Nach Burkhard Garweg (li.) und Ernst-Volker Staub wird noch gefahndet, Daniela Klette sitzt in Untersuchungshaft.
Nach Burkhard Garweg (links) und Ernst-Volker Staub wird noch gefahndet, Daniela Klette sitzt in Untersuchungshaft.
AFP/STATE OFFICE OF CRIMNIAL INV

Daniela Klette sitzt in Untersuchungshaft. Mehr als 30 Jahre lang, bis zu ihrer Verhaftung in Berlin-Kreuzberg am Montag, war die frühere RAF-Terroristin abgetaucht. Nun erhoffen sich Ermittler des Landeskriminalamts (LKA) Niedersachsen Auskünfte über den Verbleib ihrer beiden Kumpanen Ernst-Volker Staub und Burkhard Garweg.

Video: Als RAF-Terroristin gesuchte Daniela Klette gefasst
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Auch die beiden Männer werden seit Jahren gesucht. Ihnen wird vorgeworfen, mit Klette in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen zwischen 1999 und 2016 eine Serie von Raubüberfällen begangen zu haben, um das Leben im Untergrund zu finanzieren.

Allerdings hat die Polizei einen Verdacht, wo sich die beiden möglicherweise verstecken – ebenfalls in der deutschen Hauptstadt. "Es wird vermutet, dass sich die beiden Gesuchten in Berlin aufhalten könnten", heißt es in einer gemeinsamen Meldung des LKA Niedersachsen und der Staatsanwaltschaft Verden. Daher habe man die Fahndungsmaßnahmen in und um Berlin "intensiviert".

Zunächst hatte es den Hinweis gegeben, dass von Staub und Garweg "Gefährdungspotenzial für die Bevölkerung ausgehen kann". Am Donnerstagabend jedoch betonten das LKA und die Staatsanwaltschaft, "dass für die Stadt Berlin keine konkrete Gefährdungslage besteht". Allerdings hieß es weiter: "Es ist dennoch nicht auszuschließen, dass von den gesuchten mutmaßlichen Räubern Ernst-Volker Staub und Burkhard Garweg eine Gefahr ausgehen kann."

Denn in der Wohnung von Daniela Klette in Berlin-Kreuzberg waren Waffen gefunden worden: Sprengmittel, Munitionsteile in Form einer Panzerfaustgranate, diverse Munition sowie Schusswaffen, darunter eine sogenannte Kalaschnikow, eine Maschinenpistole und eine Kurzwaffe samt Munition. Die Nachbarinnen und Nachbarn Klettes waren während der Durchsuchungen evakuiert worden, sind aber mittlerweile wieder zurück in ihren Wohnungen. Laut dem Berliner "Tagesspiegel" brauchten die Ermittler aber 40 Stunden, um die Waffen zu finden.

Karma holt jeden ein

Klette, Staub und Garweg werden der "dritten Generation" der RAF (Rote Armee Fraktion) zugerechnet. Diese verübte in den Achtziger- und Anfang der Neunzigerjahre zehn Morde, von denen nur einer aufgeklärt wurde. Bei einem Schusswechsel am Bahnhof von Bad Kleinen (Mecklenburg-Vorpommern) im Jahr 1993 erschoss der RAF-Terrorist Wolfgang Grams den Polizisten Michael Newrzella. Ungeklärt ist hingegen, wer 1989 den Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, und 1991 Treuhand-Chef Detlev Rohwedder tötete.

Klette betrieb unter ihrem Tarnnamen Claudia I. auf Facebook eine Seite. Zu sehen sind viele Landschaftsaufnahmen, die rund um Berlin aufgenommen sein könnten. Sie warb häufig für afro-brasilianische Kulturfestivals und machte Werbung für Capoeira-Tanzkurse. Likes vergab sie für die linksalternative "tageszeitung" ("taz"), die Rosa-Luxemburg-Stiftung und die Seite "Karma fickt jeden, auch dich".

Für Aufsehen sorgen die Recherchen des kanadischen Investigativjournalisten Michael Colborne. Er hat im Herbst alte Fotos der heute 65-jährigen Daniela Klette in eine Gesichtserkennungssoftware eingegeben und bekam Treffer einer deutlich älter aussehenden Frau. Sie stammten aus einem Capoeira-Studio und einem deutsch-brasilianischen Kulturverein in Berlin. Im Interview mit der "Zeit" erklärte Colborne, er habe für seine Recherche 30 Minuten gebraucht. Die Software koste zwar Geld, sei aber "für jeden zugänglich und nicht nur ein Tool für Geheimdienste oder Ermittlungsbehörden".

Auf die Frage der "Zeit", ob er auch eine Spur von Garweg und Staub gefunden habe, antwortete der Journalist: "Bei Garweg könnte es sein. Eine Person, die ihm ähnlich sieht, war auf einigen dieser Fotos mit Klette. Aber das waren ältere Fotos, da hatte ich nicht so viel Glück mit der Software. Jetzt, wo Klette in Berlin festgenommen wurde, würde es mich aber nicht wundern, wenn die beiden Männer in der Nähe waren. Vielleicht suche ich noch einmal weiter. Aber ich bin mir sicher, dass das jetzt auch andere in Deutschland tun."

Noch eine Spur

Auch die Macher des ARD-Podcasts "Legion Most Wanted – Wo ist RAF-Terroristin Daniela Klette?" waren der Frau auf der Spur. Sie stießen ebenfalls auf Fotos im Capoeira-Verein, hielten es aber für absurd, dass sich Klette ausgerechnet in Berlin aufhalten sollte, und gaben schließlich auf.

Jörg Schleyer (70), der Sohn des von der RAF 1977 ermordeten ehemaligen deutschen Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer, reagierte erleichtert auf die Festnahme von Klette. Er habe sich über die Verhaftung "sehr gefreut", sagte der Unternehmer der "Bild-Zeitung" . Der Fahndungserfolg beweise, dass "auch heute noch eine realistische Chance zur Aufklärung linksterroristischer Morde besteht. Das ist für mich und für viele Angehörige der 34 RAF-Mordopfer beruhigend zu wissen."

Bei der Trauerfeier für Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer 1977 saß Bundeskanzler Helmut Schmidt bei der Familie.
Bei der Trauerfeier für Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer 1977 saß Bundeskanzler Helmut Schmidt bei der Familie.
imago/Sven Simon

Hanns Martin Schleyer war am 5. September 1977 im sogenannten "Deutschen Herbst" in Köln vom RAF-Kommando "Siegfried Hausner" entführt worden. Dabei starben sein Fahrer und drei Leibwächter. Mit der Entführung wollte die RAF die Freilassung von elf inhaftierten Mitgliedern von der deutschen Bundesregierung unter Führung von Helmut Schmidt (SPD) erpressen.

Doch Schmidt weigerte sich, daraufhin entführte die RAF die Lufthansa-Maschine Landshut nach Mogadischu. Nach der Befreiung der Geiseln durch die deutsche Spezialeinheit GSG9 am 18. Oktober 1977 ermordete die RAF Schleyer. (Birgit Baumann aus Berlin, 1.3.2024)