In seinem Büro in Hannover hat Gerhard Schröder nicht nur ein Porträt von sich selbst hängen, sondern auch eines seiner Nachfolgerin Angela Merkel.
In seinem Büro in Hannover hat Gerhard Schröder nicht nur ein Porträt von sich selbst hängen, sondern auch eines seiner Nachfolgerin Angela Merkel.
IMAGO/Rainer Droese

Fast wäre dieser eine Satz eine Eilmeldung wert: "Das war wieder der übliche Fehler, den ich gelegentlich mache", sagt Gerhard Schröder leicht ärgerlich. Der deutsche Altkanzler räumt ein, nicht richtig gehandelt zu haben? Meint er etwa sein Verhältnis zu Russland und dessen Präsidenten Wladimir Putin?

Aber nein. In der 60-minütigen Dokumentation, die die ARD am Montag, den 8. April, um 21 Uhr, zeigt, gibt der Jubilar, der von 1998 bis 2005 deutscher Kanzler war, nur einen Fehler zu: auf dem Golfplatz. Falsch abgeschlagen hat er. Ansonsten aber: alles paletti.

Am 7. April wird Gerhard Fritz Kurt Schröder 80 Jahre alt. Seine fünfte Frau, Soyeon Schröder-Kim, richtet ihm eine große Party in Berlin aus – und man kann davon ausgehen: Aktive SPD-Granden werden dort nicht in Massen auftreten. Das Verhältnis zwischen dem Jubilar und der Parteispitze ist zerrüttet.

2005 legten Gerhard Schröder und Wladimir Putin in Kaliningrad am Grab des Philosophen Immanuel Kant Rosen nieder. Sie waren damals schon eng befreundet.
2005 legten Gerhard Schröder und Wladimir Putin in Kaliningrad am Grab des Philosophen Immanuel Kant Rosen nieder. Sie waren damals schon eng befreundet.
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Die ARD immerhin schenkt Schröder die Doku "Außer Dienst? Die Gerhard Schröder-Story". NDR-Reporter Lucas Stratmann hat Schröder monatelang begleitet und durfte "alles fragen". Das tut er auch weitgehend. Immer wieder natürlich kommt die Rede auf Russland und Putin und auch auf Schröders Arbeit für russische Staatskonzerne (Rosneft, Nord Stream 2), die ihm in der "Bild"-Zeitung den Namen "Gazprom-Gerd" und die Verachtung vieler Genossinnen und Genossen eingebracht hat.

Schröder will nicht moralisieren

Ob er Putin mal gefragt habe, warum er den Ukrainekrieg überhaupt angefangen habe, will Stratmann einmal wissen. Daraufhin passiert ihm, was in den vergangenen Monaten auch so manche oder mancher in Berlin mit ähnlichen Fragen erlebt hat: Er wird abgebügelt. "Hören Sie", knurrt Schröder, "wir machen doch kein Märchen." Es gehe darum, einen Konflikt zu beenden. "Das nutzt doch überhaupt nicht, wenn man da anfängt zu moralisieren."

Schröder bereut nichts, das ist nach den 60 Minuten klar. Man merkt das auch, wenn man ihm in der deutschen Hauptstadt begegnet. Fit ist er, rhetorisch so gut drauf wie eh und je. Das lässt er Stratmann in der Doku spüren. Der stottert manchmal fast wie ein Schulbub – aber es ist nicht peinlich. Denn angesichts der Schröder'schen Selbstherrlichkeit hat es schon vielen die Sprache verschlagen.

Als Kanzler war er auch nicht immer zur Diskussion bereit. "Basta", hieß es, wenn Schröder deutlich machen wollte, dass es jetzt so gemacht wird, wie er es für richtig hält. Dem kleinen Grünen Koalitionspartner beschied er mal, es sei wohl klar, wer in der Koalition "Koch" und wer nur "Kellner" sei.

Der damalige Bundespräsident Roman Herzog  ernannte 1998 in Anwesenheit von Bundeskanzler Gerhard Schröder (Mitte, SPD) Joschka Fischer (Grüne) zum Außenminister.
Der damalige Bundespräsident Roman Herzog ernannte 1998 in Anwesenheit von Bundeskanzler Gerhard Schröder (Mitte, SPD) Joschka Fischer (Grüne) zum Außenminister.
imago images / Sven Simon

Nach wie vor noch ist der Altkanzler Sozialdemokrat, ein Ausschlussverfahren scheiterte ja. Auch so mancher Weggefährte sitzt immer noch an Schröders Tisch, etwa als er 2023 für seine 60-jährige Mitgliedschaft in der SPD geehrt wird: Ex-Parteichef Sigmar Gabriel, Exinnenminister Otto Schily. Es ist die alte Garde.

