Füreinander da sein – auch wenn man kein (Liebes-)Paar ist: Das ist der Gedanke hinter der
Füreinander da sein – auch wenn man kein (Liebes-)Paar ist: Das ist der Gedanke hinter der "Verantwortungsgemeinschaft".
Oberhaeuser

Menschen sollen Verantwortung füreinander übernehmen – diesen Leitgedanken hat die deutsche Ampel schon in ihrem 2021 geschlossenen Koalitionsvertrag festgelegt. Darin heißt es: "Wir werden das Institut der Verantwortungsgemeinschaft einführen und damit jenseits von Liebesbeziehungen oder der Ehe zwei oder mehr volljährigen Personen ermöglichen, rechtlich füreinander Verantwortung zu übernehmen."

Nun hat der deutsche Justizminister Marco Buschmann (FDP) Eckpunkte vorgelegt. Geplant ist, dass sich bis zu sechs volljährige Personen, die einander nahestehen, zu einer "Verantwortungsgemeinschaft" zusammenschließen und beim Notar einen Vertrag unterzeichnen können. Buschmann denkt dabei an Freunde oder an Seniorinnen und Senioren, die vielleicht schon in einer Wohngemeinschaft leben – aber eben nicht verheiratet sind.

So soll in einer gesundheitlichen Notsituation ein Mitglied der Verantwortungsgemeinschaft Auskunft von behandelnden Ärzten verlangen können und andere Partner vertreten können, wenn diese nicht in der Lage sind. Buschmann lässt außerdem prüfen, ob die Regeln des Pflegezeitgesetzes und des Familienpflegezeitgesetzes über die Pflege von nahen Angehörigen auch auf die Verantwortungsgemeinschaft übertragen werden können. In diesem Falle könnten pflegende Partner:innen sich von der Arbeit freistellen lassen.

Auch finanziell könnte die Gemeinschaft Vorteile bringen. Entschließen sich Menschen, die weder miteinander noch mit anderen verheiratet sind, für eine "Zugewinngemeinschaft", dann würde im Trennungsfall das Vermögen ausgeglichen werden. Es kämen die Regeln zum "Zugewinnausgleich" zwischen Ehepartnern zur Anwendung.

Eine Art "Wahlverwandtschaft"

Buschmann versichert, dass sein Modell keine "Ehe light" sei: "Am besonderen Schutz von Ehe und Familie wird sich durch die Einführung der Verantwortungsgemeinschaft nichts ändern. Sie wird Menschen das Leben etwas leichter machen – aber niemandem etwas wegnehmen." So sind keine steuer- oder erbrechtlichen Erleichterungen geplant. Statt "Ehe light" spricht der Justizminister lieber von einer Art "Wahlverwandtschaft".

Der Queer-Beauftragte der Regierung, Sven Lehmann von den Grünen, begrüßt die geplanten Neuerungen. "Für queere Menschen wird die Verantwortungs­gemeinschaft eine Möglichkeit, ihre Wahlfamilie rechtlich abzusichern", sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesfamilienministerium den Zeitungen des Redaktions-Netzwerks Deutschland (RND). Oft sei es die Wahlfamilie, die "aufgrund von Ablehnung nach dem Coming-out den Platz der Herkunftsfamilie eingenommen hat", erklärte Lehmann. Die Mitglieder helfen und unterstützen sich im Alltag und in Notfällen gegenseitig.

Lob gibt es auch vom Sozialverband Deutschland (SoVD). Lebensumstände, Partnermodelle und Familiensysteme hätten sich seit vielen Jahren sehr verändert, sagte die SoVD-Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier dem RND. "Dem Rechnung zu tragen ist ein guter Ansatz – vor allem in Zeiten, in denen die Quote der Alleinlebenden immer weiter steigen und die Gesellschaft immer mehr altert." Wenig begeistert ist hingegen die Union. CDU-Rechtsexperte Günter Krings warnt vor der "Vielehe" und sagt: "Niemand wird kontrollieren können, welcher Art die Verbindung zwischen den Menschen in einer solchen Verantwortungsgemeinschaft ist." (Birgit Baumann aus Berlin, 7.2.2024)