Es sind schwere Vorwürfe, die Klimaforscher der Harvard University und des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) vergangenes Jahr gegen den US-Ölkonzern Exxon Mobil erhoben: Das Unternehmen sei sich bereits Ende der 1970er-Jahre der schwerwiegenden Folgen des Treibhausgasausstoßes auf die Erderwärmung bewusst gewesen. Zugleich widersprach der Konzern jenen – für die Zeit sehr genauen – Erkenntnissen in öffentlichen Aussagen und spielte die Folgen des Zusammenhangs über Jahrzehnte hinweg herunter.

Eine Frau steht mit einem Regenschirm, auf dem Slogans geschrieben stehen, auf einer Klimademonstration.
Eine Frau protestiert in den Niederlanden gegen fehlenden Klimaschutz. Oft würden Maßnahmen verschleppt werden, lautet das Fazit einer aktuellen Analyse.
IMAGO/Ramon van Flymen

Der US-Ölriese ist nicht das einzige Unternehmen, das bisher versucht hat, die Folgen der Klimakrise kleinzureden, um das eigene Geschäft zu schützen. In der jüngeren Vergangenheit gebe es eine Verschiebung in der Debatte, heißt es in einer am Freitag erschienenen Analyse des Kontext-Instituts: Statt die Klimakrise per se zu leugnen, würden Maßnahmen nunmehr verschleppt werden. Das mache das Erkennen jener Taktiken noch schwieriger, heißt es in dem Papier. "In der Klimadebatte geht oft wenig voran, die Positionen sind verfahren", sagt Katharina Rogenhofer, Co-Vorständin des Instituts und ehemalige Sprecherin des Klimavolksbegehrens. Das führe dazu, dass sich in berechtigte Sorgen Glaubenssätze und Desinformationen mischen würden. Das Institut benennt in seiner Analyse vier Faktoren, die zu einer Verschleppung von Klimaschutzmaßnahmen führen würden:

Verantwortung umschichten: Mit Aussagen wie "Jede oder jeder soll für sich entscheiden" werde die Verantwortung in Sachen Klimaschutz auf Individuen geschoben, statt sie auf struktureller Ebene anzugehen. "Wenn Klimaschutz auf die individuelle Ebene reduziert wird, lenkt das von Entscheidungen ab, die Verhaltensänderungen erst ermöglichen", heißt es in dem Papier. Auch das Argument "Zuerst müssen die anderen" nutze die Untätigkeit anderer Länder als Argument für das eigene Nichthandeln.

Scheinlösungen vorschlagen: Als weitere Verzögerungstaktik wird das Anbieten vermeintlich sinnvoller Alternativen zur Reduktion von Treibhausgasen genannt: "Die Technik allein wird es richten" sei hier ein beliebtes Argument. Das Anbieten von Technologien, die noch nicht marktreif oder in der breiten Anwendung nicht besonders effizient seien, könne in die Irre führen, betont Rogenhofer. Als Beispiele nennt sie E-Fuels oder grünes Gas. Darüber hinaus würden Konzerne, aber auch Politikerinnen und Politiker bestehende "ambitionierte Ziele" als Vorwand vorschieben, ohne aber entsprechende Maßnahmen zu setzen.

Fokus auf Nachteile: Ein weiteres Argument, um Klimaschutz zu verschleppen, sei laut Analyse der Blick auf das Negative. Aussagen wie "Das zerstört die Wirtschaft" oder "Die Rechnung zahlen die Armen" würden den Fokus auf besonders betroffene Teilbereiche legen, statt Lösungen für genau jene Segmente zu suchen, schreibt das Institut. Dabei liege der Fokus oftmals auf entstehenden Kosten, statt über den Nutzen von Maßnahmen zu sprechen.

Aufforderung zum Aufgeben: Zu guter Letzt sei der Versuch, Pessimismus zu streuen, eine Methode, um notwendige Maßnahmen zu verschleppen. In der Analyse wird das Argument "Es ist zu spät zum Handeln" ins Treffen geführt. Aussagen wie diese würden demnach vom Handeln ablenken und vielmehr lähmen.

Vor allem in den USA würden diese vier Taktiken durch von Unternehmen beauftragte Denkfabriken und PR-Firmen dazu beitragen, Desinformation und Unsicherheit bezüglich notwendiger Maßnahmen gegen die Klimakrise zu streuen, erklärt Rogenhofer. Über Medien und die Politik würden jene Informationen weitergetragen und im Freundes- und Familienkreis verbreitet werden. Umso wichtiger sei es laut der Institutsleiterin, jene Taktiken der fossilen Industrie zu erkennen, die Quellen ihrer Argumente herauszufinden, den wissenschaftlichen Konsens bezüglich klimapolitisch notwendiger Maßnahmen hervorzuheben und nicht zuletzt berechtigte Sorgen zu adressieren. (Nora Laufer, 17.2.2024)