Junge Menschen, die sich die Nase zuhalten, weil einer gefurzt hat
Zu viel Gas im Bauch kann zu Geruchsbelästigung führen. Schuld daran könnten zuckerfreie Süßigkeiten sein.
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Man isst zu Mittag, snackt dann noch einen Proteinriegel statt Schokolade – immerhin will man nicht ganz so "ungesund" leben –, und am Nachmittag hat man auf einmal unglaubliche Flatulenzen. Kennen Sie das oder eine ähnliche Situation? Womöglich, immerhin ist das etwas zutiefst Menschliches. Aber auch nach einem Fertiggericht kann das passieren oder nach einer hochverarbeiteten Süßigkeit. Man weiß dann nicht so genau, was die Gasbildung im Bauch so angetrieben hat, man weiß nur, dass es unangenehm ist.

Forschende sind nun einer möglichen Ursache von vielen auf der Spur: künstlichen Süßstoffen. Konkret: Sorbit. Dabei handelt es sich um einen Zuckeraustauschstoff auf Alkoholbasis, der in vielen industriell hergestellten Lebensmitteln als Trägerstoff, künstlicher Süßstoff und Feuchthaltemittel eingesetzt wird. Auf der Zutatenliste findet man ihn unter dem Kürzel E420.

Besonders oft findet sich Sorbit in zuckerfreien Kaugummis und diversen Zuckerln. In hohen Dosen wirkt es abführend, weshalb es auch in Medikamenten gegen Verstopfung zu finden ist. Tatsächlich ist es aber kein künstlich hergestellter Süßstoff, der Zuckeralkohol ist ein natürliches Produkt, das auch in manchen Obstsorten wie Marillen, Äpfeln, Birnen oder Avocados und auch in anderen Nahrungsmitteln vorkommt.

Die Bakterien sind schuld

Konsumiert man sehr viel davon, hat Sorbit eben eine abführende Wirkung, Krämpfe und Blähungen inklusive. So weit, so gut. Doch manche Menschen müssen schon heftig furzen, nachdem sie nur kleine Mengen konsumiert haben. Grund dafür ist eine Sorbit-Unverträglichkeit. Dann wird der Zuckeralkohol nicht im Dünndarm aufgespalten, er gelangt unverdaut in den Dickdarm, wird von den dort beheimateten Bakterien vergärt und führt zu den beschriebenen Folgen. Doch wie entsteht diese Intoleranz?

Es hängt von den Bakterien im Darm ab und damit, was man ihnen zu essen gibt – oder eben nicht gibt. Genau das haben Forschende von der University of California, Davis in einer Studie an Mäusen untersucht, die im Journal "Cell" publiziert wurde. Sie fütterten den Mäusen Antibiotika und kombinierten das mit sehr fettreicher Ernährung. Dadurch verringerte sich die Anzahl der Clostridien, einer bestimmten Art von Darmbakterien, die Sorbit abbauen können, im Darm der Mäuse.

"Es scheint so, dass üblicherweise das Sorbit von den Mikroben im Darm abgebaut wird und wir so vor Blähungen geschützt sind. Wenn diese aber fehlen, kann das zu einer Unverträglichkeit führen", wird der Mikrobiologe und Immunologe Jee-Yon Lee, Erstautor der Studie, in einer Aussendung zitiert.

Mehr Sauerstoff, mehr Gas

Die Forschenden analysierten, welche Darmbakterien Sorbit überhaupt abbauen können. In einem weiteren Schritt untersuchten sie bei den Mäusen, welche Darmbakterien vor der Antibiotikagabe vorhanden waren – und welche danach fehlten. Denn man weiß, auch beim Menschen, dass das Darmmikrobiom nach einer Antibiotikaeinnahme in seiner Vielfalt reduziert sein kann.

Bald waren Mikroben identifiziert, die zur Klasse der Clostridien zählen. Dabei handelt es sich um anaerobe Bakterien, sie leben üblicherweise in einer sauerstofffreien Umgebung. Wenn nun den Mäusen Antibiotika und Nahrungsmittel mit vielen gesättigten Fettsäuren verabreicht wurden, verbrauchten die Zellen in der Darmwand weniger Sauerstoff. Dadurch kam es zu höherer Sauerstoffkonzentration im Darm, die Clostridien wurden weniger – und das Sorbit wurde nicht aufgespalten.

Doch was kann man gegen dieses Problem tun? Auch das untersuchten die Forschenden in mehreren Experimenten mit dem Ziel, das ursprüngliche, Sorbit-abbauende Darmmikrobiom wiederherzustellen. In einem Versuch fütterten sie den Mäusen Caccae, ein Darmbakterium, das Butyrat, also Buttersäure, produziert. Diese kurzkettige Fettsäure entsteht üblicherweise im Zuge einer normalen Fermentation im Darm, und man weiß, dass sie zur Darmgesundheit beiträgt. Sie erhöht unter anderem den Sauerstoffverbrauch der Darmwandzellen und reduziert so den Sauerstoffgehalt im Dickdarm.

Linsen statt Eiweißriegel

Das half, das Milieu so zu verändern, dass wieder ausreichend Clostridien im Dickdarm vorkamen und die Mäuse vor Sorbit-bedingtem Durchfall geschützt waren. "Diese Entdeckung ist sehr wichtig angesichts der Tatsache, wie intensiv Sorbit und ähnliche Zuckeralkohole vor allem in Keto-Produkten mit hohem Fettgehalt eingesetzt werden", betont Studienleiter Lee. "Es zeigt außerdem, wie wichtig der Sauerstoffgehalt für ein gesundes Gleichgewicht im Darm ist."

Eine Einschränkung bei der Interpretation der Erkenntnisse ist, dass Mäuse wesentlich mehr Sorbit vertragen als Menschen. Sie haben eine Art Tasche in ihrem Verdauungssystem, die den Fluss des Nahrungsbreis verlangsamt, um Kohlenhydrate besser verdauen zu können. Das hilft auch beim Sorbit-Abbau.

"Die Studie liefert einen völlig neuen Ansatzpunkt, um Sorbit-Unverträglichkeit zu diagnostizieren und zu behandeln", sagt Studien-Co-Autor Andreas Bäumler, ebenfalls von der UC, Davis. Die Forschenden gehen davon aus, dass möglicherweise der Wirkstoff Mesalazin, der bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen wie Colitis ulcarosa oder Morbus Crohn eingesetzt wird, gegen Sorbit-Intoleranz helfen kann.

Bei leichten Problemen kann man außerdem möglicherweise über die Ernährung gegensteuern. Nahrungsmittel, die hohe Mengen an resistenter Stärke enthalten, helfen nämlich dabei, Buttersäure herzustellen. Dazu gehören zum Beispiel nicht ganz reife Bananen, Kartoffeln, Reis und Pasta, besonders wenn sie gekocht und danach erkaltet sind, Linsen und andere Hülsenfrüchte sowie Haferflocken. Porridge zum Frühstück und Erdäpfel- oder Pasta-Salat zum Mittagessen ist also schon einmal ein guter Ansatz. (Pia Kruckenhauser, 16.2.2024)