Frau am Strand arbeitet am Feierabend weiter
Auch am Strand ist nicht mehr jede entspannt: In Australien verschmelzen so wie überall auf der Welt die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben.
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Viele Menschen kennen dieses Gefühl: Der Arbeitstag ist eigentlich schon zu Ende, man sitzt zu Hause auf der Couch oder beim Abendessen – und dann meldet sich die Chefin oder der ratsuchende Kollege. Sich im Zeitalter der digitalen und damit ständigen Erreichbarkeit vom Job abzugrenzen ist häufig eine schwierige und vor allem individuelle Entscheidung.

Die Regierung in Australien will mit einem Gesetz erreichen, dass außerhalb der Arbeitszeiten mehr Ruhe einkehrt. Der Senat und das Repräsentantenhaus in Canberra haben diesen Februar beschlossen, dass australische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer berufliche Anrufe und Nachrichten künftig ausdrücklich ignorieren dürfen. "Die Welt ist heute vernetzt, aber das ist auch ein Problem", sagte Arbeitsminister Tony Burke von der Labor Party. "Nehmen Sie einen Job, in dem Sie nur für eine bestimmte Stundenzahl bezahlt werden. Wenn Sie aber Schwierigkeiten bekommen, weil Sie nicht immer Ihre E-Mails überprüfen, ist das einfach nicht angemessen."

Geldstrafen möglich

Die sozialdemokratische Alleinregierung unter Premierminister Anthony Albanese hat in ihr Gesetz ein paar Faktoren aufgenommen, bei denen die Kontaktaufnahme seitens des Arbeitgebers weiterhin okay sei. So betont Minister Burke, es sei immer noch in Ordnung, Mitarbeiter in Notfällen und für Schichten zu kontaktieren. Jene Berufstätigen, deren Rufbereitschaft vertraglich geregelt und finanziell abgegolten wird, dürften selbstverständlich weiterhin stets erreichbar sein.

Anthony Albanese, Australiens Premierminister von der Labor Party
Anthony Albanese, Premierminister von der Labor Party, will bei den Australierinnen und Australiern mit Sozialreformen und Klimaschutz punkten.
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Arbeitnehmer, deren ständige Erreichbarkeit eben nicht Teil des Arbeitsvertrags ist, sollen durch das Gesetz Rückenwind bekommen, ihr Recht auf betrieblicher Ebene durchzusetzen oder, falls dies nicht gelingt, sich bei einer Fair Work Commission zu beschweren. Unternehmen, die sich nicht an die Regeln halten, drohen laut dem neuen Gesetz Geldstrafen.

ÖGB fordert Verbesserungen

Auch auf der anderen Seite des Globus, sprich in Österreich, leiden viele Arbeitnehmer unter der Erwartung, stets erreichbar sein zu müssen. Grundsätzlich sei es hier zwar keine Pflichtverletzung und kein Entlassungsgrund, in der Freizeit nicht erreichbar zu sein, sagt ÖGB-Arbeitsrechtsexperte Michael Trinko. Trotzdem bedürfe es "wirksamer Maßnahmen", dass jene Mitarbeiter, die von diesem Recht Gebrauch machen, "auch vor Benachteiligungen im Arbeitsverhältnis effektiv geschützt werden".

Handlungsbedarf sieht man in der Gewerkschaft auf Nachfrage vorerst aber nicht – wie in Australien – auf gesetzlicher, sondern auf betrieblicher Ebene. "Der ÖGB hat im Zuge des Bundeskongresses im vergangenen Juni unter anderem beschlossen, dass das Recht auf Nichterreichbarkeit in der Freizeit durch wirksame Maßnahmen, wie etwa erzwingbare Betriebsvereinbarungen, durchgesetzt und gesichert werden soll", sagt Trinko.

Regelungen für WKÖ ausreichend

Eine gesetzliche Regelung wie in Australien sei aus Sicht der Wirtschaftskammer (WKÖ) nicht notwendig, heißt es dort. Denn: "Australien regelt hier etwas, was im österreichischen Arbeitszeitgesetz bereits ausreichend geregelt ist." Die längere Beantwortung einer E-Mail sei hierzulande zum Beispiel Arbeitszeit.

Das australische Gesetz schütze primär Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer, die keine Möglichkeit hätten, deren Arbeitgeber derartige Arbeitszeiten zu verrechnen, erklärt man in der WKÖ. Außerdem verweist sie auf eine von ihr beauftragte Market-Umfrage aus dem Jahr 2018, wonach nur sieben Prozent in Österreich unzufrieden mit der gängigen Praxis bei Diensthandys seien.

Australiens Konservative warnen

Peter Dutton, Chef der bis zum Jahr 2022 in Australien regierenden Konservativen, warf der Regierung jedenfalls vor, mit ihrem Gesetz die Produktivität des Landes zu gefährden. Premier Albanese konterte: "Was Peter Dutton will, sind niedrigere Löhne, höhere Steuern für kleine und mittlere Einkommen und die Rücknahme aller Reformen, die im Interesse der arbeitenden Menschen sind." Manche Debatten klingen im 15.000 Kilometer entfernten Down Under eben genauso wie in Österreich. (Lukas Kapeller, 23.2.2024)