Kelch, Kirche, Hostie
Neben dem Brot stellt der Wein das Heiligste der Eucharistiefeier dar
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Während der Messe schaut man als Erwachsener dem Pfarrer durchaus neidisch zu, wenn er nach einer langen Predigt seinen goldenen Kelch hervorholt und daraus trinkt. So ein Schluckerl Wein, das wär’s jetzt. Für die Gläubigen und Messteilnehmer bleibt nur die trockene Oblate übrig, die wie Zement am Gaumen picken bleibt. Gerade deswegen bedarf es Flüssiges, um sie runterschlucken zu können. Aber was trinkt der Pfarrer da eigentlich genau? Von den billigen Plätzen des Plebs aus erkennt man nicht wirklich, was da vorn auf dem hochheiligen Altar geschlürft wird.

Kirchliches Reinheitsgebot

Dompfarrer Toni Faber klärt auf: "Beim Messwein handelt es sich um unverfälschte Weine." Unverfälscht bedeutet eine natürliche Reinheit, der Wein muss also naturbelassen und unverdorben sein. Zusatzstoffe sind nicht gestattet. Das besagt das kirchliche Reinheitsgebot, nach dem der Messwein vinifiziert wird. Klassischem Wein darf zum Beispiel Zucker zugesetzt werden, um einen höheren Alkoholgehalt zu erreichen, oder Zitronensäure, falls der Säuregehalt zu niedrig ausfällt. Das Messweingebot ist unter anderem im ­Codex des Kanonischen Rechtes der katholischen Kirche sowie in der Instruktion Redemptionis Sacramentum festgehalten. Dort steht auch geschrieben, dass bei der Messfeier ein wenig Wasser beigemischt werden muss. Das hat weniger damit zu tun, dass der Pfarrer nicht allzu viel Wein über den Tag hinweg konsumiert; die Mischkulanz symbolisiert die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus.

Dabei ist die Annahme, vom Messwein rauschig zu werden, gar nicht so abwegig. Ganze sieben Gottesdienste finden täglich im Stephansdom statt. 365 Flaschen benötigt man im Dom im Jahr. Circa. Denn als Weinliebhaber probiert sich Faber gerne durch das Messweinangebot. Ihm sei nur wichtig, keinen "Billigsdorfer Wein" zu trinken. Ansonsten sei erlaubt, was schmecke, so der Dompfarrer. Im Stephansdom wird Weißwein als Messwein verwendet. Das erlaubte Papst Sixtus IV. erst Mitte des 15. Jahrhunderts für die katholische Kirche. Der Grund ist ein praktischer wie trivialer: Weißwein macht weniger Flecken als Rotwein. In orthodoxen Kirchen wird weiterhin roter Wein verwendet, weil er optisch dem Blut Christi näher kommt.

Reinen Wein einschenken

Heute vinifizieren nur mehr wenige heimische Weinproduzenten Messwein. Das Stift Göttwein im Kremstal ist einer davon. Bereits seit 1083 wird hier Weinbau betrieben. Zweierlei Messweine produziert man: Rosé sowie Grüner Veltliner, der als beliebteste Messweinsorte überhaupt gilt. Verkauft wird dieser an verschiedene Pfarren und gastronomische Betriebe. Messweine sind auch ganz normal im Handel erhältlich. Im Stephansdom setzt man auf Wein aus der Hauptstadt. Das Wien-Wein-Kollektiv rund um die Weingüter Mayer am Pfarrplatz und Wieninger beschenkt den Dom mit einer jährlichen Lieferung Wein.

Aber warum gelten derart strenge Regeln für den Messwein, wenn der Pfarrer sowieso nur einen kleinen Schluck und dann sogar noch verwässert trinkt? Das liegt an der Transsubstantiationslehre. Der Zungenbrecher bezeichnet die tatsächliche Verwandlung von Brot und Wein in den Leib und das Blut Jesu Christi während der heiligen Messe. Was nach Kannibalismus klingt, ist eine theologische Besonderheit der katholischen Kirche. Andere glauben nicht daran, sich die Körper­teile und -flüssigkeiten des Gottessohns einzuverleiben.

Aber wenn man schon das Blut Jesu Christi trinkt, dann ordent­liches, oder? Umso wichtiger sind eben die Reinheit und Richtigkeit des Messweins. Sonst kommt es zu einem Fall wie in den USA. In Kansas City verwendete man nämlich jahrelang falschen Wein bei den Eucharistiefeiern. Ihm wurden Zucker und Holundersaft zugesetzt. Der dortige Bischof bat den Vatikan um Aufklärung, ob nun alle abgehaltenen Messen ihre Gültigkeit verlören. Die Antwort des Heiligen Stuhls steht noch aus. Weinverfälschungen kommen nicht nur heute vor. Sie waren damals noch viel zahlreicher. Dem sollten die strengen Messweinvorgaben entgegenwirken. Das Reinheitsgebot der Kirche hat nicht nur einen theologischen, sondern auch einen irdischen Hintergrund. (RONDO Exklusiv, Kevin Recher, 30.3.2024)

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