Die Teilwiederholung wurde vom deutschen Verfassungsgericht angeordnet, weil es 2021 teilweise chaotische Zustände in zahlreichen Wahllokalen der Hauptstadt gegeben hatte.
IMAGO/dts Nachrichtenagentur

Berlin – Bei der Teilwiederholung der deutschen Bundestagswahl in Berlin ist es zu leichten Zugewinnen für die Oppositionsparteien CDU und AfD gekommen. Die regierenden Ampelparteien SPD, Grüne und FDP verloren im Vergleich zum Gesamtergebnis 2021 etwas an Boden. Das zeigte sich in der Nacht auf Montag in Angaben der Landeswahlleitung nach Auszählung aller Wahlbezirke. Da nur zwölf Wahlkreise betroffen waren, sind Auswirkungen auf die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag ausgeschlossen.

Die teilweise Wahlwiederholung führt allerdings zu einer Verkleinerung des Parlaments um einen Sitz, den bisher die FDP innehatte. Dem Bundestag gehören künftig noch 735 Abgeordnete an, darunter nur noch 91 der FDP, wie die Bundeswahlleiterin in der Nacht bekannt gab. Für die anderen Parteien bleibt die Zahl der Sitze unter dem Strich unverändert. Neben den Freidemokraten verloren auch die Grünen im Gesamtergebnis 0,1 Prozentpunkte im Vergleich zu 2021 CDU und AfD erhielten jeweils 0,1 Prozentpunkte mehr - dies alles ohne Folgen.

Nur minimale Änderungen

In Berlin erzielten die konservative CDU und die rechtsextreme AfD Zugewinne zwischen einem und zwei Prozentpunkten. An der Reihenfolge der Parteien bei der Bundestagswahl 2021 änderte sich nichts. So bleibt die SPD in der Hauptstadt die SPD stärkste Partei mit 22,2 Prozent (-1,2 Prozentpunkte), dicht gefolgt von den Grünen mit 22,0 Prozent (-0,3). Die CDU verbesserte sich auf 17,2 Prozent (+1,3), die Linke hielt mit 11,5 Prozent praktisch ihr Ergebnis der Wahl 2021 (+0,1). Die AfD kletterte auf 9,4 Prozent (+1,0) und schob sich an der liberalen FDP vorbei, die auf 8,1 Prozent sank (-0,9).

Das prozentuale deutschlandweite Gesamtergebnis von 2021 änderte sich nur minimal: Die FDP (11,4 Prozent) und die Grünen (14,7 Prozent) verloren jeweils 0,1 Prozentpunkte. CDU (19,0 Prozent) und AfD (10,4 Prozent) erhielten jeweils 0,1 Prozentpunkte mehr. Für SPD (25,7 Prozent) und die Linke (4,9 Prozent) änderte sich das Bundesergebnis von 2021 bei der Wahl am Sonntag nicht.

SPD-Verluste als "klares Signal" an Bundesregierung

Der Berliner Bürgermeister Kai Wegner führte den voraussichtlichen Zuwachs seiner CDU auf die Arbeit der Landespartei zurück. "Das liegt vor allem daran, dass wir in Berlin eine gute Regierungsarbeit machen", sagte er am Sonntag im RBB-Fernsehen. Seine Partei, die in der Hauptstadt zusammen mit der SPD regiert, habe einen intensiven Wahlkampf geführt. "Wir haben eine gute Stimmung für die CDU in der Stadt." Seine Vorgängerin Franziska Giffey betonte, dass die SPD ihre Position als stärkste Kraft habe verteidigen können. Es gehe gerade jetzt darum, die Demokratie zu verteidigen, Armut zu bekämpfen und Wohlstand zu sichern, sagte die aktuelle Wirtschaftssenatorin Berlins.

