglaubliche Blamage" für die akademische Welt bringen würde. Die nächste Runde in der Schlammschacht an US-Universitäten ist vorprogrammiert. (Tanja Traxler, 8.1.2024)