Nach Ernst-Volker Staub und Burkhard Garweg wird nach wie vor gefahndet.
Nach Ernst-Volker Staub und Burkhard Garweg wird nach wie vor gefahndet.
BKA

Das Ende der RAF wurde auf Papier angekündigt. "Vor fast 28 Jahren, am 14. Mai 1970, entstand in einer Befreiungsaktion die RAF. Heute beenden wir dieses Projekt. Die Stadtguerilla in Form der RAF ist nun Geschichte" – so stand es in einem Schreiben, das am 20. April 1998 in der Kölner Redaktion der Nachrichtenagentur Reuters einging.

Fast 30 Jahre lang hatte sich die einst von Ulrike Meinhof, Gudrun Ensslin und Andreas Baader gegründete linksextreme Terrororganisation durch Deutschland gemordet und gebombt. 34 Menschen starben. Nun, Ende Februar 2024, nach der Verhaftung von Daniela Klette in Berlin, hoffen Ermittler und Ermittlerinnen, Expertinnen und Experten, dass dieses dunkle Kapitel deutscher Geschichte besser aufgeklärt wird.

Video: RAF-Fall Klette: Zweiter Festgenommener kein Terrorist.
AFP

Die 65-Jährige hat 30 Jahre im Untergrund gelebt und war am Montag festgenommen worden. Am Mittwoch sind in ihrer Berliner Wohnung Waffen gefunden worden. Das bestätigte am Abend eine Sprecherin des Landeskriminalamtes Niedersachsen.

Klette zählt zur sogenannten dritten Generation der RAF. Und über diese ist bis heute sehr wenig bekannt. "Die erste Generation beging aus politischen Gründen Anschläge, wollte unter anderem gegen die USA und den Vietnamkrieg protestieren – was ihre Taten nicht weniger kriminell machte", sagt "Welt"-Herausgeber und RAF-Experte Stefan Aust in der "Bild"-Zeitung.

Die zweite Generation, zu der Brigitte Mohnhaupt und Christian Klar gezählt werden, hatte sich vor allem dem Befreiungskampf der ersten Generation verschrieben, als diese Mitte der 1970er-Jahre im Gefängnis Stuttgart-Stammheim saß.

"Ungeklärtes Kapitel"

Doch die dritte Generation ist laut Aust ein "ungeklärtes Kapitel". Neben der nun festgenommenen Klette werden Burkhard Garweg (55) und Ernst-Volker Staub (69) dieser letzten Generation zugerechnet. Diese gilt als besonders brutal. Aust: "Die hatten eine lange Lehrzeit im Untergrund, und ihnen ging es nur darum, den perfekten Mord zu begehen – ohne Spuren."

Die beiden Männer sind immer noch im Untergrund, nach ihnen wird europaweit gefahndet. Klette, Staub und Garweg stehen im Verdacht, nach der Auflösung der RAF ihr Leben im Untergrund zwischen 1999 und 2016 durch Raubüberfälle, vor allem in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, finanziert zu haben.

"Dieses letzte Aufgebot der RAF ermordete zehn Menschen – erst eine einzige Tat ist bislang aufgeklärt. Unbekannt ist bis heute, wer alles mit von der Partie gewesen ist. Die Ermittler wissen nicht einmal, wo die Mörder der dritten Generation über anderthalb Jahrzehnte lebten", sagt der Anwalt und RAF-Experte Butz Peters dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Und er hat eine Hoffnung: "Jetzt besteht die Chance, Licht ins Dunkel der Taten der dritten RAF-Generation zu bringen."

In diesem Wohnhaus in Berlin-Kreuzberg wurde Daniela Klette festgenommen.
In diesem Wohnhaus in Berlin-Kreuzberg wurde Daniela Klette festgenommen.
IMAGO/dts Nachrichtenagentur

Peters vermutet, dass die Inhaftierte ein Angebot erhalten wird: "Die Ermittler werden Klette jetzt die Kronzeugenregelung schmackhaft machen. Dann muss sie sich entscheiden." Zunächst hatte am Dienstag eine weitere Verhaftung für Aufregung gesorgt. Es handelte sich, laut Ermittlern, um einen Mann "im Alterssegment" von Staub und Garweg. Doch der Mann ist wieder auf freiem Fuß, er gehört nicht zum RAF-Dunstkreis. "Niemand sollte sich im Untergrund sicher fühlen", sagt die deutsche Innenministerin Nancy Faeser (SPD).

Klette hat dort offensichtlich recht normal gelebt. Nachbarn in dem Mehrfamilienhaus in der Sebastianstraße, Berlin-Kreuzberg, berichten in deutschen Medien, dass sie sich Claudia nannte, privat Nachhilfe in Mathematik gab und zu Weihnachten Kekse verschenkte.

Diese Harmlosigkeiten stehen im krassen Gegensatz zu den Morden der dritten RAF-Generation in den 1980er-Jahren. Zu den bekanntesten Opfern gehören der ehemalige Vorstandssprecher der Deutschen Bank Alfred Herrhausen und Treuhand-Chef Detlef Rohwedder.

Der damals 59-jährige Herrhausen starb am 30. November 1989 bei einem Anschlag auf seinen Dienstwagen in seinem hessischen Wohnort Bad Homburg. Als sein Chauffeur Jakob Nix den Wagen zu Herrhausens Frankfurter Büro fahren wollte, explodierte ein Sprengsatz, der durch eine Lichtschranke ausgelöst worden war. Herrhausen starb noch am Tatort, sein Chauffeur wurde verletzt.

Schüsse durch das Fenster

Detlef Rohwedder war Chef der Treuhandanstalt, genannt Treuhand. Diese hatte nach dem Zusammenbruch der DDR und der Wiedervereinigung die Aufgabe, die volkseigenen Betriebe (VEB) der DDR zu privatisieren. Rohwedder, damals 61 Jahre alt, wurde am Ostermontag, dem 1. April 1991, durch Gewehrschüsse in seinem Wohnhaus in Düsseldorf getötet. Die Schüsse wurden von außen durch das geschlossene Fenster im ersten Stock abgefeuert.

Sowohl zum Mord an Herrhausen als auch an Rohwedder hat sich die RAF bekannt, die Täter sind bis heute nicht gefasst. Zum letzten Anschlag der RAF kam es im März 1993. Mit mehr als 200 Kilogramm Sprengstoff drangen die Täter in die neue Justizvollzugsanstalt (JVA) Weiterstadt in Hessen ein und zerstörten weite Teile. Ermittler gehen aufgrund von DNA-Spuren davon aus, dass Klette, Staub und Garweg an der Tat beteiligt waren.

In der JVA befanden sich zum Zeitpunkt des Anschlags keine Häftlinge, allerdings Wachpersonal. Dieses wurde gefangen genommen und in einem Lieferwagen weggefahren. Diesen stellten die Täter und Täterinnen dann an einer Deponie ab und flüchteten. (Birgit Baumann aus Berlin, 28.2.2024)