Koreanisches Kimchi Trend Selbermachen
Koreanisches Kimchi ist in aller Munde.
Julia Rotter

Mitten in Wien, im 14. Bezirk, wird Kimchi zubereitet. Es ist aber kein Koreaner, sondern ein Vorarlberger, der hier fermentiert. Es ist kühl in der Kuefsteingasse 21, heute ist das Lokal geschlossen. Es ist spartanisch eingerichtet, Stühle stehen lieblos herum, die Bar, an der sonst ausgeschenkt wird, erinnert an einen ­zusammengeschusterten Männer­hobbyraum. Egal, das Wichtigste liegt hinter einer knall­roten Doppeltür. Dort wird Kohl fermentiert, durch ein Fischauge kann man in die Produktionshalle spechteln. Es riecht frisch, säuerlich, aber nicht streng.

Komplexe Aromenpalette

Simon Baur produziert hier Kimchi, scharfes Kraut aus der koreanischen Küche. 2020 hat er die Firma Krut Fermented gegründet. Nach einer Auszeit, in der er "sich die großen Fragen des Lebens" gestellt hatte, wie er sinniert. Der Unternehmensberater begann damals zu kochen (für Fridays for Future) und zu fermentieren (für sich selbst). Er sah darin nicht nur kulinarisches, sondern auch wirtschaftliches Potenzial. "Von europäischen Händlern gab’s noch kein Kimchi am Markt", sagt Baur. Seine Idee war es, jegliches überschüssiges Gemüse zu verwerten. Knapp vier Jahre später ist nur mehr das Kimchi übrig­geblieben. "Da haben die Leute wenigstens eine Ahnung, was das sein soll."

Kimchi, das ist eigentlich jedes fermentierte und gewürzte Gemüse. Am bekanntesten ist Chinakohl, der in einer Chilipaste vergoren wird. Die Aromenpalette ist komplex: Süß, ­salzig, scharf, würzig und sauer schmeckt der fermentierte Kohl.

Kimchi in the making: Zuerst wird der aufgeschnittene Kohl gesalzen und ausgewaschen.
Kimchi in the making: Zuerst wird der aufgeschnittene Kohl gesalzen und ausgewaschen.
Julia Rotter

Für die Koreaner, egal ob südliche oder nördliche Hälfte der Halbinsel, ist das Kimchi integraler Teil ihrer kulinarischen Identität. Es soll mehr als 300 Arten von Kimchi geben, es wird zu allen Jahreszeiten gegessen, ist Haupt- wie Nebengericht und kommt fast täglich auf den Tisch, egal ob Frühstück oder Abend­essen. Kimchi und das gemeinschaftliche Zubereiten stehen seit Jahren auf der Unesco-Liste als immaterielles Kulturgut. Damit sollen Traditionen geschützt und bewahrt werden, aber auch die Relevanz nationaler Gerichte und Zubereitungsarten hervorgehoben werden.

Krautmode

Vor 3.000 Jahren soll bereits das erste Gemüse in Korea gesalzen, fermentiert und gewürzt worden sein. Ein österreichischer Vergleich ist kaum möglich. Das Schnitzel ist zumindest etwas, auf das die Österreicherinnen und Österreicher stolz sind, und bestimmt als schützenswertes nationales Produkt ihrer Kultur sehen. Aber nicht jeder isst es täglich. Und schon gar nicht wird Schnitzel zum Frühstück, zu Mittag, zu Abend und als Snack zwischendurch gereicht.

Gochugaru, koreanisches Chilipulver
Die fast wichtigste Grundzutat: Gochugaru, koreanisches Chilipulver.
Julia Rotter
Die Chiliflocken werden mit einer Art Porridge aus Reismehl, Wasser und anderen Geschmacksgebern u.a. Ingwer, Apfel, etc. vermengt.
Die Chiliflocken werden mit einer Art Porridge aus Reismehl, Wasser und anderen Geschmacksgebern, wie Ingwer, Apfel, und Knoblauch vermengt.
Julia Rotter

Dass Baur als Nichtkoreaner eine so wichtige Tradition aufgreift und damit wirtschaftet, mag einigen sicher sauer aufstoßen. Mit dem Vorwurf der kulturellen Aneignung sei er aber noch nicht konfrontiert worden. Das Thema "ist sicher ernst zu nehmen, aber ich bin da nicht so radikal". Baurs koreanische Freunde seien froh, dass er das Gericht in Wien populärer mache, sagt er. Seine Kimchi-Kreation sei kulturelle Wertschätzung. Die Freunde sind strenge Verkoster, wie er sagt. Jeder wolle, dass es wie bei Oma schmecke. "Für mich reicht es, wenn sie sagen, es ist okay." Der Anspruch sei gar nicht, originäres Kimchi zu produzieren.

Foodie-Hype

Dass Baur in seiner Stätte werkeln kann, liegt am gastronomischen Erfolg, den das Kimchi in den letzten Jahren hingelegt hat. Klar, als Beilage zu Reis ist die koreanische Spezialität bekannt, mittlerweile findet man das scharfe Kraut aber auch in Tacos, Arancini und Pancakes. Zu Hause wie in Restaurants versucht man sich an neuen scharf-sauren Kombinationen. In Social Media werden Kimchi-Rezept­videos millionenfach aufgerufen und inspirieren dazu, das scharfe Kraut zu Hause selbst herzustellen. In Wien serviert das Café Azzurro Krautfleckerln mit Kimchi – und sorgte damit für einen lokalen Foodie-Hype. Kimchi mit bekannten Gerichten zu kombinieren ist für Baur Schlüssel zum Erfolg: "Wenn du Kraut­fleckerln oder Schnitzelsemmel oder Schweinsbraten mit Kimchi anbietest, können das die Leute eher annehmen."

