Wenn Politiker Bücher schreiben, fällt das Ergebnis üblicherweise nicht gerade schlagzeilenträchtig aus. Eine Idee, die Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger in ihrem soeben erschienenen Buch "Wendepunkt" ausführt, sorgt allerdings für wilde Reaktionen in sozialen Medien – wie auch durchaus heftige Gegenwehr bei politischen Mitbewerbern.

Es brauche ein "Chancenkonto" für alle 18-Jährigen im Land, schreibt Meinl-Reisinger. Dotieren könnte man es mit je 25.000 Euro. Dieses Geldgeschenk für die Teenager müsste aber "zweckgewidmet" sein: "Dieses Geld könnte nur für bestimmte Zwecke abgerufen werden. Etwa für Bildung und Ausbildung, einschließlich Kosten für Bildung im Ausland oder Unterstützung bei einer Lehre, für Unternehmensgründungen als Startkapital oder aber als Eigenmittel für den Erwerb einer Wohnung."

Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger
Grunderbe? Ein neuer Vorschlag von Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger sorgt für rege Debatten.
APA/HELMUT FOHRINGER

Der Widerstand gegen ein solches Grunderbe, wie es auch genannt wird, fällt stark aus. Vom "fröhlichen Steuergeldverteilen" auf Kosten der Leistungsträger spricht etwa die ÖVP Wien. Der Publizist und Chef des marktliberalen Thinktanks Agenda Austria, Franz Schellhorn, warnt auf Twitter davor, dass der "Leistungsanreiz" verlorengehe und Österreich überdies ohnehin zu den "großzügigsten Sozialstaaten der Welt" zähle. Der FPÖ-nahe Berater Heimo Lepuschitz wettert ebenfalls auf Twitter gegen "Helikoptergeld".

"Fröhliches Steuergeldverteilen"

Dabei ist die Idee im Kern durchaus liberal, insofern passt sie auch ins Weltbild Meinl-Reisingers: Mit den 25.000 Euro soll, wenn man so will, Chancengleichheit für alle Jungen hergestellt werden. Die geplante Zweckwidmung soll dafür sorgen, dass das Geld nicht in teuren Handys oder Urlaubsreisen versandet. Man soll also investieren – entweder in die eigene Ausbildung oder, als klassisches Finanzinvestment, etwa in eine Immobilie. Es soll als Startkapital dienen, mit dem sich Leute etwas aufbauen können. Das ist zumindest die Idee dahinter.

Insofern verwundert es nicht, dass der Vorschlag auch im wirtschaftsliberalen Spektrum durchaus seine Befürworter findet. Der konservative ehemalige britische Bildungsminister David Willetts etwa, einst Berater der britischen Premierministerin Margaret Thatcher, plädiert regelmäßig für ein "Bürgererbe" von 10.000 britischen Pfund, wie er es nennt. Es soll an alle 30-Jährigen ausgehändigt werden. Warum? Ohne eine solche Maßnahme entstehe eine Gesellschaft aus "wenigen Erben und demgegenüber einer wachsenden Zahl von Leuten, die sich niemals ein Eigenheim leisten können und bis ins Alter mieten müssen", erklärt Willetts im britischen "Guardian". Die Anhänger der Idee finden sich aber auch auf der anderen Seite des politischen Spektrums, beispielsweise in der deutschen Partei Die Linke.

Mittel gegen Ungleichheit

Aber ist das Grunderbe wirklich ein Mittel gegen Ungleichheit? Aktuelle Studien aus Deutschland zeigen, welche Effekte ein Grunderbe auf die ungleiche Verteilung von Vermögen hätte. Laut dem Forum New Economy, einem Konsortium progressiver Ökonomen, besitzt die ärmere Hälfte der deutschen Bevölkerung nur 1,4 Prozent des gesamten Vermögens. Ohne Maßnahmen würde dieser Wert in den nächsten zehn Jahren auf 0,5 Prozent sinken. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat vergangenes Jahr berechnet, welche Effekte unterschiedliche politische Vorschläge auf die Vermögensverteilung hätten.

Eine Steuer in der Höhe von zehn Prozent auf Erbschaften ab einer halben Millionen Euro würde die Ungleichheit demnach nicht verändern. Selbst eine Erhöhung des Steuersatzes auf 30 Prozent hätte kaum Auswirkungen. Grund dafür ist, dass insgesamt nur wenige Menschen erben. Ein Grunderbe von 10.000 Euro würde zumindest dazu führen, dass sich die aktuelle Ungleichheit nicht verschärft. Bei 20.000 Euro würde sich dagegen eine Veränderung zeigen. Der Anteil der ärmeren Hälfte der Bevölkerung am Gesamtvermögen würde laut der Studie von 1,4 Prozent auf 2,7 Prozent steigen. Erhöht man das Grunderbe auf 60.000 Euro, steigt der Anteil auf fünf Prozent.

Zwei Milliarden Euro

Laufende Ausschüttungen oder eine Erhöhung der Sozialleistungen fließen meistens in den Konsum. Bei einem Grunderbe wäre das anders – vorausgesetzt allerdings, es wird sinnvoll angelegt und in Ausbildung investiert. Den Staat würde das Projekt freilich einiges an Geld kosten: Pro Jahr werden in Österreich derzeit rund 90.000 Menschen volljährig. Bei einem Grunderbe von 25.000 Euro wäre das ein jährlicher Aufwand von rund 2,25 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Im Jahr 2024 plant Österreich Militärausgaben von rund vier Milliarden Euro.

Beate Meinl-Reisinger jedenfalls formuliert in ihrem Buch eine konkrete Idee, wie sich das Grunderbe finanzieren ließe. "Die Anhebung des Pensionsantrittsalters nur um ein Jahr brächte Einsparungen und damit Mittel im Ausmaß von rund 2,8 Milliarden Euro", schreibt sie – und ebendieses Geld sollte zur Finanzierung des sogenannten Chancenkontos herangezogen werden. Und noch etwas schwebt der Neos-Chefin vor: "Denkbar" sei auch, dass sich das Grunderbe für jene jungen Menschen verringert, die ohnehin Vermögen von ihren Familien erben. Immerhin sollen reiche Erben dank des Grunderbes nicht noch reicher werden. (Joseph Gepp, Jakob Pflügl, 15.3.2024)