Wer liebt es nicht, mit dem Löffel in einen Teller voll frisch selbstgemachter Käsespätzle zu tauchen? Eine Suppe zu löffeln, die von Grund auf in der eigenen Küche entstanden ist, und dazu gibt's frische Frittaten? Oder in einen Burger zu beißen, bei dem sogar das Brot selbstgemacht wurde? All diese Träumereien erfüllen sogenannte Tradwives, die in ausgesprochener Form "traditional wives" (zu Deutsch "traditionelle Ehefrauen") heißen, ihren Ehemännern, wenn diese nach einem langen Arbeitstag nach Hause kommen. Eh nett, könnte man meinen. Dabei gibt's ein Problem: Gern selbst zu kochen, auch aufwendig, ist kein Zugeständnis an überholte Geschlechterrollen. Tradwives dürfen die Freude am Kochen nicht für sich beanspruchen.

Gern aufwendig zu kochen ist kein gesellschaftspolitisches Statement. Vielleicht darf es ja einfach Spaß machen.
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Tradwives wie Alexia Delarosa oder Estee Williams propagieren auf ihren Social-Media-Kanälen ein Leben, das sich nach konservativen Wertvorstellungen richtet. Sie bleiben zu Hause, während ihr Partner arbeitet. Unbezahlte Sorgearbeit wird zelebriert, regelrecht romantisiert. Ihr Vollzeitjob ist Ehe und Familie. Sie backen, kochen, putzen und gebären fleißig, kümmern sich scheinbar mühelos um ihre Kinder und sind dabei immer perfekt gestylt – für ihren Ehemann, versteht sich.

Seinen Ursprung hat das Phänomen in den USA, Verfechterinnen findet man aber auch im deutschsprachigen Raum und in umliegenden Ländern. Nara Smith, die ihren Hausfrauencontent von Kalifornien aus teilt, hat beispielsweise deutsch-südafrikanische Wurzeln. Auf ihrem Instagram-Account konnte man über die letzten Jahre verfolgen, wie sich die mittlerweile 23-Jährige und baldige Dreifachmutter von ihrem Modeldasein ins Häusliche zurückzog.

Rezepttipps mit Haken

Meist beschränken sich die geposteten Inhalte aber nicht auf die Entscheidung, sein Leben nach konservativer Maxime zu gestalten. Rezeptvorschläge treffen auf Gartenbauprojekte, Erziehungsratschläge auf Backtipps. So sprechen die Tradwives ein weitaus breiteres Publikum an. Nicht selten werden auf diesem Wege ideologisch gefährliche Inhalte eingestreut wie Schokodrops in einen Kekserlteig: Zwischen Brotbacken und Putzen ist dann die Rede von der Zerstörung der westlichen Werte oder dem Untergang der traditionellen Familie, herbeigeführt durch Feminismus und die Gleichstellung der Geschlechter. Die selbsternannte "christliche Tradwife" Madison Dastrup behauptet in einem ihrer Beiträge beispielsweise, "schwache Männer" seien übergriffig und boshaft. "Starke Männer" hingegen würden ihre Familie lieben und beschützen. Im nächsten Post geht es dann – mir nichts, dir nichts – wieder um Zimtschnecken.

Erzählt ihren Followern nebenbei, dass Frauen keinen College-Abschluss brauchen: Estee Williams.

Auch wenn sich nicht alle Vertreterinnen des Trends in Weltanschauungsfragen so weit aus dem Fenster lehnen, bleibt Kritik an ihrem Lebensstil nicht aus. Hauptanklagepunkt: Dem Feminismus würden sie durch ihre Lebensgestaltung und ihre Aussagen schaden. Dabei profitieren sie in Wahrheit von ihm. Dank Feminismus können sie jederzeit einen anderen Lebensentwurf aufgreifen, Erwerbsarbeit aufnehmen und ein eigenes Gehalt empfangen, wie Beate Hausbichler für den STANDARD analysierte.

Kochen gehört allen

Gern zeigen Tradwives, ob gemäßigter eingestellt oder auch nicht, wie sie Backwerk und aufwendige Gerichte "from scratch" machen. Das heißt: Fertigprodukte oder vorgefertigte Komponenten sind tabu. Das Kind will Cini Minis? Die Mutter rührt den Teig an, gibt ihn aufs Blech, streut Zimt und Zucker darauf, bäckt sie selbst. Donuts zum Frühstück? Gibt es. Mami steht früh auf, weil der Germteig erst noch gehen muss. Pflichtprogramm scheinen außerdem selbstgemachter Mozzarella, frische Marshmallows und über Stunden ziehen gelassene Suppen oder Eintöpfe zu sein. Brot aus dem Supermarkt ist verpönt, schließlich hat man selbst einen Backofen. Und: viel Zeit.

Selbstgemachte Cerealien? Ein Must-do für Tradwives.

Dass es sowohl finanziell als auch ernährungstechnisch Sinn macht, möglichst viel selbst zu kochen und zu wissen, was in seinen Mahlzeiten drin ist, scheint allgemeiner Konsens zu sein. Was also ist das Problem an den Kochkünsten der Wahlhausfrauen? Die Koch- und Backinhalte passieren derart beiläufig neben der konservativen, oft antifeministischen Agenda, dass die Grenzen verschwimmen.

Selbstgemachte Zimtschnecken haben per se nichts mit der Angst vor der Zerstörung der Kernfamilie zu tun, ein Schweinsbraten an sich nichts mit dem Huldigen des Patriarchats. Außer natürlich, wenn es in diesen Kontext gesetzt wird. Wenn Tradwives kochen, weil sie darin als Frau ihre gottgegebene Aufgabe sehen. Und das auch noch sagen. Oder wenn suggeriert wird, Frauen seien erst komplett, wenn sie Mütter sind, die in der Früh ganz nebenbei vierfarbige Fruit Loops zaubern.

Mit genug Zeit kann sogar der Mozzarella in der heimischen Küche entstehen.

Dabei hat das Kochen damit nichts zu tun. Kochen gehört allen. Kochen ist Hobby, Leidenschaft, Notwendigkeit, vielleicht ein Zeichen von Zuneigung. Sich mit Freude mehrere Stunden an den Herd zu stellen hat kein Geschlecht, unterdrückt nicht, sondern führt hoffentlich zu einem köstlichen Ergebnis, das allen am Tisch schmeckt. (Nina Schrott, 4.4.2024)