Glutamat MSG Ruf
Tiefkühlpizza, Sinnbild des Glutamats.
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Alles schmeckt damit besser. So salopp kann man die Wirkung von Glutamat zusammenfassen. Es passt zu Fleisch- und Fisch-Gerichten, in Saucen und Suppen, kreative Köpfe finden dafür sicher auch Verwendung in Desserts und Drinks, alles geht. Würden wir mit Mononatriumglutamat, im Englischen oft auch unter der Bezeichnung MSG bekannt, öfters beim Kochen verwenden, unsere Gerichte wären um ein Vielfaches an Umami-Geschmack reicher. Tun wir aber nicht. Warum?

Hundertjähriges Gewürz

In den Neunziger- und Nullerjahren fand im deutschsprachigen Raum eine regelrechte Hexenjagd gegen das Glutamat statt. In Nachrichtensendungen wurde dagegen geschimpft, Gerichte mit Glutamat als minderwertig und schlecht abgestempelt. Die Diskussion entzündete sich an Fertiggerichten, an Tiefkühlpizza, an Chicken-Nuggets, an Maggi-Fix. Klarerweise sind diese Speisen an sich nicht gesund. Festgemacht wurde das aber am Geschmacksverstärker Glutamat und nicht am hohen Zucker-, Salz- und Fettgehalt.

Der schlechte Ruf weitete sich aus, die Menschen mieden Produkte mit Glutamat. Köche, die etwas von sich hielten, distanzierten sich von der Verwendung von Glutamat. Die Lebensmittelindustrie ging sogar so weit, Gerichte mit "glutamatfrei" zu labeln. In den Zutatenlisten findet man seither Hefeextrakt, was eben auch Glutamat enthält, aber natürlicher klingt. Das ist an sich absurd, da Glutamat kein künstlich hergestelltes Produkt ist, sondern aus Pflanzen gewonnen wird.

Rassimus in den USA

1907 destillierte der japanische Chemiker Kikunae Ikeda erstmals Glutamat aus eingekochten Kombu-Algen. Den Geschmack, den er damit erzielte, bezeichnete er als Umami, das wir heute als fünfte Geschmacksrichtung kennen und nichts anderes als würzig, wohlschmeckend bedeutet. Er entwickelte seine Entdeckung zur kristallförmigen Pulver MSG (Mononatriumglutamat) weiter. Mit der Firma Ajinomoto vertrieb man das Gewürz weltweit, mit großem weltweiten Erfolg in heimischen wie professionellen Küchen.

Glutamat Küche Kochen schlechter Ruf
Glutamat, wie es heute verkauft wird.
Foto: Kevin Recher

In den USA spielte sich der Kreuzzug gegen das Glutamat bereits vorher ab. In den Sechzigern veröffentlichte ein Arzt ein Dokument, in dem er Schwindel, Übelkeit und Kopfschmerzen bei Patienten als Folge des Glutamat-Konsums diagnostizierte. Er bezeichnete es als "Chinese Restaurant Syndrom", weil Glutamat gerne in asiatischen Küchen eingesetzt wurde. Was folgte, war ein rassistisch motivierter Boykott asiatischer Speisen und Lebensmittel, der die folgenden Jahrzehnte zumindest Glutamat einen irreversiblen Imageschaden verpasste. Glutamat galt von da an als gesundheitsschädlich. Zahlreiche Studien, die folgten, konnten das aber nicht beweisen. Glutamat war nicht Schuld an den Symptomen der Betroffenen. Der Schaden war aber bereits angerichtet.

Zeit für ein Comeback

Heute setzen sich Köchinnen und Food-Experten weltweit dafür ein, die Verwendung von MSG zu enttabuisieren. Restaurants geben explizit an, mit Glutamat zu kochen. In New York wurde das Restaurant "Bonnie's" 2023 zu einem der besten Neueröffnungen der Stadt gekürt – hier wird ganz offen mit Glutamat gekocht.

Auf diversen Social-Media-Kanälen erklären Köche, dass MSG völlig natürlich ist und in Lebensmitteln vorkommen, die wir regelmäßig essen: Tomaten, Erbsen, Parmesan, Pilze, Erdnüsse, Prosciutto, Brokkoli, Hühner- und Rindfleisch. Sie alle weisen einen hohen Glutamatwert auf. Und schädlich sind diese Lebensmittel bei weitem nicht.

Die Videoplattform Tiktok hat zahlreiche Rezepte, die explizit Glutamat als Zutat verwenden. Da werden zum Beispiel Pommes in einer Gewürzmischung aus Salz, Pfeffer, Paprika und Glutamat geschwenkt, Fisch mit MSG mariniert oder in das Salatdressing gemixt. Ein halber Teelöffel ist oft ausreichend, um das volle Potenzial eines Gerichts herauszukitzeln und ihm eine geschmackliche Tiefe zu verleihen.

In der kulinarischen Welt vollzieht Glutamat derzeit einen Wertewandel. Ein wenig wird es noch dauern, bis es den schlechten Ruf gänzlich abgeschüttelt hat. Aber die Zeit für ein Comeback steht bevor. (Kevin Recher, 17.2.2024)