Wer über den irdischen Tellerrand hinausblicken will, braucht Dunkelheit. Nur fernab künstlicher Lichtquellen lässt sich der Nachthimmel richtig gut beobachten und gibt manche seiner kosmischen Geheimnisse preis. Solche nächtlichen Inseln der Dunkelheit sind auf unserem lichtverschmutzten Planeten immer schwieriger zu finden. Kein Wunder, dass Astronominnen und Astronomen den Himmel fernab der Zivilisation durchmustern, in Wüsten, im Gebirge und auf Vulkanen. Die Suche nach der Dunkelheit treibt auch Fotografinnen und Fotografen um, die auf der Jagd nach außerirdischen Motiven sind.

Milchstraße, Galaxie, Nachthimmel
Die Suche nach dunklen Orten für die Astrofotografie verschlug den Steirer Michael Kleinburger auf die Kanarischen Inseln.
Michael Kleinburger

Einer von ihnen ist der Steirer Michael Kleinburger, der sich auf Aufnahmen der Milchstraße spezialisiert hat. In Österreich bietet der Nationalpark Gesäuse die besten Bedingungen für astronomische Beobachtungen, dort hat Kleinburger schon unzählige Bilder unserer Galaxie gemacht und 2022 einen Film daraus erstellt. Für sein neuestes Projekt schlug sich Kleinburger auf den Kanarischen Inseln monatelang die Nächte um die Ohren, die spanische Inselgruppe vor Afrika gilt als besonders günstiger Ort für Sternenbeobachtungen.

Atemberaubende Aufnahmen

Diese Woche ist auf der Videoplattform Youtube sein neuester Film erschienen, rund 55.000 Aufnahmen fügte Kleinburger zusammen, um den kanarischen Nachthimmel im Zeitraffer zu zeigen. In 25 Bildern pro Sekunde lässt er die Milchstraße über spektakuläre Insellandschaften wandern.

Für "Canarian Skies" hat Kleinburger rund 55.000 Fotos zu einem Video zusammengesetzt.
Michael Kleinburger

"Ich war in Lanzarote und Fuerteventura in der Wüste unterwegs, in den Bergen von Gran Canaria und am Fuße des Teide auf Teneriffa. Und natürlich auf La Palma, wo es auf dem Vulkan Roque de los Muchachos in 2.400 Metern Höhe die besten Beobachtungsbedingungen gibt", sagt Kleinburger. Dort, auf dem erloschenen Roque de los Muchachos, steht auch unter anderem eines der größten Spiegelteleskope der Welt, das zusammen mit dem Observatorium auf Teneriffa das European Northern Observatory bildet.

Dass La Palma, die nordwestlichste der Kanarischen Inseln, zum Hotspot oder besser gesagt zum Darkspot der Astronomie wurde, liegt auch am strengen Lichtschutz: 1988 wurde dort das weltweit erste Gesetz gegen Lichtverschmutzung erlassen, um die idealen Beobachtungsbedingungen zu erhalten. Zum Schutz des Roque-de-los-Muchachos-Observatoriums gibt es für Außenbeleuchtungen, Straßenlaternen und Leuchtreklame auf La Palma strenge Regeln, aber auch andere Faktoren werden auf berücksichtigt, die den Blick ins All beeinträchtigen könnten: etwa Funkbetrieb und industrielle Tätigkeiten.

Milchstraße, Galaxie, Nachthimmel
Im Schutz der Dunkelheit zeigt sich das Zentrum unserer Galaxie in voller Pracht.
Michael Kleinburger

Glückstreffer über dem Hochkar

"Um die Bewegung der Milchstraße sichtbar zu machen, die man sonst nicht wahrnimmt, habe ich dort immer über viele Stunden Foto für Foto aufgenommen, und 25 Bilder ergeben dann eine Sekunde im Film", erzählt Kleinburger. Um auch die spektakulären und durchaus abwechslungsreichen Insellandschaften im Film abzubilden, suchte der Fotograf auch auf den anderen Inseln nach möglichst dunklen und eindrucksvollen Plätzen. "Das sind in der Regel immer Orte, wo es wehtut, hinzugehen – irgendwo weit oben auf dem Berg, weit abgelegen in der Wüste, bei Klippen. Das war eigentlich der größte Aufwand, dort hinzukommen."

Im Vorjahr gelang dem Fotografen in Österreich ein astronomischer Schnappschuss, der es zum Astronomiebild des Tages der US-Weltraumbehörde Nasa brachte: Er fing im Juli einen Meteor beim Verglühen über dem Hochkar ein, das farbige Leuchten zeigt die chemischen Elemente des verglühenden Brockens.

Meteor
Feuerball über dem Hochkar: Vergangenen Juli fing Kleinburger einen Meteor beim Verglühen ein.
Michael Kleinburger

Liebeserklärung an die Dunkelheit

Die Liste der Orte, von denen aus Kleinburger den Himmel für seine nächsten Projekte ins Visier nehmen will, ist lang. Ganz oben stehen Chile und Namibia, wo die Beobachtungsbedingungen noch einmal besser sind. "Ich mache das für mich, um diese unbeschreibliche Schönheit mit eigenen Augen zu sehen, aber es ist auch so etwas wie eine Liebeserklärung an die Dunkelheit, die ich an andere weitergeben möchte", sagt Kleinburger. "Nur wer den Himmel einmal richtig gesehen hat, weiß, was für ein kostbares Gut die Dunkelheit ist, die immer mehr schwindet."

Wie La Palma vorzeigt, ließen sich Inseln der Dunkelheit aber auch gezielt erhalten; und noch etwas macht Kleinburger hoffnungsvoll: "Lichtverschmutzung ist die einzige Verschmutzung, die wir per Knopfdruck ausschalten können, wenn wir nur wollen." (David Rennert, 25.1.2024)