Einen so schönen, feuerroten und außergewöhnlichen Arbeitsplatz, wie ihn Jan Gerdes 30 Jahre lang hatte, können nicht viele Deutsche aufsuchen. Aber ein bisschen anstrengend war es manchmal auch, vor allem in der ersten Zeit.

Denn Gerdes musste ja täglich die 161 Stufen im Leuchtturm der ostfriesischen Nordsee-Insel Wangerooge hoch- und auch wieder hinuntersteigen. "Man darf unten nicht zu schnell losgehen, dann gewöhnt man sich dran", sagt er.

Der alte Leuchtturm auf der ostfriesischen Insel Wangerooge.
Ein sehr begehrter Arbeitsort: der alte Leuchtturm auf der ostfriesischen Insel Wangerooge.
IMAGO/osnapix

Nun ist er in Pension – und in der Inselverwaltung ziemlich viel los. Denn das östlichste Eiland der Inselkette vor Niedersachsens Küste braucht einen neuen Leuchtturmwärter oder eine neue Leuchtturmwärterin.

Anzeige im Internet veröffentlicht, kein Problem – das dachte man sich bei der Inselverwaltung. Aber was dann kam, übertraf alle Erwartungen. 1.100 Bewerbungen langten ein – fast so viele, wie es auf der Insel Einwohnerinnen und Einwohner gibt. Das nämlich sind 1.200.

Zeichnungen vom Turm

Die breite Masse tat ihr Interesse online kund, aber rund 200 Männer und Frauen schickten zum Teil kreative Bewerbungen auf Papier. "Manche haben uns Leuchttürme gemalt oder gebastelt, mit einem solchen Ansturm hatte niemand von uns gerechnet, das haben wir nicht kommen sehen", sagt Rieka Beween, die Allgemeine Vertretung des Bürgermeisters auf Wangerooge, die auch Kurdirektorin ist.

Sie und ihr Team haben alle Zuschriften tagelang durchgeackert. Und fanden nicht nur Schreiben aus ganz Deutschland. Eines kam sogar aus Afrika. "Es waren schon ein paar nicht ganz ernst gemeinte Bewerbungen dabei, der Großteil aber zeigt wirkliches Interesse", so Beween.

Dieses erklärt sich durchaus mit einer gewissen Portion Schönmalerei: "Ich glaube, der eine oder andere verbindet mit dem Job im Leuchtturm die Vorstellung von Freiheit." Große nautische Kenntnisse sind allerdings nicht gefragt. Denn der alte, 39 Meter hohe Leuchtturm von Wangerooge ist seit 1969 nicht mehr in Betrieb. Das Wahrzeichen der Insel wird aber touristisch genutzt. Gäste wollen auf die Plattform, das Heimatmuseum besuchen, manche heiraten auch im Leuchtturm.

"Wir suchen eigentlich eine Mischung aus Handwerker, Hausmeister und Gästebetreuer", meint Beween. In der Stellenanzeige wird auch darauf hingewiesen, dass man "körperliche Fitness" mitbringen möge, zudem "Schwindelfreiheit" und dass man "keine Klaustrophobie" haben sollte.

Romantische Vorstellung

Nach dem großen Aussieben blieben 40 Bewerberinnen und Bewerber übrig. Mit diesen führt Kurdirektorin Beween jetzt persönliche Gespräche. Da wird sie noch den einen oder anderen Tipp für jene vom Festland geben: "Es sollte den Leuten schon klar sein, dass man sich hier auf der Insel bescheiden können muss. Viele, die das Inselleben nicht kennen, unterschätzen das. Bei uns kann man nicht abends einfach mal spontan ins Theater gehen."

Nach Wangerooge nimmt man die Fähre, dann geht es per Inselbahn mit 20 km/h ins Inseldorf. Autos gibt es keine, dafür aber Sandstrände, Dünen, Vögel und Seehundbänke.

Für den bisherigen Leuchtturmwärter Jan Gerdes war das kein Problem, er ist auf der Insel aufgewachsen. "Wahnsinnig" nennt er die vielen Bewerbungen. Und er glaubt, den Job würden sich viele "romantisch" vorstellen, weil die "ganze Gesellschaft ja immer hektischer wird".

Ihm selbst hat das selbstständige Arbeiten gefallen, er ließ sich auch einiges einfallen für die Touristinnen und Touristen. So konnte, wer Fragen zum Leuchtturm beantwortete, ein "Leuchtturm-Diplom" erwerben. Als Gerdes sich 1990 für den Job bewarb, war das mit den Bewerbungen noch ganz anders als jetzt. Es gab damals genau zwei Interessenten. (Birgit Baumann aus Berlin, 3.4.2024)