Chinesen vor einer Börse.
Mehrere westliche Fonds haben sich mittlerweile aus China zurückgezogen. Ob sie wiederkommen, ist fraglich.
EPA/ALEX PLAVEVSKI

Bottom-Fishing, das Fischen am Boden, ist eine unter Anlegern als gefährlich bekannte Strategie. Gemeint ist damit, stark gefallene Aktien zu kaufen, in der Annahme, die Wende stehe kurz bevor. In China wird diese Strategie gerade staatlich verordnet.

Mehrere Händler berichteten der Nachrichtenagentur Reuters, dass ihre Verkaufsaufträge am Montag schlicht abgelehnt worden waren. "Unsere Verbindungen wurden unterbrochen", sagten die Fondsmanager. Gleichzeitig gab die chinesische Börsenaufsicht (CSRC) bekannt, der staatliche Investmentfonds Central Huijin werde nun ETFs kaufen, um vor allem den sogenannten A-Share-Markt zu stützen. Und als wäre das noch nicht genug, wurde am Mittwochmorgen auch noch der Vorsitzende der CSRC gefeuert. Yu Huiman hatte die Aufsicht von 2019 bis 2024 geleitet.

Am Freitag beginnt in China das Neujahrsfest – hunderte Millionen Chinesen besuchen ihre Familien. Insofern will Peking für etwas Optimismus sorgen. Sieben Billionen US-Dollar nämlich haben die Aktienmärkte in Schanghai und Hongkong seit 2021 verloren.

Deflationäre Wirtschaft

Zumindest die Aktien einiger Tech-Unternehmen konnten Anfang dieser Woche etwas zulegen. Die Papiere des E-Commerce-Giganten Alibaba notierten am Mittwoch bei 78 US-Dollar – das ist gut zehn Prozent höher als noch vor drei Wochen, aber eben weit entfernt vom Hoch 2020 bei über 300 Dollar. Der Börsengang des Unternehmens vor knapp zehn Jahren war damals der größte in der Geschichte. Gleich am ersten Handelskurs, dem 19. September 2014, wurden die Papiere mit 93 US-Dollar gehandelt.

Auf der anderen Seite sitzen die Probleme tief und lassen sich nicht mit ein paar zusätzlichen Millionen lösen. Die chinesische Wirtschaft ist aktuell deflationär. Das hat mit der Immobilienkrise zu tun. Die Regierung muss den über Jahrzehnte angehäuften Schuldenberg möglichst ohne größere Implosionen reduzieren. Zwar hat die Zentralbank etwas Spielraum, die Liquidität zu erhöhen. Ein Stimulus zum Beispiel in Form eines Infrastrukturpakets, wie das 2010 der Fall war, hätte den gegenteiligen Effekt – es würde zu mehr Geld im System führen.

Die anderen Faktoren, die gegen eine zu schnelle Erholung sprechen, sind psychologischer Natur. Da ist zum einen das rabiate Vorgehen der Kommunistischen Partei Chinas gegen Unternehmen und Unternehmer. Jack Ma, Gründer von Alibaba, verschwand 2021 für einige Monate, nachdem er das traditionelle Bankensystem kritisiert hatte. Tencent, einer der größten Tech-Konzerne des Landes und Hersteller von Handyspielen, wurde kürzlich dazu verdonnert, die Verantwortung dafür zu übernehmen, dass chinesische Kinder nicht zu viel Zeit mit "Zocken" verbringen. Eigentumsrechte im westlichen Sinne existieren in China nach wie vor nicht – auch Hausbesitzer pachten ihr Wohneigentum lediglich vom Staat für 70 Jahre.

Und schließlich bleibt noch eine ganz große Frage offen: Was bedeutet der Ausgang des Krieges in der Ukraine für die Kommunistische Partei Chinas? Sollte Moskau verlieren, könnte China als Nächstes an der Reihe sein. Eine konfrontative Politik gegenüber China wird bei einem Wahlsieg von Donald Trump im November 2024 ohnehin erwartet. Mittlerweile aber ist der harte Kurs gegenüber Peking längst Konsens in Washington, wie zum Beispiel das von Präsident Biden verhängte Chip-Embargo zeigt. Zahlreiche internationale Fondsmanager haben sich nicht zuletzt aus geopolitischen Gründen aus China zurückgezogen – und es ist fraglich, ob sie wiederkehren, bloß weil die Regierung in Peking ein paar zusätzliche Millionen lockermacht.

Das Fischen am Grund ist nicht zuletzt deshalb gefährlich. "Never catch a falling knife" lautet eine andere Börsenweisheit: "Greife nie in ein fallendes Messer!" (Philipp Mattheis, 7.2.2024)