Vegetarisches Essen mit Joghurt-Dip in einer Pfanne, die von vier Händen gehalten wird.
Mehr pflanzliche Lebensmittel sind gut für die Umwelt und die eigene Gesundheit. In Österreich isst man aber traditionell viel vom Tier.
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Zum Frühstück ein Buttersemmerl mit weichem Ei, zu Mittag eine Portion Reisfleisch und abends Schwarzbrot mit Verhackert. Dazwischen vielleicht noch ein Apfelstrudel. Das klingt doch nach einem soliden österreichischen Speiseplan.

Aber was hierzulande traditionell auf dem Teller landet, ist nicht automatisch die beste Wahl für Mensch und Umwelt. Wir essen tendenziell zu viel Fleisch und Milchprodukte, dafür zu wenig Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte. Eine andere Ernährungsweise täte nicht nur der Gesundheit gut, man ernährte sich auch ressourcenschonender – und das wäre wiederum gut für den Planeten.

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hat deswegen nun ihre Ernährungsempfehlungen angepasst. Die Menge an Fleisch und Wurst wurde von wöchentlich bis zu 600 Gramm auf maximal 300 Gramm heruntergesetzt. Sie empfiehlt außerdem weniger Milchprodukte, nämlich zwei Portionen täglich statt zuvor drei, dafür mehr Hülsenfrüchte wie Linsen und Bohnen. Das Frühstücksei sollte man nur mehr einmal pro Woche genießen.

Die DGE wird vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft gefördert. Es handelt sich bei den neuen Ernährungsrichtwerten also um offizielle Empfehlungen.

Drei Viertel pflanzlich

Auch in Österreich wird die klassische Ernährungspyramide immer kritischer beäugt. Die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages) empfiehlt derzeit noch drei Milchprodukte täglich, 300 bis 450 Gramm Fleisch pro Woche und drei Eier wöchentlich.

Das finden viele aber nicht mehr zeitgemäß. Die Umweltschutzorganisation WWF etwa hat deshalb vergangenes Jahr im Rahmen einer Studie die "Ernährungspyramide 2.0" vorgestellt. Julia Kreimel, Umweltökonomin an der Wirtschaftsuniversität Wien (WU), war an der Studie beteiligt. "Die Ernährungspyramide 2.0 orientiert sich an den bestehenden Ernährungsempfehlungen, berücksichtigt aber auch den ökologischen Fußabdruck von Lebensmitteln und die Ernährungsgewohnheiten in Österreich", erklärt sie.

Für diese umweltverträglichen Ernährungsempfehlungen hat man sich am Konzept der Planetaren Grenzen orientiert. Dieses beschreibt eine Lebensweise, die die ökologischen Grenzen des Planeten berücksichtigt – immerhin sind Ressourcen wie Boden, Süßwasser und saubere Luft nicht unendlich. Daraus ist die "Planetary Health Diet" entstanden.

Die Planetary Health Diet gibt aber nur Richtwerte an, die für die ganze Welt gelten, sie nimmt keine Rücksicht auf regionale Ernährungsgewohnheiten. Kreimel und ihre Kollegen haben sich daher angesehen, wie eine nachhaltige Ernährungspyramide in Österreich aussehen könnte. Sie verwendeten dafür ein Modell, das auch die Umweltauswirkungen globaler Lieferketten berücksichtigt. So sollten wir in Österreich zum Beispiel weniger Nüsse essen, als es die Planetary Health Diet empfiehlt. "Wir müssten dann nämlich viele Nüsse importieren, die ressourcenintensiv produziert werden. Das schadet insgesamt dem Klima", erklärt Kreimel.

Die wichtigsten Eckpunkte: Etwa drei Viertel der Ernährung sollten aus pflanzlichen Quellen stammen. Die Ernährungspyramide 2.0 empfiehlt eine größere Menge Getreide und mehr pflanzliche Öle als die offizielle Ernährungspyramide. Der Kaffeekonsum soll hingegen heruntergeschraubt werden, weil für den Kaffeeanbau in tropischen Regionen viel Wald gerodet wird.

Für Fleisch gibt es keine Mindest-, sondern Maximalangaben: Weißes Fleisch sollte es nur ein- bis zweimal wöchentlich, rotes Fleisch sogar nur alle ein bis zwei Wochen geben. Den Eiweißbedarf deckt man stattdessen zu einem großen Teil mit Hülsenfrüchten – und einmal die Woche mit Fisch oder Eiern.

