Knödel, Speckbrot, zünftige Musik, ein Schnapserl oder ein Bier – wer sich auf der Grünen Woche in Berlin tummelt, will sich vergnügen. Ob er oder sie sich an rassigen Pferden erfreuen, sich über Mutterkuhhaltung informieren oder bei einem Workshop erklären lassen will, wie man aus Weinkorken Schlüsselanhänger bastelt.

"Allesfresser willkommen" lautet das diesjährige Motto. Bei den Schweizern zieht ein Roboter, der geschickt eine Flasche schwenkt, die Blicke auf sich. Manch einer hat Käse im Angebot. Und für Urlaub am Bauernhof wirbt man auch in der Schweiz. Die Probleme, der Alltag, sie scheinen weit entfernt. Es braucht nur ein paar Schritte, um bei den Österreichern zu landen. Wer sich bei Trachten auskennt und bei alpenländischer Musik, erkennt den Unterschied gleich.

Besucher auf der Grünen Messe in Berlin haben eine Virtual-Reality-Brille aufgesetzt.
Wie rosig der Blick in die Zukunft ist, lässt sich wohl auch durch einen Blick in die VR-Brille nicht klären. Pessimismus hilft aber auch nicht weiter, so viel scheint zumindest hier am Stand klar zu sein.
APA/AFP/TOBIAS SCHWARZ

Auch sonst läuft in der Schweiz einiges anders. Die Politik schottet den Schweizer Lebensmittelmarkt mit Zöllen ab, was die Preise treibt, bei der Klimapolitik redet die EU den Schweizern naturgemäß nicht direkt drein. Was die Schweiz mit Deutschland und Österreich eint: Auch in der Schweiz hängen die Landwirte von Subventionen ab.

Auch hier ist mit dem Geldverteilen viel Zettelwirtschaft verbunden. Die Schweizer Landwirte hätten das Gefühl, von der öffentlichen Hand gegängelt zu werden, sagt der eine oder andere hier. Wie schaut die Zukunft aus? Das bewegt die Schweizer Produzenten genauso wie die deutschen und die österreichischen.

Durch die VR-Brille geschaut

Neben Fressalien aller Art finden sich auch technische Lösungen. Durch die virtuelle Brille an einem deutschen Stand schauen vor allem junge, in Tracht gewandete Männer. Drinnen viel Gaudi, draußen Proteste, so ging es am Wochenende weiter. In Frankreich, dem größten Agrarland der EU, schalteten sich die Landwirte in die Proteste ein. In Berlin übergab ein Bündnis deutscher Bauern eine Protestnote an den grünen Agrarminister Cem Özdemir. Anders als beim Bauernverband wird hier vor allem auf den ökologischen Umbau gepocht.

Was bei den Nachbarn passiert, ist auch für Österreich relevant: Deutschland ist der größte Markt für Lebensmittelexporte. Man nehme etwa das Schwein. Während von Jänner bis September 2023 die Ausfuhrmengen der heimischen Produzenten um sechs Prozent geschrumpft sind, erzielte Schweinefleisch mit 18 Prozent den wertmäßig höchsten Anstieg bei tierischen Produkten. Auch die Mengen sind gestiegen.

Blick zu den Nachbarn

Der Grund: Im vergangenen Jahr ist bei den deutschen Nachbarn die Zahl der Schweinehalter um gut 15 Prozent geschrumpft. Zehn Prozent weniger Schweinefleisch wurde im Land produziert. AMA-Marketing-Chefin Christina Mutenthaler-Sipek führt bei der Präsentation der Zahlen in Berlin die höheren TierwohlStandards ins Treffen. "Eine Umstellung können sich vor allem größere Betriebe leisten", sagt Mutenthaler-Sipek. Viele hätten aus wirtschaftlichen Gründen aufgegeben.

Ein Transparent mit dem Motto
"Allesfresser willkommen", lautet heuer das Motto in Berlin.
IMAGO/Rüdiger Wölk

Ändern sich in Deutschland die Spielregeln, trifft das auch die österreichischen Produzenten. Diskonter wie Aldi und Lidl verbannen niedrigere Haltungsstufen für immer mehr tierische Produkte. Wer weiter liefern will, muss mitziehen. Derzeit trifft das vor allem die Milchwirtschaft. Jeder vierte in Österreich erzeugte Liter geht nach Deutschland. Um in das (freiwillige) System der deutschen Handelsriesen zu passen – die Haltungsform wird in vier Stufen mit wachsenden Anforderungen an die Tierhaltung angezeigt –, hat man in Österreich das staatliche AMA-Gütesiegel adaptiert. Das Modul "Tierhaltung plus" passt zur deutschen Haltungsstufe 2, was unter anderem bedeutet, dass die Tiere sich auch im Stall zeitweise bewegen können.

Auf dem Weg zu mehr Tierwohl

Die AMA erwartet, dass rund 10.0000 Milchviehbetriebe mitmachen. Man werde auf dem Weg zu mehr Tierwohl auch Betriebe verlieren, heißt es. Auch der vom Verfassungsgerichtshof verfügte frühere Bann der Vollspaltenböden im Schweinestall wird dazu beitragen, meinen Fachleute. Stichwort Schwein. Während in Österreich über die angemessene Frist für ein Ende der Vollspaltenböden diskutiert wird, traf Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) in Berlin den chinesischen Vizelandwirtschaftsminister Ma Youxiang.

Die Österreicher essen vom Schwein nur Edelteile wie Schopfbraten und Schnitzel. Rüssel und Haxen werden in China gerne verzehrt. Da will Österreich mit einem bilateralen Abkommen anknüpfen. Josef Domschitz, Vertreter der Lebensmittelindustrie in der Wirtschaftskammer, weiß, warum. Auch die chinesische Bevölkerung will mit wachsendem Wohlstand mehr Fleisch essen. China baut derzeit seine Selbstversorgung aus. Unter anderem auch mit Schweinehochhäusern für Zehntausende Tiere (siehe dazu einen ARD-Bericht). Österreich hingegen sucht neue Märkte. Für Russland weist die AMA einen Mengenrückgang um ein Drittel aus. "Hätten wir den russischen Markt noch, bräuchten wir China nicht", sagt Domschitz in Berlin. (Regina Bruckner, 22.1.2024)

Die Reise nach Berlin erfolgte auf Einladung der AMA-Marketing.