Davos – Im Schnitt 14 Millionen Dollar Gewinn pro Stunde – auf diesen beachtlichen Stundensatz blicken die fünf reichsten Männer der Welt. Das geht aus einer Studie hervor, die die Entwicklungsorganisation Oxfam vor dem Start des Weltwirtschaftsforums (WEF) in Davos veröffentlicht hat. Die Krisen und Kriege der vergangenen Jahre haben die Schere zwischen Arm und Reich auf der Welt noch weiter auseinandergetrieben. Demnach haben laut Oxfam besagte fünf Männer ihr Vermögen seit 2020 mehr als verdoppelt. Gleichzeitig wurden fast fünf Milliarden Menschen, die ärmsten 60 Prozent, noch ärmer.

Zudem kommt Oxfam anhand der Berechnungen zu dem Schluss, dass die Welt bei der aktuellen Wachstumsrate schon in zehn Jahren ihren ersten Dollar-Billionär haben könnte. Die globale Armut dagegen wäre auch in 230 Jahren noch nicht vollständig überwunden. Der Studie liegen Daten aus verschiedenen Quellen zugrunde. So führte Oxfam etwa "Forbes"-Schätzungen zum Vermögen von Milliardären mit Schätzungen der Bank Credit Suisse zum weltweiten Vermögen zusammen.

Elon Musk
Mit einem Vermögen von über 200 Milliarden US-Dollar ist Elon Musk der reichste Mensch der Welt.
AP/Kirsty Wigglesworth

Die fünf reichsten Männer sind Elon Musk (Tesla, X, Space X), Bernard Arnault (LVMH) und Jeff Bezos (Amazon), Larry Ellison (Oracle) und Warren Buffett (Berkshire Hathaway). Laut Oxfam stieg ihr Vermögen von 405 Milliarden Dollar im Jahr 2020 auf zuletzt 869 Milliarden Dollar. Das Vermögen aller Milliardäre insgesamt wuchs dreimal so schnell wie die Inflationsrate.

Mehr Gier und Arroganz

"Milliardäre werden reicher, die Arbeiterklasse hat zu kämpfen, und die Armen leben in Verzweiflung. Das ist der unglückliche Zustand der Weltwirtschaft", schreibt US-Senator Bernie Sanders im Vorwort der Studie. Niemals zuvor habe es eine solche Ungleichheit bei Einkommen und Vermögen gegeben. Auch die Gier, Arroganz und Verantwortungslosigkeit seien beispiellos.

Zugleich hätten 4,77 Milliarden Menschen, die ärmsten 60 Prozent der Menschheit, seit 2020 zusammen 20 Milliarden Dollar Vermögen verloren. Bei 791 Millionen Arbeitern hielten die Löhne laut Oxfam nicht mit der Inflationsrate mit. Jeder von ihnen habe in zwei Jahren im Schnitt fast einen Monatslohn eingebüßt. Oxfam fordert daher eine Besteuerung hoher Vermögen. Die Mittel daraus müssten in den Klimaschutz sowie den Ausbau von Bildung, Gesundheitsversorgung und sozialer Sicherung investiert werden.

Kritik am Vergleich

Wenig begeistert von der Berechnung zeigt man sich beim wirtschaftsliberalen Thinktank Agenda Austria. "Oxfam vergleicht die fünf reichstem Männer im November 2023 mit den Top fünf im März 2020. Das war einerseits der Tiefpunkt am Aktienmarkt, andererseits sind es nicht dieselben fünf Menschen. Bill Gates ist rausgerutscht und Warren Buffett rein", sagt Agenda-Ökonomin Carmen Treml zum STANDARD. Der Vergleich hinke, weil dieser Zeitpunkt nicht repräsentativ sei.

Einen weiteren Kritikpunkt sieht Treml in der Berechnungsgrundlage: "Diese Studien gehen stets von Vermögenswerten aus, die beruhen aber nur auf Schätzungen. Eigentlich sollte das Einkommen herangezogen werden." Es sei richtig, dass die Reichen ihr Vermögen deutlich ausgebaut haben, aber die Art und Weise der Oxfam-Darstellung sei irreführend.

Oxfam-Vorschlag

Oxfam setzt sich seit Jahre für Vermögenssteuern für Reiche ein. Die Entwicklungsorganisation schlägt folgendes Vermögensteuermodell vor: zwei Prozent auf Vermögen von mehr als fünf Millionen US-Dollar, drei Prozent auf Vermögen von mehr als 50 Millionen Dollar und fünf Prozent auf Vermögen, die eine Milliarde Dollar überschreiten. Weltweit könnte eine solche Vermögensteuer für Millionäre und Milliardäre laut Oxfam jedes Jahr 2,5 Billionen Dollar einbringen.

Agenda-Ökonomin Treml stimmt Oxfam zu, dass akut etwas gegen die Armut getan werden müsse. Bezos und Musk zu besteuern würde aber etwa den Menschen in der Sahelzone nicht helfen.

Entwicklung bis Corona

Oxfam geht im aktuellen Bericht davon aus, dass es so weitergeht wie in den vergangenen Jahren, die in der Tat schwierig waren. Beginnend mit der Corona-Pandemie ging die Wirtschaftsleistung in vielen Ländern zurück, was auch die Armut wieder mehr befeuert hat. Die Pandemie hat dadurch gezeigt, was es heißt, wenn der Welthandel stockt, ganz zum Erliegen kommt oder die Lieferketten unterbrochen werden.

Die Entwicklung davor war allerdings eine andere. Laut Weltbank lebten im Jahr 1990 rund zwei Milliarden Menschen in extremer Armut, bis 2019 ging diese Zahl bei gleichzeitig stark wachsender Weltbevölkerung auf 700 Millionen Menschen zurück. (and, dpa, 15.1.2024)