Wirtschaft, Arbeit, Sicherheit, Familie: Es sind viele Schlagworte, die sich durch Karl Nehammers "Österreich-Plan" ziehen. Wer allerdings nach Inhalten zum Thema Klimaschutz sucht, muss in dem 82-seitigen Papier bis Seite 73 blättern, um das entsprechende Kapitel zu finden. Und auch dort sieht es mager aus: Nur etwas mehr als eine Seite ist dem Thema gewidmet.

Nehammer und Wöginger bei einer ÖVP-Veranstaltung vor Mikros.
Wie Österreich klimaneutral werden soll, ist eine offene Frage. Kanzler Karl Nehammer (rechts) beantwortet diese in seinem "Österreich-Plan" nicht. Und auch ÖVP-Klubchef August Wöginger will nicht über das Klimaschutzgesetz sprechen.

Nehammer will "Klimaschutz mit Hausverstand" betreiben. Damit bedient er sich einer Phrase, die die FPÖ gerne verwendet: Auch Herbert Kickl propagiert "Naturschutz mit Hausverstand". Was aber versteht die ÖVP unter dem Slogan? Wirtschaftliche Leistungskraft, breiter Wohlstand, soziale Sicherheit und ökologische Nachhaltigkeit sollen "im Sinn der Ökosozialen Marktwirtschaft" möglich sein.

Die Volkspartei wendet sich mit dem "Österreich-Plan" mitunter von dem ab, was das türkis-grüne Regierungsprogramm in Sachen Klimaschutz noch umfasste. Die Botschaft ist klar: Anreize statt Verbote sollen den Klimaschutz im Land vorantreiben. Das vor vier Jahren gemeinsam mit den Grünen formulierte Ziel der Klimaneutralität bis 2040 findet dabei keinerlei Erwähnung.

Zwar soll das Dokument skizzieren, wie Österreich 2030 aussehen soll, der Zielpfad dorthin fehlt im Klimabereich jedoch weitgehend. Zur Erinnerung: Österreich hat sich dazu verpflichtet, seine Emissionen bis 2030 im Vergleich zu 2005 um 48 Prozent zu senken. Wie das gelingen soll, geht aus dem Klimakapitel Nehammers nicht hervor.

Alte Bekannte

Der Kanzler wirbt stattdessen mit einigen bereits bekannten Punkten: So soll bis 2030 eine 100-prozentige bilanzielle Selbstversorgung mit Strom aus Erneuerbaren gelingen, Bewilligungsverfahren für diese beschleunigt werden. Zudem soll "jedes Haus zum Sonnenkraftwerk" werden. Außerdem wirbt er mit der Schaffung eines Klimatickets für Unternehmen. Einziger Haken: Dieses existiert laut Klimaministerium bereits in Form des Jobtickets – und kann Mitarbeitern steuerfrei zur Verfügung gestellt werden.

Im Kapitel Mobilität steht der Straßenverkehr klar im Fokus. Und das, obwohl der Verkehrssektor in Österreich zu den Hauptverursachern von Treibhausgasen zählt. Die Emissionen in dem Bereich liegen mehr als 40 Prozent über jenen im Jahr 1990. Zwar wird im "Österreich-Plan" der Ausbau von öffentlichen Verkehrsmitteln sowie der Ausbau des "Bahnraums Europa" erwähnt, konkrete Zahlen dazu fehlen allerdings. Anders sieht es beim Autoverkehr aus: Straßen sollen bis 2040 um 20 Milliarden Euro ausgebaut werden, die von ihm betitelten "grünen Verbrenner" – mit E-Fuels betriebene Autos – sollen mit einer Milliarde Euro gestärkt werden.

CO2-Speicherung im Fokus

Während der Plan kaum Anhaltspunkte dazu liefert, wie tatsächlich Emissionen eingespart werden sollen, will Nehammer CO2 vermehrt einspeichern. Dazu will er etwa das Verbot zur Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid aufheben. Was im "Österreich-Plan" nicht erwähnt wird: CO2-Speicherung ist teuer und kann laut Klimaforschung eine rasche Emissionsreduktion keinesfalls ersetzen. Im Gegenteil: Die Technologie soll nur für jene Bereiche angewandt werden, wo sich Emissionen absolut nicht vermeiden lassen.

Aber nicht nur für die Zukunft fehlt der Klimaplan: Österreich hat seit mehr als drei Jahren kein Klimaschutzgesetz – obwohl ein Entwurf dafür schon lange vorliegt. Das Gesetz werde "überhöht in der Bedeutung", sagte Nehammer erst am Sonntag in der ORF-Pressestunde – und machte keinen Hehl daraus, dass er andere Vorstellungen bezüglich der Novelle habe als die Grünen.

Gesetz fehlt weiterhin

Wo bleibt das Gesetz tatsächlich? Nach Informationen des Klimaschutzministeriums liegt der Entwurf für die Novelle, die beispielsweise Emissionsreduktionsziele für einzelne Sektoren umfasst, seit langem bei der ÖVP. Im Kanzleramt verwies man auf den Klub, der für die Materie zuständig sei. Dort zeigt sich: Offenbar will die Volkspartei nicht über das Gesetz sprechen. Und das, obwohl dieses im eigenen Regierungsprogramm verankert ist. Zahlreiche schriftliche und telefonische Anfragen des STANDARD bezüglich des Status quo bleiben seit eineinhalb Wochen unbeantwortet.

Schließlich hieß es, Klubchef August Wöginger sei privat verhindert gewesen und könne deshalb keine Auskunft geben. Sein Facebook-Profil zeichnete ein anderes Bild: Wöginger nahm seit der ersten Anfrage etwa an einem Neujahrsempfang der ÖVP teil oder war mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern beim Eisstockschießen.

Weshalb gibt es keine Rückmeldung auf den Entwurf für das Klimaschutzgesetz? Was sind die wesentlichen Kritikpunkte der ÖVP? Und soll es noch in dieser Gesetzesperiode beschlossen werden? All diese Fragen lässt die ÖVP offen. (Nora Laufer, 30.1.2024)