Grafik der Ernährungspyramide 2.0 mit einem Fokus auf pflanzliche Lebensmittel
Die Ernährungspyramide 2.0 setzt verstärkt auf Lebensmittel wie Hülsenfrüchte und Getreide. Diese neuen Ernährungsempfehlungen sollen die globalen Ressourcen schonen.
Zully Rosadio Cayllahua

Langes Leben, gesunder Planet

Auf den ersten Blick ist diese neue Ernährungspyramide ein rigoroses Verzichtprogramm. Doch das liegt eher im Auge des Betrachters, tatsächlich sind die empfohlenen Mengenangaben sehr gesund. "Es gibt keine gesundheitlichen Gründe, warum man mehr tierische Produkte essen sollte“, sagt Michaela Knieli. Sie ist Ernährungswissenschafterin bei der Organisation "Die Umweltberatung" und begrüßt den Schritt der DGE und die Ernährungspyramide 2.0 gleichermaßen. Denn sie weiß schon seit über 25 Jahren: "Umweltschutz und Gesundheit gehen Hand in Hand. Mehr von der Pflanze und weniger vom Tier lässt uns länger und gesund leben."

Das ist auch wissenschaftlich belegt. In einer Langzeitstudie mit über 100.000 Personen untersuchten Forschende an der Harvard-Universität den Zusammenhang einer umweltbewussten Ernährung mit diversen Krankheitsrisiken. Die Erkenntnis: Eine höhere Übereinstimmung mit der Planetary Health Diet korreliert mit einem um 25 Prozent geringeren Sterblichkeitsrisiko und 50 Prozent weniger Atemwegserkrankungen.

Das bestätigen auch die Erkenntnisse aus den sogenannten "Blauen Zonen". Das sind Regionen in der Welt, in denen die Menschen überdurchschnittlich lange und dabei gesund leben. "Diese Menschen haben bestimmte Gemeinsamkeiten im Lebensstil. Sie bewegen sich viel und bis ins hohe Alter, pflegen soziale Kontakte und sind viel in der Natur. Vor allem aber ernähren sie sich vorwiegend vegetarisch und kochen frisch", weiß Knieli.

Fleisch kommt in diesen Regionen in der Regel nur sehr selten auf den Tisch, Fisch manchmal, Gemüse und Obst hingegen sehr häufig. Kommt einmal Fleisch auf den Teller, stammt es sehr häufig von den eigenen Nutztieren, die zur Selbstversorgung gehalten werden – also alles andere als Massentierhaltung.

Könnte man dagegen halten, dass in diesen wärmeren Regionen mehr saisonales Gemüse zur Verfügung steht. "Aber auch wir haben viel Auswahl, im Winter zum Beispiel viel verschiedenes Kohl- und Wurzelgemüse", sagt Ernährungswissenschafterin Knieli.

Landwirtschaft 2.0

Die Blauen Zonen zeigen aber auch, dass ein gesundes Leben stark mit lokalen Traditionen zusammenhängt. Die Menschen ernähren sich pflanzenbasiert, weil sie es so gelernt haben. Dass die Menschen dort mit ihrer Lebensweise auch die planetaren Ressourcen nicht ausreizen, geschieht eher nebenbei. Aber würde eine Veränderung der Essgewohnheiten analog zu den Blauen Zonen reichen, um den Planeten nicht zu überfordern? "Nein. Wir haben in der Studie gezeigt, dass der Konsum zwar ein großer Hebel ist, aber dass wir mit Veränderungen des Konsums allein nicht innerhalb der planetaren Grenzen bleiben", sagt Umweltökonomin Kreimel.

Auch die Produktion muss sich verändern. "Reduzieren wir zum Beispiel den Konsum tierischer Produkte, werden dadurch Flächen frei, die für den Anbau von Hülsenfrüchten genutzt werden können", erklärt Kreimel. Die Annahme der Ernährungspyramide 2.0 ist daher, dass der Mehrbedarf an Hülsenfrüchten auf diesen frei gewordenen Flächen in Österreich produziert wird.

Maria Fanninger, Gründerin des Vereins "Land schafft Leben", sieht das kritisch: "Rund die Hälfte der landwirtschaftlichen Flächen in Österreich sind Grünland, die zu großen Teilen gar nicht in Ackerland umgebrochen werden können." Oft sei die Milch- und Fleischproduktion die einzige Möglichkeit, diese Flächen effizient für die Lebensmittelproduktion zu nutzen – dank Wiederkäuern wie Rindern oder Schafen, die das Gras für uns veredeln.

Doch auch für Fanninger ist klar: Der derzeitige Fleischkonsum ist zu hoch. "Es geht darum, weniger, dafür hochwertiges Fleisch aus möglichst nachhaltigen Produktionssystemen zu essen. Das ist sowohl für das Klima als auch für unsere Gesundheit gut", sagt sie. Die Produktion tierischer und pflanzlicher Nahrungsquellen steht aber nicht in Konkurrenz zueinander, vielmehr müssen sie ineinandergreifen. "So können die Ressourcen, die uns in Österreich zur Verfügung stehen, optimal genutzt werden."