Ob er sich nicht manchmal isoliert fühlt, wird Schröder in der Doku gefragt. Seine Antwort: "Überhaupt nicht." Denn die aktuelle SPD-Führung (die Chefs Saskia Esken und Lars Klingbeil sowie Generalsekretär Kevin Kühnert), das seien doch bloß "armselige Gestalten", Kühnert gar ein "armseliger Wicht". Es sind Sätze, die für sich sprechen. Auch wenn Schröder erklärt, in Russland habe sich einiges verbessert. Denn: "Es gibt freie Wahlen, das kann man nicht bestreiten."

Ein Freund Chinas

In China wird Schröder nicht wie ein Staatsmann a. D. empfangen, sondern wie einer, der immer noch im Amt ist. Der ihm verliehene Ehrentitel "alter Freund des chinesischen Volkes" gefällt Schröder. Warum er auch sonst sehr zufrieden ist, erklärt er so: "Ich brauche für mein Lebenswerk nicht die Zustimmung der heutigen SPD-Führung."

Am 27. Oktober 1998 applaudierte Schröder dem scheidenden Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) anlässlich dessen Amtsübergabe im Kanzleramt in Bonn.
Am 27. Oktober 1998 applaudierte Schröder dem scheidenden Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) anlässlich dessen Amtsübergabe im Kanzleramt in Bonn.
imago/Jürgen Eis

Nur kurz streift der Film Schröders frühere Stationen, deren es ja viele gibt: Er war von 1978 bis 1980 Juso-Chef, damals stand noch Willy Brandt an der Spitze der SPD, Kanzler war der Sozialdemokrat Helmut Schmidt. Ministerpräsident in Niedersachsen (1990 bis 1998) war eine der wichtigen Stationen, damals bildete Schröder gemeinsam mit Oskar Lafontaine und Rudolf Scharping die SPD-Troika. 1998 schließlich zog Schröder als dritter Sozialdemokrat nach Brandt und Schmidt ins Kanzleramt ein, von 1999 bis 2004 war er auch noch SPD-Chef.

Unter Schröder und seiner rot-grünen Bundesregierung (mit Vizekanzler Joschka Fischer) wurden in Deutschland der Atomausstieg und die Gleichberechtigung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften eingeleitet. Lange Zeit wurde der Kanzler, der aus einfachen Verhältnissen stammte, für seine Weigerung, deutsche Soldaten am Irakkrieg zu beteiligen, in der SPD gefeiert. Dies ist in der Doku auch zu sehen. Umso unverständlicher und unerklärlicher wirkt Schröders Verhältnis zu Putin.

Seine fünfte Ehefrau Soyeon Schröder-Kim begleitet Schröder meist. Sie war auch bei der umstrittenen Reise des deutschen Altkanzlers in Moskau dabei. Er war im März 2022, kurz nach Russlands Überfall auf die Ukraine, dorthin gereist, ohne die deutsche Regierung zu informieren.
Seine fünfte Ehefrau Soyeon Schröder-Kim begleitet Schröder meist. Sie war auch bei der umstrittenen Reise des deutschen Altkanzlers in Moskau dabei. Er war im März 2022, kurz nach Russlands Überfall auf die Ukraine, dorthin gereist, ohne die deutsche Regierung zu informieren.
IMAGO/Rainer Droese

Unvergessen werden auch immer Schröders Reformen ("Hartz IV") sein, die tiefe Einschnitte ins deutsche Sozialsystem brachten und zu unüberwindbaren Gräben in der Sozialdemokratie führten. Ein Teil der Partei spaltete sich ab und ging mit Schröders früherem Weggefährten Oskar Lafontaine den Weg zur Linkspartei. Mit Lafontaine sprach Schröder übrigens jahrelang kein Wort. Erst vor kurzem, anlässlich des bevorstehenden Achtzigers, haben sie sich ausgesöhnt.

1994, als die SPD noch in Opposition war, bildeten sie die
1994, als die SPD noch in Opposition war, bildeten sie die "Troika": Gerhard Schröder war Ministerpräsident von Niedersachsen, Oskar Lafontaine Regierungschef im Saarland, Rudolf Scharping SPD-Chef.
Imago / Sepp Spiegl

Ob es dazu auch noch mit der aktuellen Parteiführung kommt, darf bezweifelt werden. Der "armselige Wicht" Kühnert hat jedenfalls schon den TV-Sendern RTL und n-tv erklärt, er werde Schröder am Sonntag nicht gratulieren. Und "der Gerd", da ist man sich in der SPD einig, der wird sich sowieso nicht mehr ändern. (Birgit Baumann, 7.4.2024)