Nach mehr als 450 Tagen Pause war es am Mittwoch wieder so weit: Eine Auskunftsperson stellte sich im Parlament den Fragen eines U-Ausschusses. Ein bekanntes Prozedere, das zuletzt dennoch viel Aufmerksamkeit bekam, wurde Sebastian Kurz ja der Falschaussage im Ibiza-U-Ausschuss erstinstanzlich schuldiggesprochen. Wie würde er also werden, der erste U-Ausschuss nach der Kurz-Verurteilung, noch dazu im Wahljahr 2024?

Gleich geht's wieder los, freuen (?) sich Jan Krainer (SPÖ) und Nina Tomaselli (Grüne).
APA/ROLAND SCHLAGER

Zumindest für Mittwoch war die Antwort: erstaunlich unaufgeregt. Das könnte auch mit der ersten Auskunftsperson zu tun haben, deren Befragung fast vier Stunden in Anspruch nahm: Wolfgang Peschorn, Chef der Finanzprokuratur. Er ist einer der wenigen verbliebenen Spitzenbeamten, die man nicht so einfach einer Partei zuordnen kann und er hat es geschafft, bislang 18 Jahre an der Spitze der Finanzprokuratur zu bleiben.

Benko droht Steuernachzahlung 

Dabei hat Peschorn genug Gegner: Als Anwalt der Republik legt sich die Finanzprokuratur regelmäßig mit unterschiedlichen Personen und Unternehmen an. Ein Dorn im Auge ist Peschorn auch René Benko, das steht nach seiner Aussage einmal mehr fest. Dessen Signa-Konzern war "gelebte Intransparenz", so Peschorn. Durch Riesenbeträge in den Bilanzen seien Erwartungen geschürt worden, man sei aber nicht vorsichtig gewesen. Nun müsse man neue Regeln einführen und diese auch befolgen. Man müsse aufklären, warum es noch 2023 Testate für Unternehmen gegeben habe, die kurz darauf insolvent wurden. Das sei eine "hygienische Aufgabe".

Die Finanzprokuratur sei in drei Gläubigerausschüssen des gecrashten Immobilien- und Handelskonzerns vertreten, zudem wurde ein Pfandrecht auf Benkos Haus nahe Innsbruck vorgemerkt, das einer Betriebs-GmbH gehört.

Das liege daran, dass Benko der Finanz Steuern schulde, aber gleichzeitig zugesichert habe, eigenes Geld in die insolvente Signa zu schicken, erläuterte Peschorn. Das könnte eine Gläubigerungleichbehandlung konstituieren. Nicht bekannt war Peschorn, dass Benko eine Steuernachzahlung von rund vier Millionen Euro bevorstehen soll, da gehe es um Verlustabschreibungen für einen Privatjet, wie die grüne Abgeordnete Nina Tomaselli offenlegte. Zudem gab sie an, dass Benko laut Unterlagen rund 26 Millionen Jahresgage bei Signa erhalten habe.

Eine Steuerstundung habe Benkos Signa jedenfalls bei der Übernahme von Kika/Leiner erreichen wollen, das sei aber nicht möglich gewesen, sagte Peschorn. Während der Corona-Pandemie habe es dann aber Stundungen in Höhe von 49 Millionen Euro gegeben, die teilweise schon wieder rückgeführt worden seien.

Mangelnde Einbindung bei der Cofag

Da gelangte man auch gleich zum zweiten großen Thema des Tages: der Covid-Finanzierungsagentur Cofag, die dem U-Ausschuss seinen Namen gibt. Sie war rund um den ersten Covid-Lockdown im Frühjahr 2020 gegründet worden; "wilde Tage" seien das laut Peschorn gewesen.

Die Finanzprokuratur sei nicht eingebunden gewesen, wie Peschorn spürbar missmutig angab, da seien "andere Berater" zum Zug gekommen. Er habe sich zwar proaktiv eingebracht, seine Vorschläge etwa eine Befassung des Aufsichtsrats bei hohen Auszahlungen hätten aber keinen Widerhall gefunden.

Bis Ende Juni 2024 soll das Kapitel Cofag aber Geschichte sein, dann begännen erste Rückforderungen. Da werden Finanzprokuratur und Finanzämter aktiv werden, sagte Peschorn. Dann beginne die "Geld-Rückholaktion", wie es im U-Ausschuss hieß.

Um viel Geld ging es auch in der Befragung der zweiten Auskunftsperson, der ehemaligen Finanzbeamtin und Sektionschefin Erika R., die einst auch die Aufsicht über die Großbetriebsprüfung innehatte. Ihre Befragung begann kurz nach 15.15 Uhr mit dem Thema Siegfried Wolf: Dem Unternehmer wird ja vorgeworfen, eine Beamtin bestochen zu haben, damit diese zu seinen Gunsten in seinem Steuerverfahren interveniert. Wolf bestreitet das, und es gilt die Unschuldsvermutung.

Vor dem U-Ausschuss gab R. an, es habe drei Gründe für eine Anzeige gegeben: Das Finanzministerium habe eine Weisung ignoriert, gewusst, dass man Wolf keine "Nachsicht" gewähren wollte, und auch das nicht genehmigen lassen. Nach der Anzeige habe der damalige Finanzminister Eduard Müller – damals in der sogenannten Expertenregierung Bierlein – sie gefragt, ob "alle deppat geworden" seien und sie angeschrien. Das habe R. sehr erschrocken. Müller ist mittlerweile Vorstand der Finanzmarktaufsicht.

Die zuständige Beamtin, die angeblich bestochen worden sei, sei dann auf einen anderen Posten gelangt; die Hintergründe habe R. nicht gekannt, qualifiziert für den Job sei die Frau wohl gewesen. Als sie dann von mutmaßlichen Absprachen zwischen der Frau, Wolf und dem damaligen Generalsekretär Thomas Schmid gehört habe, war ihr klar, so etwas habe sie in 40 Jahren nicht erlebt. Inhaltlich sei sie in das Wolf-Verfahren nicht involviert gewesen, so die Beamtin.

Für Verwunderung unter den Medienschaffenden sorgte vor Beginn ein im Ausschusslokal aufgestellter Paravent. Dieser soll Journalisten und Journalistinnen die Sicht auf die Abgeordnetenplätze versperren – damit diese nicht heimlich Informationen aus deren Unterlagen erspähen. "Das ist noch nicht optimal gelöst, um das freundlich auszudrücken", meinte SPÖ-Fraktionsführer Krainer. Dieser gab sich aber zuversichtlich, dass eine gangbare Lösung gefunden werde. Auch die Vereinigung der Parlamentsredakteure und -redakteurinnen protestierte scharf. (Fabian Schmid, Renate Graber, Sandra Schieder, 6.3.2024)