Während manche gerade in die Semesterferien starten, beginnt für andere bereits die Suche nach einem Praktikumsplatz für die Sommermonate. Schätzungsweise 100.000 Praktikantinnen und Praktikanten gibt es jährlich in Österreich. Der Großteil absolviert diese im Rahmen der Ausbildung.

Wie genau ein Praktikum aussieht, unterscheidet sich von Unternehmen zu Unternehmen. Während manche nicht nur die Chance auf Erfahrung, sondern auch eine gute Bezahlung bieten, ist das bei anderen nicht der Fall. Kaum entlohnte oder gar unbezahlte Praktika sind keine Seltenheit. Denn nicht immer werden Praktikumsstellen als Arbeitsverhältnisse deklariert, auch wenn von jungen Menschen Arbeitsleistung erbracht wird.

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Ein unbezahltes Praktikum kostet einen jungen Menschen in Europa rund 1.000 Euro pro Monat, zeigt eineStudie des Europäischen Jugendforums. Das kann sich nicht jede und jeder leisten.
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Damit könnte bald Schluss sein. Der Beschäftigungsausschuss im EU-Parlament will verhindern, dass junge Menschen zu Beginn ihres Arbeitslebens ausgebeutet werden und stimmte bereits im vergangenen Jahr mehrheitlich für ein Verbot von unbezahlten Praktika. Wer Arbeit leiste, müsse dafür auch entlohnt werden, so die Argumentation. Noch vor der EU-Parlamentswahl im Juni soll es ein entsprechendes Gesetz geben.

"46 Prozent der Studierenden haben Praktikumserfahrung. Ein Viertel davon absolviert ein Pflichtpraktikum", sagt Boris Ginner, Experte für Praktika bei der Arbeiterkammer Wien. An höheren Schulen und Fachhochschulen ist das Sammeln von Berufserfahrung ein fester Bestandteil, aber auch in anderen Bereichen wie beispielsweise in der Pädagogik oder Psychotherapie. An Universitäten absolvieren Studierende meist ein zu ihrer Ausbildung passendes Praktikum, jedoch auf freiwilliger Basis.

Gespaltene Meinungen

"Ich kann irgendwie verstehen, dass man uns nicht bezahlt, weil man uns erst alles beibringen muss und wir noch in der Ausbildung sind. Trotzdem müssen wir auch tanken oder brauchen Geld für die Öffis, um in die Arbeit zu kommen", sagt Carina*. Die 28-Jährige studiert Gesundheits- und Krankenpflege und absolviert derzeit ein Praktikum in einem Krankenhaus. Sie und weitere junge Menschen haben sich auf einen Social-Media-Aufruf des STANDARD zu der Thematik gemeldet. Die Studentin bekomme zwar eine Förderung vom Land, die andere Studiengangsteilnehmende nicht bekämen, ein bezahltes Praktikum wäre ihr aber dennoch lieber: "Wir arbeiten trotzdem hart und machen zwischen acht und zwölf Stunden Dienst. Auch wenn wir noch Anweisungen benötigen oder teilweise unter Aufsicht arbeiten", sagt sie. Ein kleiner Bonus sei immerhin ein Gratisessen, das ihr pro Arbeitstag zusteht.

Zwiegespalten aufgrund des möglichen Verbotes ist Juliana*: "Im ersten Moment habe ich mich darüber gefreut, dass unbezahlte Praktika nun abgeschafft werden sollen. Für mich ist es zwar zu spät, aber zumindest könnten zukünftige Studierende davon profitieren." Nach einer kurzen Bedenkzeit sei ihr allerdings klargeworden, dass sie durch ein solches Verbot wohl nur ein einziges Praktikum in ihrem Lebenslauf hätte verzeichnen können. Die 24-Jährige hat bereits einen Bachelorabschluss in Kunstgeschichte und studiert nun Archäologie im Master. "Da im Kulturbereich ohnehin nicht genug Mittel zur Verfügung stehen, werden durch diese Regelung nicht mehr bezahlte Praktikumsstellen angeboten werden, sondern den Studierenden wird die Möglichkeit genommen, praktische Erfahrung zu sammeln", befürchtet sie.

