Pluto
Ist Pluto ein Planet oder nicht? Über diese Frage stimmte eine Fachvertretung 2006 bereits ab. Protest gibt es noch immer.
Applied Physics Laboratory/Southwest Research Institute/JPL

"Mein Vater erklärt mir jeden Sonntag unsere neun Planeten" – so lautete lange Zeit der Merkspruch für die Abfolge der Planeten unseres Sonnensystems, von innen nach außen, von Merkur bis Pluto. Weil Pluto auf seiner exzentrischen Umlaufbahn der Sonne manchmal näher ist als Nachbar Neptun, wie es etwa von 1979 bis 1999 der Fall war, ließ sich der Satz ändern, indem der Vater "unsere Planeten neu" erklären muss. Doch ein massiverer Wandel ereignete sich 2006: Damals wurde Pluto von der Internationalen Astronomischen Union (IAU) sein Planetenstatus aberkannt. Seitdem ist er offiziell ein Zwergplanet.

Dies hinderte offensichtlich die politischen Vertreterinnen und Vertreter des US-Bundesstaats Arizona nicht daran, Pluto zum "Staatsplaneten" zu machen. Damit reiht er sich ein in die Symbole des Bundesstaats, zu denen etwa die Staatsfarben Blau und Gold, die weiße Blüte des Saguaro-Kaktus und das Staatsgetränk Limonade zählen. Als Aprilscherz geht die Entscheidung nicht durch: Schon am 29. März unterzeichnete Gouverneurin Katie Hobbs den Beschluss.

Wie der "Arizona Daily Star" berichtet, wich die Repräsentantin der Demokratischen Partei der Frage aus, ob es sich bei Pluto um einen Planeten handle. Sie sei "stolz auf die Pionierarbeit Arizonas bei der Erforschung des Weltraums". Als Pluto 1930 vom autodidaktischen Astronomen Clyde Tombaugh am Lowell-Observatorium in Arizona erspäht wurde, war er der einzige Planet, der in den USA entdeckt worden war.

Hinter dem Vorschlag für die Ernennung Plutos zum "Staatsplaneten" steht der republikanische Abgeordnete Justin Wilmeth. Der "Geschichtenerd" (Selbstbezeichnung) war von einem Besuch des Observatoriums in Flagstaff im Februar derart beeindruckt, dass er Pluto zum offiziellen Planeten seines Bundesstaats machen wollte. So, wie man bei Kakteen an Arizona denkt, solle man auch bei Pluto an diesen Staat denken, sagte Kevin Schindler, Historiker der Lowell-Sternwarte. Damit werde die wissenschaftliche Verbindung zwischen Arizona und der Entdeckung Plutos geehrt.

Zwei Teleskopfotos vom Sternenhimmel aus dem Jahr 1930
Anhand dieser Fotos wurde die Existenz eines Himmelskörpers nachgewiesen, der bald darauf "Pluto" genannt wurde.
Lowell Observatory Archives

Die Definition eines Planeten

Tatsächlich wird mitunter selbst in Fachkreisen noch über Plutos Planetenstatus diskutiert. Seit der Entdeckung dieses Objekts, das kleiner ist als der Erdmond, wurden etwa weitere Himmelskörper gefunden, die mittlerweile zu den fünf Zwergplaneten des Sonnensystems zählen. Neben Pluto und der noch früher entdeckten Ceres sind das Eris, Haumea und Makemake. Sie erfüllen nicht die drei Kriterien, die die IAU festgelegt hat. Bei ihrem "Krisentreffen" zur Planetenfrage, das 2006 in Prag stattfand und wohl auch durch die Kritik des US-amerikanischen Astrophysikers und Wissenschaftskommunikators Neil deGrasse Tyson initiiert wurde, beschloss die Astronomieorganisation: Ein Planet in unserem Sonnensystem muss

Mit letzterem Punkt wurde Pluto ausgeschlossen, der sich gemeinsam mit anderen Zwergplaneten und zahllosen weiteren Himmelskörpern im Kuipergürtel befindet. So sorgte die IAU auch dafür, dass etliche weitere Objekte nicht auch in die Planetenreihe aufgenommen werden müssten – etwa die benachbarte Eris, die eine größere Masse als Pluto hat. Statt mehr als hundert Planeten im Sonnensystem blieb es so bei überschaubaren acht.

Seitdem hagelt es immer wieder Kritik. Der Senat des US-Bundesstaats Illinois hat 2009 sogar beschlossen, Pluto trotz des IAU-Beschlusses weiter als Planeten anzusehen. Wieder hat dies mit einem gewissen Lokalpatriotismus zu tun: Clyde Tombaugh, der Entdecker des Pluto, wurde in Streator, Illinois, geboren.

