Die Frage, welchen Einfluss der regelmäßige Besuch einer Krabbelstube oder eines Kindergartens auf die Entwicklung hat, lässt sich kaum pauschal beantworten. Klar ist, dass die Kompetenzen von Kindern schon in jungen Jahren unterschiedliche Entwicklungswege nehmen, unter anderem auch deshalb, weil sich die Entwicklungs- und Lernmöglichkeiten in ihren Familien voneinander unterscheiden.

Eine neue Studie aus Deutschland kam nun zu dem Schluss, dass für Kinder aus sozial schwächeren Familien der Besuch einer Kindertagesstätte besonders bereichernd ist. Problematisch ist jedoch, dass gerade Kinder aus benachteiligten Elternhäusern wesentlich stärker von fehlenden Betreuungsplätzen betroffen sind als solche von bessergestellten Eltern.

Kinder, Kindergarten
Für Kinder aus sozial schwächeren Familien der Besuch einer Kindertagesstätte besonders bereichernd. Kinder aus Familien mit einem sehr hohen sozialen und wirtschaftlichen Status ziehen daraus dagegen keine Vorteile für ihre kognitive Entwicklung.
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Neue Kontakte

Die häusliche Lernumgebung spielt für Kleinkinder eine zentrale Rolle bei ihrer kognitiven, sozialen und emotionalen Entwicklung. Wie viel die Kinder lernen, hängt dabei stark vom sozialen und wirtschaftlichen Hintergrund der Familie ab. Der Besuch einer Kindertagesstätte hingegen kann für Kinder unabhängig von den Bedingungen im Elternhaus Vorteile bringen, weil sie dort andere Dinge lernen als zu Hause, beispielsweise durch das Miteinander mit Gleichaltrigen oder durch den Kontakt mit pädagogischen Konzepten.

Die neue Studie, die im Fachjournal "European Sociological Review" veröffentlicht wurde, basiert auf Längsschnittdaten von 992 Kindern im deutschen Nationalen Bildungspanel (NEPS). Die Untersuchung hilft dabei zu klären, welche Kinder in ihrer Entwicklung besonders stark von einer institutionellen Betreuung profitieren. Zunächst zeigte sich, dass Kinder aus bessergestellten Familien im Alter von zwei Jahren häufiger eine Betreuungseinrichtung besuchen als Kinder aus sozial benachteiligten Elternhäusern.

Mathematik und Wortschatz

Aber gerade Letztere ziehen die größeren Vorteile aus einem Besuch im Hinblick auf ihre kognitiven Kompetenzen, beispielsweise in Bereich Mathematik oder beim Wortschatz. Umgekehrt bringt der Besuch einer Kinderbetreuungseinrichtung Kindern aus Familien mit einem sehr hohen sozialen und wirtschaftlichen Status keine Vorteile in ihren kognitiven Kompetenzen. Auf ihre Mathematikkenntnisse wirkt er sich sogar tendenziell nachteilig aus. Unabhängig von ihrer Herkunft gilt für jedoch alle Kinder, dass der Besuch ihre sozial-emotionalen Kompetenzen stärkt.

Die Forschenden um Gaia Ghirardi vom European University Institute nahe Florenz (Italien) konnten in ihrer Analyse aufzeigen, dass der Besuch einer Kindertageseinrichtung das soziale Gefälle in den Kompetenzen von Kindern mindert und sozial ausgleichend wirken kann. "Unsere Simulationen mit einem 'Was wäre, wenn'-Szenario zeigen: Würden alle Kinder eine Kita besuchen, würden die sozialen Ungleichheiten in den Kompetenzen geringer ausfallen als heute", erklärte Co-Autorin Corinna Kleinert vom Leibniz-Institut für Bildungsverläufe. "Würden alle Kinder ausschließlich durch ihre Eltern betreut, würden sich die sozialen Ungleichheiten in der Entwicklung hingegen verstärken."

Fehlende Betreuungsplätze

Kritisch sehen die Forscherinnen und Forscher die Zugangsmöglichkeiten zu institutioneller Kinderbetreuung in Deutschland: Obgleich die Vorteile gerade für schlechtergestellte Familien am höchsten sind, besuchen nur 35 Prozent der Kinder aus diesen Familien im Alter von zwei Jahren eine Einrichtung. Bei bessergestellten Familien liegt die Wahrscheinlichkeit eines Kita-Besuchs hingegen bei 60 Prozent.

Die Forschenden fordern deshalb nicht nur, die Anzahl an Betreuungsplätzen weiter auszubauen, sondern auch den Zugang für benachteiligte Kinder zu erleichtern. Beides sei eine langfristig lohnende staatliche Investition in den Abbau sozialer Ungleichheit und die allgemeine Förderung von Kompetenzen bei Kindern. (red, 16.1.2024)