Ein dunkles Objekt mit einer hellen Nebelwolke.
Eine künstlerische Impression eines Quasars, dessen Aktivität von einem Schwarzen Loch mit zig Milliarden Sonnenmassen befeuert wird. Manche sind so schwer, dass ihre Entstehung ein Rätsel ist.
EPA/ESO/M. Kornmesser / HANDOUT

Jeder muss einmal klein anfangen. Diese Binsenweisheit bereitet Fachleuten der Astrophysik derzeit einiges Kopfzerbrechen. Riesige Schwarze Löcher, die in den Zentren von Galaxien sitzen, sind viele Milliarden Mal massiver als unsere Sonne. Einige Exemplare sind einfach zu schwer, um "klein angefangen" zu haben. Nun hat ein internationales Forschungsteam um Jorryt Matthee vom Institute of Science and Technology Austria (ISTA) eine Entdeckung gemacht, die Licht in die Angelegenheit bringen kann. Davon berichtet eine neue Studie im Fachjournal "The Astrophysical Journal".

"Ein Problem bei Quasaren ist, dass einige von ihnen viel zu massiv zu sein scheinen, vor allem angesichts des Alters des Universums, in dem diese Quasare beobachtet werden. Wir nennen sie die 'problematischen Quasare'", sagt Erstautor Matthee. "Wenn man bedenkt, dass Quasare aus den Explosionen massereicher Sterne entstehen und dass wir ihre maximale Wachstumsrate aus den allgemeinen Gesetzen der Physik kennen, sehen einige von ihnen so aus, als wären sie schneller gewachsen, als es möglich ist. Man muss es sich wie ein fünfjähriges, aber zwei Meter großes Kind vorstellen. Irgendetwas passt also nicht zusammen."

Wärmebildkamera im Weltraum

Forscherinnen und Forscher sind deshalb hoch interessiert an der Entstehungsgeschichte dieser supermassiven Schwarzen Löcher, von denen auch unsere Milchstraße eines besitzt. Glücklicherweise können sie auf das 2021 ins All gestartete James-Webb-Weltraumteleskop zurückgreifen. Es kann aufgrund seiner Fähigkeit, Wärmestrahlung abzubilden, besonders weit in die Vergangenheit des Universums blicken. Der Grund dafür liegt nicht etwa darin, dass in der Frühzeit des Universums nur Wärmestrahlung existierte. Die Objekte von damals strahlten meist mit denselben Frequenzen wie ihre heutigen Verwandten. Allerdings hat sich der Raum seither zunehmend ausgedehnt. Auf seiner Reise durch Zeit und Raum wurde das Licht besonders ferner Himmelskörper also gestreckt, bis es zu langwelligem Infrarotlicht wurde, also der vorhin erwähnten Wärmestrahlung.

Leuchtende Schwarze Löcher

Forschende wie Matthee interessieren sich für eine spezielle Gruppe Schwarzer Löcher, die Quasare. Schwarze Löcher sind eigentlich so dunkel, wie es ihr Name vermuten lässt. Nur wenn sie sich große Mengen Gas und Staub einverleiben, können sie extrem hell strahlen, was sie zu den hellsten Objekten des Universums macht. In diesem Fall nennt man sie Quasare. Ein Teleskop wie Webb ist auf dieses Licht angewiesen, um sie zu entdecken.

Webb hat bereits des Öfteren weit entfernte Quasare untersucht. Von den Objekten, mit denen sich Matthee beschäftigte, war allerdings ursprünglich nicht bekannt, dass es sich um solche handelt. Die Bilder davon nahm Webb bereits in seinem ersten Arbeitsjahr im All auf. Die Forschenden um Matthee sahen sich Daten der Beobachtungsprogramme Eiger und Fresco aus dieser Zeit an. "Eiger wurde entwickelt, um speziell die seltenen blauen supermassereichen Quasare und ihre Umgebungen zu untersuchen. Das Ziel war nicht die kleinen roten Punkte zu finden, aber wir haben sie zufällig im selben Datensatz gefunden", erzählt Matthee. Es handelt sich um ferne Objekte, deren Licht viele Milliarden Jahre brauchte, um uns zu erreichen. Webbs Daten zeigen einen Zeitpunkt, als das Universum etwa eine Milliarde Jahre alt war.

