Die Voyager-Sonde mit Spiegel und Antennen. Links ein heller Punkt, der die ferne Sonne darstellt.
Eine künstlerische Darstellung von Voyager 1, die vom Rand des Sonnensystems Daten zur Erde sendet.
imago/UPI Photo

Die Hoffnung auf ein Happy End schwand zuletzt. Voyager 1, neben seiner Schwester Voyager 2 das von der Erde am weitesten entfernte von Menschen gemachte Objekt, schien nach fast einem halben Jahrhundert im All endgültig seinen Geist aufzugeben. Ende 2023 begann die Sonde, die bisher verlässlich Messwerte und technische Daten zur Erde gefunkt hatte, plötzlich Unsinn zu senden. Alle Versuche, die Kommunikation mit dem museumsreifen Computersystem wiederherzustellen, scheiterten. Das Ende schien gekommen.

Doch nun gibt es eine neue Entwicklung. Am 3. März registrierte das Voyager-Team eine Passage im Code, die sich vom Rest der unsinnigen Folge aus Nullen und Einsen unterschied. Es handelte sich immer noch nicht um das übliche Datenformat, doch offensichtlich reagierte die Sonde nicht mehr völlig chaotisch.

Neues Signal

Das Team versuchte also, den neuen Teil des Datenstroms zu entschlüsseln. Der gesendete Code wird von einem der Bordcomputer generiert, dem "Flight Data Subsystem", kurz FDS. Es ist dafür verantwortlich, die wissenschaftlichen und technischen Daten von Voyager in ein sendetaugliches Datenformat zu verpacken. Dort wird auch der Fehler vermutet. Ein Mitarbeiter des Deep Space Network der US-Weltraumagentur Nasa, das die Radioantennen betreibt, über die die gesamte Kommunikation mit Voyager läuft, schaffte es nach drei Tagen Arbeit tatsächlich, das neue Signal zu entschlüsseln. Davon berichtet der Nasa-Blog "The Sun Spot".

Es enthält überraschenderweise eine Kopie des gesamten Speicherinhalts des FDS. Darin finden sich neben dem Betriebssystem auch eine Reihe von Variablen mit Informationen über Voyager oder Befehlen von der Erde. Diese Informationen sind für das Bodenteam äußerst nützlich, lässt sich doch nun der aktuelle Zustand des FDS mit jenem vor dem Auftreten des Fehlers vergleichen und dieser so möglicherweise eingrenzen.

Im Jahr 1990 nahm Voyager 1 dieses berühmte Bild auf, das die Erde als kleinen Punkt zeigt. Der "Pale Blue Dot" ist eines der letzten Bilder, die Voyager anfertigte, bevor die Kamera abgeschaltet wurde.
NASA/JPL-Caltech

Reaktion auf "Poke"-Befehl

Die neue Entwicklung ist kein Zufall. Am 1. März sandte das Team einen Befehl an Voyager, der auf Englisch "Poke" genannt wird und einem vorsichtigen "Anstupsen" entspricht. Dabei wird das FDS instruiert, nach und nach unterschiedliche Teile seines eigentlichen Programms zu ignorieren. Sinn dieser Maßnahme war die Hoffnung, dass ein Auslassen fehlerhafter Codes Voyager wieder zu Sinnen kommen lassen würde. Zwei Tage später war es tatsächlich so weit. Nun widmet sich das Team der Analyse des FDS-Speichers.

Die Verzögerung geht nicht auf eine etwaige Aufwachphase von Voyager zurück, sondern ergibt sich rein aus der Entfernung der Sonde. Sie ist derzeit etwa 24 Milliarden Kilometer von der Erde entfernt, das ist mehr als die 160-fache Distanz zwischen Erde und Sonne. Licht oder Radiosignale brauchen fast 24 Stunden, um Voyager zu erreichen. Jede Reaktion von Voyager auf einen Befehl des Bodenteams erreicht die irdischen Radioteleskope also erst mit zwei Tagen Verzögerung.

VOYAGER 1 - Launch (1977/09/05)
Retro Space HD

Langzeitmission

Wie groß die Hoffnung auf eine erneute Inbetriebnahme ist, lässt sich also noch schwer beurteilen. Das Team betont, die Analyse der Daten werde Zeit brauchen. Ein Ende der Mission würde den Erfolg von Voyager 1 nicht schmälern. Ihre Hauptmission endete bereits vor fast 25 Jahren. Schon in den 80er-Jahren versagte ein Instrument zur Messung der Temperatur des Plasmas im Weltraum. Nur dank verschiedener Tricks und sorgfältigem Ressourcenmanagement war es überhaupt gelungen, die Sonde so lange am Leben zu erhalten. Dabei half auch die einfache Bauweise der Komponenten. Die Bordcomputer besitzen beide nur einen Speicherplatz von 69,63 Kilobyte, kaum genug für eine JPEG-Datei.

Auch die Energieversorgung ist für einen langen Atem ausgelegt. Aufgrund der enormen Entfernung zur Sonne sind Solarzellen, wie sie bei anderen Sonden zum Einsatz kommen, bei derart weit reisenden Raumfahrzeugen keine Option. Die Voyager-Sonden verwenden Radionuklidbatterien, die nach wie vor Elektrizität liefern. Das radioaktive Element Plutonium-238 erzeugt beim Zerfall Wärme, die in elektrische Energie umgewandelt wird.

Auf diese Weise konnten die beiden Voyager-Sonden im Herbst ihrer Karriere noch einen beispiellosen wissenschaftlichen Erfolg verbuchen: Sie lieferten erste Daten vom Rand des Sonnensystems. Letzteres geht nicht fließend in den interstellaren Raum über, es gibt eine Grenze, an der der Sonnenwind seinen Einfluss verliert und das Plasma des interstellaren Raums überhandnimmt. Der Bereich wird Heliopause genannt. Voyager 1 und 2 lieferten erstmals Daten von dieser Übergangszone.

Botschaft an unbekannt

Auch die Energie der Plutoniumbatterie wird bald zur Neige gehen. Selbst wenn es gelingt, den Computersystemen von Voyager 1 noch einmal Leben einzuhauchen, wird in weniger als fünf Jahren die Energie aus der Batterie nicht mehr ausreichen, um die wissenschaftliche Arbeit fortzusetzen. Die erstaunliche Sonde wird dann endgültig abgeschaltet.

Eine Funktion wird ihr dann noch bleiben: Sie wird den "Golden Record" weiter in den interstellaren Raum hinaustragen, eine Weltraum-Flaschenpost, die Informationen über die Menschen enthält, die sie gebaut haben. (Reinhard Kleindl, 15.3.2024)