Demonstration gegen Rechts in Hamburg.
Laut Polizei versammelten sich rund 35.000 Menschen am Samstag in Frankfurt, um gegen rechts zu demonstrieren.
APA/AFP/KIRILL KUDRYAVTSEV

Frankfurt am Main/Berlin – Die deutschlandweiten Proteste gegen rechts und für die Demokratie gewinnen deutlich an Zulauf: Laut dem Netzwerk Campact demonstrierten am Samstag rund eine halbe Millionen Menschen. Allein in Frankfurt am Main und in Hannover gingen nach Angaben von Polizei und Veranstaltern jeweils 35.000 Menschen auf die Straße – ein Motto war "Demokratie verteidigen". Die Veranstaltung habe sehr schnell großen Zulauf bekommen, sagte ein Polizeisprecher in Frankfurt. Auch in anderen Städten kamen Zehntausende Menschen für friedlichen Protest zusammen. Für Sonntag sind große Demonstrationen in München, Köln, Berlin und Dresden angekündigt. Die Veranstalter rechnen in München mit bis zu 30.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Demonstriert werden soll auch im sächsischen Pirna, wo im Dezember der von der AfD aufgestellte Kandidat Tim Lochner zum neuen Oberbürgermeister gewählt worden war.

"Demokratie lebt von Menschen, die dafür aufstehen"

Der deutsche Vizekanzler Robert Habeck wertete die bundesweiten Demonstrationen als ermutigendes Zeichen für die Demokratie. "Demokratie lebt von den Menschen, die dafür aufstehen", sagte der Grünen-Politiker der "Augsburger Allgemeinen" (Montag). Es sei beeindruckend zu sehen, wenn jetzt viele Menschen "auf die Straße gehen und Flagge zeigen für unsere Demokratie". Innenministerin Nancy Faeser zog eine Parallele von der umstrittenen Konferenz bei Potsdam, an der Rechtsextreme und auch AfD-Politiker teilgenommen hatten, zur Wannsee-Konferenz in der NS-Zeit.

Tausende demonstrierten in Ulm
Tausende demonstrierten in Ulm.
IMAGO/Eibner

Auch die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock hat zu einem breiten Kampf gegen Rechtsextremismus aufgerufen. Es gebe nicht erst durch die Enthüllung von Correctiv, aber jetzt für alle sichtbar und deutlich, einen Teil in dieser Gesellschaft, der diese komplett auf den Kopf stellen und das Grundgesetz aushebeln wolle, sagte die Grünen-Politikerin am Sonntag auf dem Landesparteitag der Brandenburger Grünen in Potsdam.

"Um das zu verhindern, müssen wir mit allen Kräften für die Demokratie dagegen stehen." Baerbock forderte: "Wir müssen das klar benennen und nicht mehr von Wutbürgern, von Besorgten, von Rechtspopulisten sprechen, sondern von denen, die unsere Verfassung angreifen." Die Grünen-Politikerin lobte den zunehmenden Protest gegen rechts in Deutschland vor allem auch in kleineren und mittelgroßen Städten. "Das ist doch die Stärke in unserem Land", sagte Baerbock. Wenn es um die Frage gehe, ob man Mensch oder Menschenhasser sei, gingen Menschen auf die Straße - auch ohne große Aufrufe und zum ersten Mal.

Berichte von Correctiv

Ausgelöst wurden die bundesweiten Proteste durch Berichte des Medienhauses Correctiv über ein bis dahin nicht bekanntes Treffen von Rechtsradikalen mit Politikern der AfD und CDU. Der frühere Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung in Österreich, Martin Sellner, hatte dort nach eigenen Angaben über "Remigration" gesprochen. Wenn Rechtsextremisten den Begriff verwenden, meinen sie in der Regel, dass eine große Zahl von Menschen ausländischer Herkunft das Land verlassen soll – auch unter Zwang.

Demonstration in Frankfurt
Volles Haus in Frankfurt.
AP

Wahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg

Die CDU in Ostdeutschland hat die AfD zu Beginn des Wahljahres als ihren Hauptgegner ausgemacht. "Mit der AfD müssen wir es so machen wie einst mit NPD, DVU, Republikanern: Man muss diesen Extremisten den Nährboden entziehen", sagte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer der "Welt am Sonntag". "Die Politik muss handeln."

Sachsen-Anhalts Regierungschef Reiner Haseloff sagte: "Wir müssen uns inhaltlich mit dieser Partei auseinandersetzen, wir müssen sie stellen und dürfen ihr auch beim Thema Migration nicht ausweichen." Ein AfD-Verbotsverfahren sei keine Option, da die AfD sich eine Märtyrerrolle zuschreiben würde.

Im September werden in Sachsen, Thüringen und Brandenburg neue Landtage gewählt. Umfragen zufolge könnte die AfD in allen drei Ländern teilweise mit deutlichem Abstand stärkste Kraft werden. CDU-Chef Friedrich Merz hatte der AfD bei einer Vorstandsklausur in der vergangenen Woche bereits eine deutliche Kampfansage gemacht. (red, APA, 20./21.1.2024)