Ein von Webb aufgenommener Himmelsausschnitt mit zahlreichen Galaxien. Ein unscheinbarer Punkt ist vergrößert dargestellt.
Ein riesiger Problemquasar neben einigen kleinen Babyquasaren.
NASA, ESA, CSA, J. Matthee (ISTA), R. Mackenzie (ETH Zurich), D. Kashino (National Observatory of Japan), S. Lilly (ETH Zurich)

Von Rot zu Blau

Als man die Lichtspektren der roten Punkte genauer unter die Lupe nahm, stieß man auf Licht, das beim Erhitzen von Wasserstoffgas entsteht, sogenannte Hα-Linien im Spektrum. Das ist an sich nichts Besonderes, Wasserstoff ist extrem häufig im Universum und der Hauptbestandteil von Sternen. Allerdings gab es einen weiteren wichtigen Hinweis: "Je breiter die Basis der Hα-Linien ist, desto höher ist die Geschwindigkeit des Gases. Diese Spektren verraten uns also, dass wir es mit einer sehr kleinen Gaswolke zu tun haben, die sich extrem schnell bewegt und um etwas sehr Massereiches wie ein supermassereiches Schwarzes Loch kreist", sagt Matthee.

Das genügte zum Nachweis, dass sich das Gas in der Nähe Schwarzer Löcher befinden muss. Über 20 dieser Quasare berichtet das Team in seiner neuen Studie. Die rote Färbung kommt dadurch zustande, dass Staub ihr Leuchten verschleiert. Auch die Masse ließ sich feststellen. Sie ist mit zehn bis hundert Millionen Sonnenmassen deutlich kleiner als die riesigen Problemquasare.

„Während die 'problematischen Quasare' blau und extrem hell sind und die milliardenfache Masse der Sonne erreichen, sind die kleinen roten Punkte eher wie 'Babyquasare'", sagt Matthee. Die Forschenden vermuten, dass die roten Quasare eine Vorstufe zu den blauen Quasaren sind. Irgendwann im Zuge des Wachstums wird der Gasausfluss die Staubbarriere durchbrechen, und aus roten Quasaren werden blaue Quasare. Die Farben Rot und Blau beziehen sich dabei auf die Farbe des Lichts zu dem Zeitpunkt, als es ausgesendet wurde.

Im Vergleich zu den Riesenquasaren des Universums erscheinen die neuen Objekte also winzig, sie sind aber deutlich größer als etwa das Schwarze Loch im Zentrum unserer Milchstraße, sogar um das Zehn- bis Hundertfache. "Der Hauptunterschied besteht jedoch darin, dass das Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße inaktiv ist: Es akkretiert kein Material und wächst im Moment nicht aktiv", betont Matthee. Er nennt Sagittarius A*, wie das Schwarze Loch unserer Milchstraße genannt wird, in diesem Sinn ein "schlafendes Baby" unter den supermassiven Schwarzen Löchern.

Die Frage nach dem Ursprung

Es gibt zwei mögliche Erklärungen für die Entstehung der Problemquasare. Entweder gibt es alternative Wachstumsprozesse, die wir nicht verstehen. Oder aber die Schwarzen Löcher waren kurz nach der Entstehung des Universums schon da. Sie könnten also auf sogenannte primordiale Schwarze Löcher zurückgehen, deren Existenz bisher nur vermutet wird, und so schon zu Beginn sehr groß gewesen sein. Sie wären damit Zeugen der äußersten Frühzeit des Universums.

"Schwarze Löcher aller Art gehören wohl zu den interessantesten Himmelskörpern überhaupt. Es ist schwer zu erklären, warum sie existieren, aber sie sind eben da. Wir hoffen, dass diese Arbeit uns helfen wird, eines der größten Rätsel des Universums zu lösen", gibt sich Matthee zuversichtlich. Weitere Entdeckungen sind zu erwarten, bisher hat das Team nur einen winzigen Bruchteil des Nachthimmels untersucht.(Reinhard Kleindl, 7.3.2024)