Dass man als traditionelles Wirtshaus in Zugzwang kommt, wenn ringsherum diverse Mitnehmkonzepte florieren, überrascht wenig. Beginnend mit Ostern will das Traditionsgasthaus Zur Mitzitant in der Seidengasse im siebenten Wiener Gemeindebezirk deshalb nun im Bowl-Geschäft mitmischen. Neo-Geschäftsführer Marco Schnall versucht es mit anfänglich vier verschiedenen Bowls. Fleischfans wählen aus Schnitzel, Tafelspitz und Zwiebelrostbraten, Vegetarier und Vegetarierinnen müssen sich mit Käsespätzle zufriedengeben. Veganer und Veganerinnen bekommen zwar im Wirtshaus was, sind bei den Bowls aber zum Fasten verdammt.

Bowl Wirtshaus Mitzitant Schnitzel Tafelspitz
Der Tafelspitz wird mit Gemüse und Semmelkren angerichtet, zum Schnitzel gibt's ganz klassisch Erdäpfel-Vogerl-Salat.
Nina Schrott

Das Lokal selbst besteht seit rund 100 Jahren und war ursprünglich ein Branntweiner. Im Haus an der Ecke zur Kaiserstraße kamen vor allem Straßenarbeiter, die in der Nähe ihre Schichtwechsel vollzogen, zusammen, um nach Feierabend noch auf ein oder mehrere Gläschen zu bleiben. Später wurde es von einer "Frau Maria", wie sie Schnall nennt, übernommen, die auch für den Namen "Mitzitant" verantwortlich ist. Heute isst man in einer holzgetäfelten Stube gutbürgerliche Küche.

Im Laufschritt

Warum Wirtshauskost bisher eher nicht zu den To-go-Verkaufsschlagern gehört, ist vielleicht damit zu erklären, dass die Qualität der Speisen rasant abnimmt, wenn sie in einem geschlossenen Behältnis vor sich hin dampfen. Beim Tafelspitz und der für Herbst angekündigten Beuschl-Bowl ist das nicht dramatisch. Bei Komponenten, die Anspruch auf Knusprigkeit erheben, wie beim sehr durchschnittlichen Schnitzel oder den Röstzwiebeln, wird es schon brenzliger. Auch das Backhendl auf Salat, das Mitzitant früher oder später anbieten will, saugt sich von unten voll und wird schnell letschert. Da gibt's also nur eins: Bowl eingepackt und im Laufschritt ans Platzl zum Mittagessen. Zu Beginn soll es die Gerichte zum Abholen geben, an einige Firmen in der Umgebung wird auch geliefert. Für die Zukunft steht die Zusammenarbeit mit dem Lieferdienst Foodora im Raum.

Backhendl Bowl Mitzitant Wirtshaus
Steirisch und frisch: Die Frage ist nur, wie lange das Hendl auf dem Salat knusprig bleibt.
Nina Schrott

Sollte man die fleischlastigen Bowls ganz leger auf den Knien abgestellt essen wollen, gibt's eine weitere Schwierigkeit: Zwar spricht man von "mundgerechten Stücken", die ganz einfach mit einer Gabel zu essen sein sollen. Beim STANDARD-Testessen war das Fleisch – Schnitzel, Rostbraten, Hendlbrust, Tafelspitz – im Stil einer Tagliata in großzügige Streifen geschnitten. Welchem Mund diese Stücke also gerecht werden sollen, fragen wir uns immer noch. Long story short: Eine Gabel hat nicht gereicht, wir mussten mehrmals mit dem Messer anrücken. Bleibt zu hoffen, dass Mitzitant bei der Bissgröße noch nachbessert.

Geschmacklich hat vor allem der Tafelspitz überzeugt, der mit sensationellem Semmelkren und einer guten Portion Gemüse daherkommt. Dass der Erdäpfelsalat zu Schnitzel und Backhendl selbstgemacht ist, merkt man. Die Herkunft der Erdäpfel aus dem Weinviertel schmeckt man freilich nicht raus, dennoch ist nett, dass angeblich auf Regionalität geschaut wird. Das Fleisch beziehe man, so Geschäftsführer Schnall, von einer kleinen Metzgerei in Wien, das Grünzeug komme – soweit möglich – aus der Gegend. Der Neuigkeitswert des Ganzen hält sich in Grenzen, so ist eine Schüssel wahrscheinlich die einzige Form, Spätzle oder Erdäpfelsalat vernünftig zu transportieren. Hip klingen tut es allemal. Preislich liegen alle Bowls bei 14,90 Euro und scheinen damit eine Mischkalkulation aus teils im Gasthaus günstigeren Gerichten, wie dem Backhendlsalat oder den Käsespätzle, und teureren, wie dem Zwiebelrostbraten oder dem Tafelspitz, zu sein. Die Portionen sind kleiner als vor Ort, machen aber durchaus satt. (Nina Schrott, 13.3.2024)