Doch der Einspruch kommt auch von Wissenschafterinnen und Wissenschaftern, von denen sich einige an einer entsprechenden Initiative beteiligen. Alan Stern ist leitender Forscher der Nasa-Sonde New Horizons, die 2015 als erste Raumsonde Pluto besuchte. Er mag als besonders großer Pluto-Fan voreingenommen sein, kritisierte aber nicht unberechtigt, dass bei dem IAU-Treffen nur ein kleiner Prozentsatz der astronomischen Fachcommunity über die Klassifizierung abstimmte. Zudem sind auch in der Umlaufbahn der Erde und anderer Planeten tausende Objekte zu finden – allerdings mit einer zusammengerechnet viel kleineren Masse als etwa bei Pluto.

Ein Herz für Pluto

Wie so oft kann man sich über Definitionen, die selten alle Fälle abdecken und alle Menschen zufriedenstellen, fabelhaft aufregen. Eine traditionalistische Argumentation lieferte vor fünf Jahren der damalige Nasa-Leiter Jim Bridenstine, als er Pluto bei einem Besuch der University of Colorado in Boulder kurzerhand wieder zum Planeten erklärte: "So habe ich es gelernt, und dabei bleibe ich."

Aufnahme des Zwergplaneten Pluto
Ein Echtfarbenbild des Pluto, das die New-Horizons-Sonde der Nasa bei ihrem Besuch des Ex-Planeten aufgenommen hat. Deutlich zu erkennen ist ein herzförmiger Bereich.
NASA/Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory/Southwest Research Institute/JPL

Für Traditionalistinnen und Nostalgiker bleibt der Ex-Planet zumindest der "Planet der Herzen". Das passt sogar zu seiner Optik, wie die Sonde New Horizons beim Vorbeiflug sichtbar machte. Zu Ehren des Pluto-Entdeckers trägt dieses Gebiet den Namen Tombaugh Regio. Den linken Teil des "Herzens" bildet einer der größten Gletscher des Sonnensystems: Er besteht großteils aus langsam fließendem gefrorenem Stickstoff.

New Horizons lieferte auch Hinweise auf Eisvulkane auf dem durchschnittlich minus 220 Grad Celsius kalten Pluto, der mindestens 247 Jahre braucht, um die Sonne einmal zu umrunden. Die Vulkane spucken wohl ebenfalls gefrorenen Stickstoff.

Oberfläche Pluto
Die Rillen und Berge, die sich auf der Oberfläche des Pluto befinden, geben Anlass zu Spekulationen über tektonische Vorgänge auf dem Zwergplaneten.
NASA/Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory/Southwest Research Institute/JPL

Dass der Pluto vor allem rot-bräunlich aussieht, dürfte an sogenannten Tholinen liegen. Sie können entstehen, wenn das spärliche Sonnenlicht, das bei dem Zwergplaneten landet, mit Stickstoff und Methan reagiert. Von seiner Oberfläche aus betrachtet könnte der Himmel aber ähnlich wie auf der Erde blau aussehen – wegen dieser kleinen Tholine, die blaues Licht streuen. Das ist eine von vielen neuen Hypothesen, die sich dank der bahnbrechenden Weltraummission zum Pluto aufstellen ließen. Daneben hatte die New-Horizons-Sonde übrigens auch ein wenig Asche des 1997 verstorbenen Entdeckers an Bord.

Merkspruch für Pedantinnen

Dass Pluto nun offizieller Symbolplanet von Arizona ist, blieb freilich nicht ohne Widerspruch. Eine der fünf Senatorinnen und Senatoren des Bundesstaats, die gegen diesen Vorschlag stimmten, ist Sally Ann Gonzales. Wissenschaftlich gelte Pluto nicht mehr als Planet, kritisiert die Demokratin. Dabei sollten Gesetzgeber ihrer Ansicht nach immer wissenschaftliche Informationen berücksichtigen – "etwas, das wir als Legislative und Gremium manchmal verabsäumen".

Ideengeber Wilmeth ist anderer Ansicht. Während viele glauben würden, dass Pluto jetzt ein Zwergplanet sei, "betrachten ihn andere in der astronomischen Gemeinschaft immer noch als einen Planeten". Er habe damit die wichtigen Errungenschaften Arizonas für Weltraum und Astronomie feiern wollen. Ob Zwergplanet oder Planet, sei nur für manche Menschen von Bedeutung, "die pingelig oder pedantisch sind". Für Pedanten und Besserwisserinnen lautet der Merksatz für die Planeten jedenfalls nun: "Mein Vater erklärt mir jeden Sonntag unseren Nachthimmel." (Julia Sica, 7.4.2024)