Ein Haus, gebaut aus Euromünzen. Daneben und als Dekoration gibt es Blumen.
Grüner und nachhaltiger soll unser Leben werden – auch beim Veranlagen. Doch Berater rühren das Thema ungern an.
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Nachhaltigkeit wird großgeschrieben. Auch in der Finanzbranche. So groß, dass die EU-Richtlinie Mifid II (Markets in Financial Instruments Directive) und die IDD (Insurance Distribution Directive) dahingehend angepasst wurden. Konkret bedeutet das, dass seit dem 2. August 2022 Finanzdienstleister bei der Beratung die Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kunden gesetzlich verpflichtend abfragen und berücksichtigen müssen. Dadurch sollen Finanzströme auch verstärkt in umweltfreundliche Investments gelenkt werden.

Doch wie sieht das in der Praxis aus? Dieser Frage ist die Arbeiterkammer Wien nachgegangen und hat sich von Sommer bis Herbst 2023 im Zuge eines Mystery-Shoppings von 55 Finanzdienstleistern (Banken, Versicherungen, Vermögensberatung und Versicherungsvermittlung) beraten lassen.

Eher ein Nebenthema

Die Ergebnisse fasst die AK so zusammen: Eine fundierte Beratung zu nachhaltigkeitsorientierten Finanzprodukten fand eher zufällig statt. 60 Prozent der untersuchten Finanzdienstleister führten die gesetzlich vorgeschriebene Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen formal durch. 40 Prozent taten dies nicht. Dafür gab es verschiedene Gründe, wie die AK in ihrem Bericht "Nachhaltigkeitsaspekte in der Anlageberatung" festhält:

Nur eine Minderheit der kontaktierten Berater konnte die Produktvorauswahl gezielt auf Basis der individuellen Nachhaltigkeitswünsche der Kundschaft treffen sowie Vor- und Nachteile verschiedener Nachhaltigkeitsansätze transparent erläutern. Die Mehrzahl der von der AK kontaktierten Berater führte keine Diskussion oder gab Erklärungen über die Gewichtung verschiedener ESG-Kriterien. Stattdessen erfolgten viele Beratungsgespräche, ohne auf Verständnisfragen der Testkäufer einzugehen.

Höheres Risiko

In Summe ergaben sich damit Zweifel an der Qualität der Beratung, auch, "weil eine anfängliche von den Testkäufern angegebene ‚mittlere Risikostufe‘ in den überwiegenden Fällen erhöht wurde – es erfolgte also in der Mehrzahl der Beratungsgespräche eine Höherstufung beim Risikoprofil", kritisiert Christian Prantner, Referent für Bank- und Versicherungsdienstleistungen in der Konsumentenpolitischen Abteilung der Arbeiterkammer Wien.

Als Begründung wurde von den Beratern wiederholt das Argument längerer Anlagehorizonte (mehr als zehn Jahre) sowie eines dadurch erweiterten Produktspektrums angeführt. Diese Heraufsetzung im Risikoprofil entsprach jedoch nicht den vorgegebenen Risikopräferenzen der Testkäufer.

Neun von zehn Beratern führten aktiv Nachhaltigkeit nicht in den Kundengesprächen an. "In der überwiegenden Zahl der Beratungsgespräche erfolgte die Reaktion auf Nachhaltigkeitsaspekte erst auf explizite Nachfrage durch die Testkäufer", sagt Prantner. Jeder fünfte Berater riet explizit von nachhaltigen Fonds ab oder empfahl diese nur zögerlich. Als Hauptargumente für diese Zurückhaltung wurden eine vermeintlich schlechtere Performance aufgrund fehlender Historie sowie begriffliche Unschärfen im aktuellen Nachhaltigkeitsverständnis vorgebracht.

Gezeigt habe sich laut Prantner auch, dass je mehr Geld für die mögliche Veranlagung avisiert wurde, desto eher der Bereich Nachhaltigkeit abgefragt wurde. Aufgefallen sei auch, dass vielen Testkunden ihr Anlageprofil und die Dokumentation zur Nachhaltigkeit nach der Beratung nicht ausgehändigt wurden. Das schreibe Mifid II aber vor, fasst Pranter zusammen. (Bettina Pfluger, 22.2.2024)