Wegner wertete das Ergebnis als Aufruf an Bundeskanzler Olaf Scholz, einen Kurswechsel vorzunehmen. Die SPD-Verluste seien ein "klares Signal" an die Bundesregierung. Er erwarte, "dass der Bundeskanzler hier sein Schweigen bricht, wie er dieses Land wieder auf Vordermann bringen will".

Wiederholung nach Wahl-Chaos angeordnet

Die Wiederholung wurde vom deutschen Verfassungsgericht angeordnet, weil es 2021 teilweise chaotische Zustände in zahlreichen Wahllokalen der Hauptstadt gegeben hatte. Die Beteiligung an der Wahlwiederholung war erwartungsgemäß dürftig. Lediglich 40,2 Prozent der Wahlberechtigten hatten bis 16 Uhr ihre Stimme abgegeben, 2021 waren es 57 Prozent gewesen. Werden die gültigen Stimmen von damals mitgerechnet, lag die Wahlbeteiligung um 16 Uhr bei 54,1 Prozent, das seien 3,8 Prozentpunkte weniger als vor zweieinhalb Jahren. Damals wurde allerdings neben der Bundestagswahl auch über die Zusammensetzung des Abgeordnetenhauses in Berlin und die Bezirksverordnetenversammlungen abgestimmt.

Bei der ursprünglichen Wahl gab es teils zu wenige Wahlurnen und es fehlten Stimmzettel. Einige Wahllokale blieben deshalb noch lange nach 18.00 Uhr geöffnet. Das Bundesverfassungsgericht ordnete deshalb in 455 von 2256 Berliner Wahlbezirken eine Wiederholung an. Betroffen waren alle zwölf Berliner Bundestagswahlkreise, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß. In Pankow waren 85 Prozent der Wahlbezirke betroffen, in Lichtenberg nur 2,9 Prozent.

Keine Verschiebung der Machtverhältnisse

Verschiebungen der Machtverhältnisse im Deutschen Bundestag wird es durch die Wahlwiederholung nicht geben, weil die Mehrheit der regierenden Ampelkoalition gut abgesichert ist. Allenfalls ein Stimmungsbild im Zuge der bundesweiten Demonstrationen gegen Rechtsextremismus ist möglich.

Die Wahlwiederholung lief am Sonntag fast reibungslos ab. Nach Angaben von Landeswahlleiter Stephan Bröchler gab es in zwei Fällen Verzögerungen beim Wahlgang. In einem Wahllokal im Bezirk Pankow fehlte demnach ein Schlüssel für einen abgeschlossenen Raum mit den Wahlunterlagen. Der Wahlvorstand hatte demnach den Schlüssel nicht vom dortigen Kindergarten bekommen. Unterlagen seien dann vom Bezirk geliefert worden, sodass das Lokal mit 40 Minuten Verzögerung um 8.40 Uhr geöffnet habe. In Kreuzberg hatte sich laut Bröchler ein Wahlvorstand wegen eines Unfalls mit einem Taxi verspätet, sodass es in dem betreffenden Wahllokal ebenfalls verzögert losging. "Das kann bei der besten Organisation passieren", sagte der Landeswahlleiter.

Die Teilwiederholung hatte einige Besonderheiten. Die Parteien durften keine neuen Kandidaten aufstellen, der Stimmzettel hatte so auszusehen wie 2021. Das führte beispielsweise dazu, dass formell die ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann erneut antrat, die derzeit in Untersuchungshaft sitzt, weil sie im Dezember 2022 bei einer groß angelegten Razzia festgenommen wurde. Tatsächlich konnte sie ihr Ergebnis von 2021 minimal verbessern und kam im Wahlkreis Steglitz-Zehlendorf auf 5,5 Prozent der Stimmen, um 0,2 Prozentpunkte mehr als bei vor zweieinhalb Jahren. Die Bundesanwaltschaft wirft der Politikerin, die es 2021 nicht in den Bundestag geschafft hatte, Mitgliedschaft und Unterstützung einer (rechts-)terroristischen Vereinigung vor. (APA, 11.2.2024)