Fehlende Mittel

Ähnliche Bedenken äußert auch Sozialarbeiterin Sofia*. Sie kenne beide Seiten: "Einerseits habe ich selbst unbezahlte Praktika absolviert, andererseits bin ich nun für Praktika von Studierenden zuständig. Ich bin grundsätzlich absolut dafür, dass Praktika finanziell abgegolten werden, sehe da aber speziell in unserem Bereich ein großes Problem." Der Sozialbereich sei auf öffentliche Gelder angewiesen, und Subventionen würden sehr knapp kalkuliert und "bis auf den letzten Cent ausgegeben".

Wenn keine zusätzlichen Gelder für Praktikumsstellen zur Verfügung gestellt werden, können viele Einrichtungen ihrer Einschätzung nach auch keine Plätze mehr anbieten. "Dies wiederum würde bedeuten, dass die Studierenden auf bestimmte Bereiche reduziert sind, was die Vorbereitung auf das Berufsleben betrifft. Erfahrungsgemäß wirkt sich dies auch auf die Besetzung von offenen Stellen aus", fährt sie fort. Ihr Fazit lautet: "Ja zu bezahlten Praktika, ja zur Finanzierung aus öffentlicher Hand. Sonst ist es im Sozialbereich unrealistisch."

Große Unterschiede

Ist diese Sorge um weniger Chancen für junge Menschen berechtigt? "Hierbei lohnt sich ein Blick auf die unterschiedlichen Branchen. Im Bereich der Technik und Informatik gibt es gar keine unbezahlten Praktika, im Gesundheits- und Sozialwesen, aber auch in der Medien- und Kulturbranche würde sich einiges ändern", sagt IHS-Hochschulforscher Martin Unger. Nachteile für den beruflichen Nachwuchs sieht er dadurch aber nicht unbedingt: "Gewisse Branchen leben aktuell davon, dass sie viele junge Menschen nicht bezahlen. Ob das System weiterhin funktioniert, wenn der Nachwuchs komplett fehlt, ist wohl die drängendere Frage."

Ähnlich bewertet dies auch Praktikumsexperte Boris Ginner. Die Argumentation, das Verbot würde jungen Menschen schaden, sieht er besonders kritisch: "Es gibt natürlich Branchen, in denen finanzielle Mittel knapp sind. Hier wären Förderungen für Betriebe und Organisationen, die Praktika anbieten, eine Möglichkeit. Gleichzeitig gibt es genug Unternehmen, die es sich leisten könnten, Praktikantinnen und Praktikanten zu bezahlen, es aber nicht tun."

Soziale Schieflage

Auch der 24-jährige Leon* hat schon einige unbezahlte Praktika hinter sich. Derzeit studiert er im Master Psychologie. Er sei dankbar für die Erfahrungen und Möglichkeiten, die ihm geboten wurden, spricht sich aber dennoch klar für eine verpflichtende Vergütung aus: "Zumindest ein paar Hundert Euro pro Monat. Das würde nicht nur die Wertschätzung für die Arbeit zum Ausdruck bringen, sondern auch die finanzielle Belastung für Studierende mildern."

Und diese ist nicht zu unterschätzen: Laut einer Studie des Europäischen Jugendforums aus dem Vorjahr kostet ein unbezahltes Praktikum einen jungen Menschen in Europa rund 1000 Euro pro Monat. Die Wahrscheinlichkeit, sich das leisten zu können, ist bei Menschen mit Migrationshintergrund, Kindern von Alleinerziehenden oder Menschen mit Behinderungen demnach bis zu achtmal geringer als bei anderen. IHS-Forscher Martin Unger resümiert: "Daraus entsteht eine soziale Schieflage. Denn nur wer es sich leisten kann diese Berufserfahrung zu sammeln, hat dann später auch die besseren Jobchancen." (Anika Dang, 5.2.2024)