Kimchi Paste Kikmchi selbermachen
Die fertige Paste. Damit wird der Kohl eingerieben.
Julia Rotter

Eine Tonne Chinakohl vergärt Baur pro Monat zu Kimchi. Er stellt seines nicht nach Originalrezept, sondern als vegane Variante her. Weil er selbst kaum Fleisch isst, und um es für alle zugänglich zu machen. Dafür verzichtet er auf die integrale Zutat "jeotgal". Dabei handelt es sich um gesalzenen Fisch oder gesalzene Meeresfrüchte. Das sorgt im fertigen Kimchi für den kräftigen Umamigeschmack. Häufig wird "jeotgal" aus praktischen Gründen mit Fischsauce ersetzt. Als vegane Alternative verwendet man zum Beispiel Miso. Baur verwendet nichts davon, versichert aber, dass der Geschmack seinem Kimchi nicht abgehe.

Gären lassen

Die Marinade wird in den Kohl einmassiert.
Die Marinade wird in den Kohl einmassiert.
Julia Rotter

Baur macht für uns klassisches "Tongbaechu"-Kimchi, also Kimchi aus ganzem Chinakohl. Es ist die wohl weltweit bekannteste Kimchi-Art unter den mehr als 300 Sorten, die es in Korea geben soll. Regionale Varianten fermentieren Rettiche, Karotten und Senfblätter, als "jeotgal" werden lebende Krebse oder frischgefangene, gehackte Oktopusse eingearbeitet. Jeder Haushalt in Korea macht Kimchi ein wenig anders, von daher gibt es kein ultimatives Rezept.

Baur schneidet den Chinakohl in Spalten und wäscht sie. Die Spitzen sollten ein kräftiges Grün besitzen. Wichtig ist ein knackiger Kohl, damit behält das Kimchi nach der Fermentation seinen Biss. Die Kohlachtel salzen, dafür körniges und unjodiertes Salz verwenden. "Jodiertes Salz verhindert die Fermentation", sagt Baur. Er reibt das Salz zwischen jedes Kohlblatt, je näher am Strunk, desto mehr Salz muss sein. Danach den Kohl rasten und das Salz seine Arbeit verrichten lassen. Eine Stunde mindestens, zwei Stunden sind ideal. Wenn die Blätter biegsam geworden sind, ist der Kohl fertig für die Weiterverarbeitung.

Dann ab ins Glas ...
Dann ab ins Glas ...
Julia Rotter
Kimchi selber machen Rezept Ho to making of
Einige Tage bei Raumtemperatur benötigt das Kimchi, um in die Gänge zu kommen, danach sollte es zwei Wochen gekühlt weiterfermentieren. Im Originalrezept kommen gesalzene Fische oder Meeresfrüchte hinzu.
Julia Rotter

Währenddessen bereitet Baur die Chili­marinade zu. In einem Topf kocht er eine Art Porridge aus Reismehl und Wasser. Brühe statt Wasser sorge für einen volleren Geschmack. Im Mixer püriert er Knoblauch, Zwiebel, Apfel und Ingwer. Die Masse vermengt Baur mit dem Reisgatsch und der wichtigsten Zutat: "gochugaru", koreanischem Chilipulver. Baur empfiehlt einen mittleren Schärfegrad. "Da kann man mehr davon hineingeben, was wiederum mehr Geschmack und Fermentation bedeutet." Bevor er die Chilipaste aufträgt, wäscht er den Kohl unter fließendem Wasser ab. Das sei wichtig, sonst wird das Kimchi zu salzig und ungenießbar. Er massiert die Chilimarinade großzügig in jede Spalte des Kohls. Das Kimchi wäre jetzt essfertig, sein volles Geschmackspotenzial entwickelt es erst durch die Fermentation. Dafür quetscht Baur die Spalten in ein Rexglas. Mit einem Stein beschwert, verschließt die Lake das Kimchi und schützt es vor Keimen. Zwei Tage lässt Baur das Kimchi bei Zimmertemperatur gären, immer wieder solle man den Deckel öffnen. Erst dann gibt er das Kimchi für zwei Wochen in den Kühlschrank zur Formvollendung.

Das fertige Kimchi passt zu Fettigem, in Bowls, Hotdogs oder Eintöpfe – oder zu trendigen Krautfleckerln. "Wir sollten vielleicht eine vegane Variante andenken", scherzt er. (Kevin Recher, 15.2.2024)

Simo Baur hat Ende 2020 Krut Fermented gegründet. Der Name leite sich vom xibergerischen Wort Surkrut, also Sauerkraut, ab. Der Vorarlberger war zuvor in der Unternehmensberatung tätig. Im Dezember eröffnete er im 14. Bezirk in Wien ein Bistro, in dem er auch Kimchi-Workshops abhält.
Simo Baur hat Ende 2020 Krut Fermented gegründet. Der Name leite sich vom xibergerischen Wort Surkrut, also Sauerkraut, ab. Der Vorarlberger war zuvor in der Unternehmensberatung tätig. Im Dezember eröffnete er im 14. Bezirk in Wien ein Bistro, in dem er auch Kimchi-Workshops abhält.
Julia Rotter