Auch bei Sahra Wagenknecht hat die Blasmusik aufgespielt. Beim Bier allerdings hielt sich die Chefin des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BWS) zurück.
Auch bei Sahra Wagenknecht hat die Blasmusik aufgespielt. Beim Bier allerdings hielt sich die Chefin des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BWS) zurück.
REUTERS/WOLFGANG RATTAY

Einen solchen Andrang hat es im Gasthaus Öller in Schalding, etwas außerhalb von Passau, lange nicht mehr gegeben. Schon um acht Uhr Früh stehen die Ersten in der Kälte vor dem Lokal. "Mal schauen, was die Sahra so sagt", meint einer. "Die Sahra" – also Sahra Wagenknecht, vormals "Ikone" der Linkspartei, dann deren Stein im Schuh, jetzt Chefin ihrer eigenen Partei, des BSW (Bündnis Sahra Wagenknecht) – hält ihren ersten politischen Aschermittwoch ab, probiert sich also an jenem Ritual, das die CSU groß gemacht hat, aber auch alle anderen Parteien längst im Portfolio haben.

Rund 50 Journalistinnen und Journalisten sind gekommen. So viele hat man bei der Platzhirschin CSU in letzter Zeit nicht mehr gesehen. Wagenknecht, die neu im "Aschermittwochsbusiness" ist, zieht mit den Klängen des "Defiliermarsches" und viel Applaus in die brechend volle Gaststube ein und wird von Fotografen fast erdrückt. "Ich will die ersten Bilder vor der CSU", feixt Josef Ilsanker, Stadtrat in Passau, vormals Linke, jetzt "Wagenknechtianer".

Für großes Gelächter sorgt Wagenknechts Vorredner Klaus Ernst, der einst die Linke mitbegründet hat. "Warum geht es meiner Partei so schlecht?", fragt Ernst. "Ex-Partei!", ruft Wagenknecht mahnend dazwischen. Ernst korrigiert sich und erzählt dann von einem "Männerplenum" am Parteitag der Linken. Da sei ernsthaft die Frage diskutiert worden: "Achtest du beim Sex darauf, dass sich dein Gegenüber beteiligt?" Er bezweifelt, dass dies "die brennende Frage der Arbeiterschaft ist". Es ist kein Halten mehr im Saal, alles lacht.

Mit Putin verhandeln

Die Blasmusik spielt noch einmal auf, dann ist Wagenknecht dran, die bis dahin nur am Mineralwasser genippt, aber Bier verweigert hat. Eigentlich geht es am Aschermittwoch ja darum, dem politischen Gegner sehr deftig die Leviten zu lesen. Franz Josef Strauß, der Übervater der CSU, war darin Weltmeister. Wagenknecht jedoch spielt in einer ganz anderen Liga: "Ich finde, mit der Ampelkoalition kann es jeder Stammtisch aufnehmen, was die Vernunft betrifft." Ein ganz großer Aschermittwochsbrüller ist das nicht.

Dann aber wird die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, weil sie sich sehr für die Aufrüstung der Ukraine einsetzt, als "Marie-Agnes Strack-Rheinmetall" bezeichnet. Die Anspielung auf die Rüstungsfirma führt Wagenknecht zum Hauptthema diese Rede: dem Ukrainekrieg. Hier hat sie eine ähnliche Position wie die AfD: Man müsse mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin verhandeln.

"Der Krieg ist immer und einzig eine Niederlage. Daher muss man alles dafür tun, damit die verfluchten Kriege dieser Welt enden. Wir wollen, dass Kriege beendet werden. Dafür steht das BSW", sagt sie und erklärt, sie habe sich gefragt, warum manche Politiker und Politikerinnen in Deutschland so für die Aufrüstung der Ukraine werben würden.

"Blutiges Geld" der Rüstungskonzerne

Wagenknechts Antwort, in Anspielung auf ihr Hotel in Passau: "Viele von denen, die jetzt die 'wilden Männer und Frauen spielen', haben Rüstungskonzerne im Wahlkreis." Und die Grünen bekämen auch noch Spenden von Rüstungskonzernen. Ihr BSW würde eine solche nicht annehmen. Denn, so Wagenknecht: "Es ist blutiges Geld."

Beim Thema Ukraine geht Wagenknecht stärker aus sich heraus als sonst. Und so schlägt sie auch noch ein "Ehrenbataillon für alle Kriege dieser Welt" vor, bestehend aus folgenden Bundestagsabgeordneten: Anton Hofreiter (Grüne), Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) und Roderich Kiesewetter (CDU). Dann sollten diese Krieg führen. Aber, sagt Wagenknecht: "Bitte keine deutschen Waffen mehr, keine deutsche Außenpolitik, die auf Krieg setzt."

Das Publikum dankt für diese Sätze mit viel Applaus. Aber das ist nicht an allen Stellen der Rede so. Über manche Strecken, wenn Wagenknecht über Strompreise und Netzentgelte spricht, klingt sie wie im Bundestag. Dann ist zu spüren, wie die ansonsten geneigten Zuhörerinnen und Zuhörer wegdriften und lieber Bier und Leberkässemmeln ordern. Ein Satz von Wagenknecht Richtung Ampel in Berlin kommt aber auf jeden Fall gut an: "Wir haben die dümmste Regierung in Europa – und die gefährlichste."

Ein junger Mann ist extra aus Wien gekommen, er lässt sich nachher Wagenknechts Buch "Die Selbstgerechten" signieren und erklärt, was ihm an Wagenknecht gefällt: "Sie ist nicht links, nicht rechts, sondern einfach vernünftig." Aus Passau stammt eine Frau, die meint: "Wir brauchen billiges russisches Gas, und ich glaube, Sahra hat die Kraft, etwas in Deutschland zu ändern."

Bei sieben Prozent liegt das BSW laut einer Insa-Umfrage für die "Bild am Sonntag" jetzt. Die Hürde für den Bundestag wäre damit genommen. Und der Passauer Stadtrat Ilsanker blickt schon auf den Aschermittwoch im kommenden Jahr 2025: "Da mieten wir dann die Dreiländerhalle!" In der trifft sich üblicherweise die CSU. (Birgit Baumann aus Schalding bei Passau, 14.2.2024)