In Österreich funktioniere das schon ganz gut. "In der Rindfleischproduktion wird beispielsweise Futter für die Tiere oft im eigenen Betrieb angebaut, statt es zu importieren", erklärt Fanninger. Und auch an der pflanzlichen Front tut sich etwas: "Soja zum Beispiel gab es vor einigen Jahrzehnten in Österreich kaum, mittlerweile werden durchaus nennenswerte Mengen für den menschlichen Verzehr angebaut."

Das gelingt auch dank des Klimawandels – denn die Sojabohne braucht warme Temperaturen. Diese machen umgekehrt aber manchen Getreidesorten zu schaffen. Getreide spielt in einer pflanzenbasierten Ernährung aber eine wichtige Rolle. "Sorten zu finden, die an unsere zukünftigen klimatischen Bedingungen angepasst sind und genügend Ertrag bringen, wird mit Sicherheit eine Herausforderung sein", sagt Fanninger. Die Ernährungspyramide 2.0 braucht also auch eine Landwirtschaft 2.0.

Ernährungspyramide im Bau

Offiziell wird eine stärker pflanzenbasierte Ernährung in Österreich noch nicht empfohlen. Auch die Ernährungspyramide 2.0 ist derzeit nur im WWF-Papier abgebildet. Die Österreichische Gesellschaft für Ernährung (ÖGE) arbeitet aber im Auftrag der Ages bereits an neuen Ernährungsempfehlungen. Diese sollen noch dieses Jahr veröffentlicht werden. Ob und inwieweit Umweltfaktoren berücksichtigt werden, bleibt abzuwarten.

Empfehlungen allein reichen aber nicht. Es muss an vielen Stellen geschraubt werden, damit die Ernährungspyramide Realität wird. "Ernährung ist ein Querschnittsthema. Es braucht Maßnahmen in den Bereichen Gesundheit, Landwirtschaft und Bildung", sagt Umweltökonomin Kreimel. Sie fordert auch strengere Regeln bei der Herkunftsbezeichnung, insbesondere in der Gastronomie.

Auch Konsumentinnen und Konsumenten wollen mehr Transparenz bei Herkunft und Produktion der Lebensmittel. Und sie machen sich immer mehr Gedanken über umweltbewusste Ernährung. In einer repräsentativen WWF-Umfrage aus dem Jahr 2021 waren sich 57 Prozent der Befragten bewusst, dass unsere Ernährung negative Auswirkungen auf die Umwelt hat. "Es mangelt aber an Wissen über Alternativen, um die eigene Ernährung zu verändern", weiß Kreimel. In der Umfrage gaben 45 Prozent der Befragten an, dass sie nicht wüssten, welche Lebensmittel den Planeten schonen würden.

Das neue "traditionell"

Die Planetary Health Diet ist da ein guter Anhaltspunkt für jeden, der sich sowohl gesund als auch umweltbewusst ernähren will. "Sie holt die Menschen dort ab, wo sie sind. Nicht jeder möchte sich völlig vegan ernähren, und das ist in Ordnung", sagt Ernährungswissenschafterin Knieli. Und ergänzt: "Der Anteil tierischer Produkte ist in der Planetary Health Diet aber schon sehr gering, das schaffe auch ich selbst nicht immer."

Für sie sei aber ohnehin der Weg das Ziel. "Ich experimentiere mit neuen Rezepten und frage mich bei jeder Mahlzeit, ob ich noch etwas durch ein pflanzliches Produkt ersetzen könnte." Dabei muss man dem Körper aber auch etwas Zeit geben: Gerade an große Mengen an Hülsenfrüchten mit ihren Ballaststoffen ist der Verdauungstrakt oft nicht gewohnt. "Ballaststoffe binden viel Wasser. Es ist daher wichtig, viel zu trinken, sonst kann es zu Verstopfung kommen", sagt Knieli.

Ganz wichtig ist dabei Abwechslung. Es sollte nie nur eine Lebensmittelgruppe auf dem Teller landen. Damit garantiert man bei eiweißhaltigen Lebensmitteln auch, dass man ein möglichst vollständiges Aminosäuren-Profil, das sind die Bestandteile des Eiweißes, zu sich nimmt. "Linsen und Knödel haben zum Beispiel ein hervorragendes Aminosäuren-Profil. Und sie schmecken auch ohne Speck", sagt Knieli. Die traditionelle Küche ist also nicht ganz verloren. (Andrea Gutschi, 11.3.2024)