Herkömmliche sogenannte stellare Schwarze Löcher bilden den Schlusspunkt im Leben von massereichen Sternen. Aktuell geht man davon aus, dass Sterne, deren Anfangsmasse größer als etwa drei Sonnenmassen ist, in einer Kernkollaps-Supernova explodieren, sobald ihnen der Brennstoff ausgeht. Bleibt dann noch genug Masse übrig, kollabiert der Rest zu einem Schwarzen Loch. Manchmal bei geringeren stellaren Massen jedoch geht sich "nur" ein Neutronenstern aus. Wo genau die Grenze für diese beiden Entwicklungswege liegt, ist allerdings nicht ganz klar.

Verkompliziert wird die Angelegenheit durch eine Lücke zwischen den massereichsten Neutronensternen und den kleinsten Schwarzen Löchern. Einige Modelle der Sternentwicklung sagen voraus, dass keine Schwarzen Löcher durch Gravitationskollapse entstehen, die wenige Sonnenmassen über der maximal möglichen Masse eines Neutronensterns liegen.

Neutronenstern, Schwarzes Loch
Diese künstlerische Darstellung geht davon aus, dass das ungewisse Objekt ein Schwarzes Loch ist. Der hellste Hintergrundstern ist sein Begleiter, der Radiopulsar PSR J0514-4002E. Die beiden Sterne sind nur acht Millionen Kilometer voneinander entfernt und umkreisen einander einmal alle sieben Tage.
Illustration: Daniëlle Futselaar

Geheimnisvolle Lücke

Allerdings sind sowohl die tatsächliche Existenz als auch die theoretischen Grundlagen einer solchen postulierten Lücke in der Fachwelt umstritten. Das liegt unter anderem an fehlenden entsprechenden Beobachtungen. Lediglich Messungen von Gravitationswellen deuten darauf hin, dass es in dieser Massenlücke vereinzelt Himmelskörper geben könnte.

Nun hat ein internationales Team von Astronomen in einem dichten Kugelsternhaufen namens NGC 1851 im südlichen Sternbild Columba ein Objekt entdeckt, das ziemlich genau in diese Lücke fällt. Worum es sich letztlich handelt, können die Forschenden nicht mit Gewissheit sagen: Entweder der 40.000 Lichtjahre entfernte Himmelskörper ist der schwerste bekannte Neutronenstern, das leichteste je beobachtete Schwarze Loch – oder etwas bisher Unbekanntes dazwischen.

Rätselhafter Begleiter im Visier

Die Entdeckung gelang mithilfe des MeerKAT-Radioteleskops am Nordkap Südafrikas. Das Observatorium besteht aus 64 schüsselförmigen Einzelantennen mit jeweils 13,5 Meter Durchmesser und ist damit eines der größten und empfindlichsten Radioteleskope der Erde. Das Team nutzte MeerKAT, um einen sogenannten binären Millisekunden-Pulsar genauer unter die Lupe zu nehmen. Das Doppelsystem mit der Bezeichnung PSR J0514-4002E besteht aus einem Neutronenstern, der 170-mal pro Sekunde rotiert, und einem unbekannten Begleiter.

Unter Berücksichtigung relativistischer Effekte schätzten die Autoren die Gesamtmasse des Systems und leiteten daraus die Masse des "stillen" Begleiters des Pulsars ab. Die nun im Fachjournal "Science" erschienenen Ergebnisse deuten darauf hin, dass dieser rätselhafte Kompagnon ein ultrakompaktes Objekt mit einer Masse zwischen 2,09 und 2,71 Sonnenmassen ist. Damit rangiert es am unteren Rand der beobachteten Masselücke zwischen Neutronensternen und Schwarzen Löchern. Eine genaue Klassifizierung gelang dem Team jedoch nicht.

MeerKAT ist das größte Radioteleskop auf der südlichen Hemisphäre. 64 schüsselförmige Einzelantennen lauschen von Südafrika aus in den Kosmos.
Foto: SRAO/NRF

Ein Kind extremer Umstände ...

"Beide Möglichkeiten sind aufregend", sagte der britische Projektleiter Ben Stappers von der University of Manchester. "Ein Pulsar-Schwarzes-Loch-System wäre ein hervorragendes Ziel, um Theorien über die Schwerkraft zu testen. Und ein derart massiver Neutronenstern könnte neue Erkenntnisse über die Kernphysik bei sehr hoher Dichte liefern."

Während seine Identität unklar bleibt, haben die Astronominnen und Astronomen eine Vorstellung davon, wie das Objekt entstanden sein könnte: Möglicherweise ging es aus der Verschmelzung zweier Neutronensterne hervor, was in der extremen Umgebung innerhalb eines Kugelsternhaufens häufiger vorkommen kann. Der Kugelsternhaufen NGC 1851 ist eine dichte gepackte Ansammlung von rund einer halben Million alter Sterne. Hier sind die Abstände – nach astronomischen Maßstäben – so gering, dass die Sterne miteinander interagieren, ihre Bahnen stören und im Extremfall auch zusammenstoßen können.

Wenn ein ohnehin schon massereicher Neutronenstern auf diese Weise weiter zunimmt, kollabiert er. Was dann aus ihm wird, gab bisher Anlass zu Spekulationen; viele Fachleute glauben, dass das Resultat ein recht kleines Schwarzes Loch ist, klein genug jedenfalls, um in die "untere Massenlücke" der Schwarzen Löcher zu passen.

... oder eine neue exotische Sternvariante

Noch könne man zwar nicht abschließend sagen, ob man hier den massivsten bekannten Neutronenstern, das leichteste bekannte Schwarze Loch oder sogar eine neue exotische Sternvariante entdeckt hat, meinten die Forschenden. Dennoch liefere die Beobachtung eine einzigartige Chance, Licht in diese dazwischenliegende geheimnisvollen Grauzone zu bringen.

"Wir sind mit diesem System noch nicht fertig", sagte Arunima Dutta vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn, die gemeinsam mit Ewan Barr (ebenfalls vom MPIfR) die Studie leitete. "Die Entdeckung der wahren Natur des Begleiters wird ein Wendepunkt sein in unserem Verständnis von Neutronensternen, Schwarzen Löchern und allem, was sonst noch in der Massenlücke des Schwarzen Lochs lauern könnte." (Thomas Bergmayr, 19.1.2024)