Hans Tuppy
Der ehemalige Wissenschaftsminister Hans Tuppy ist im Alter von 99 Jahren gestorben. Dieses Archivbild wurde 2014 aufgenommen.
Foto: Der Standard/Heribert Corn

Der österreichische Biochemiker und ehemalige Wissenschaftsminister Hans Tuppy ist im Alter von 99 Jahren verstorben. Laut Parte ist er bereits am 24. April gestorben. "Wir trauern um einen hervorragenden Wissenschafter, Wissenschaftspolitiker und eine große Persönlichkeit", teilten die Unversität Wien und die MedUni Wien am Dienstag mit. Tuppy prägte die österreichische Hochschulpolitik über mehrere Jahrzehnte maßgeblich mit und setzte sich erfolgreich für die Weiterentwicklung des Forschungsstandorts Österreich ein.

Es gibt keine wissenschaftliche und forschungspolitische Leitungsfunktion, die Hans Tuppy nicht bekleidet hätte. Und dieses lange Leben ganz im Dienste der Wissenschaft hat in den vergangenen Jahrzehnten mehr zur positiven Entwicklung der Forschung in Österreich beigetragen als das jedes anderen Wissenschafters.

"Immer etwas Neues"

"Immer etwas Neues, aber immer Wissenschaft", das war ein Lebensmotto Tuppys, und so kam es, dass der international renommierte Biochemiker nicht nur ordentlicher Professor war, sondern auch Dekan und Rektor der Universität Wien sowie Präsident sowohl des Forschungsfonds FWF wie auch der Akademie der Wissenschaften. Und als bis heute einziger Naturwissenschafter nach 1945 war Hans Tuppy auch österreichischer Wissenschaftsminister.

Am 22. Juli 1924 in Wien geboren, wuchs Tuppy in einer gutbürgerlichen Juristenfamilie auf, in der die Politik früh dramatisch präsent war: Sein Vater Karl war nach dem Mord an Engelbert Dollfuß Ankläger im Prozess gegen die nationalsozialistischen Täter, wurde nach dem "Anschluss" verhaftet und am 14. November 1939 von den Nazis im KZ Sachsenhausen ermordet. So etwas prägt.

Bereits als junger Chemiestudent half der gerade einmal 20-Jährige tatkräftig bei der Wiedereröffnung der Universität Wien mit und wurde studentenpolitisch tätig: Tuppy gründete die Freie Österreichische Studentenschaft und die Katholische Hochschulgemeinde mit. Die wahre Leidenschaft des liberalen, anglophilen Chemikers galt aber der Wissenschaft: Nach seiner Promotion 1948 ging er auf Vermittlung des späteren Nobelpreisträgers Max F. Perutz zu Fred Sanger an die Universität Cambridge.

Tuppy kam dort zum ersten Mal mit biochemischen Fragestellungen in Berührung und war an der erstmaligen Aufklärung der Aminosäuresequenz eines Proteins, des Insulins, beteiligt. Für diese Arbeit erhielt Sanger 1958 den Nobelpreis, und er würdigte in seiner Rede auch den "hart arbeitenden Tuppy", was diesem in Österreich den Titel des "Fast-Nobelpreisträgers" eintrug.

Rückkehr nach Wien

Nach weiteren Lehrjahren am Carlsberg Laboratorium in Kopenhagen kehrte Tuppy als Assistent an das Institut für Organische Chemie der Universität Wien zurück und wurde 1958 auf den neu geschaffenen Lehrstuhl für Biochemie berufen. Seine Forschergruppe war damals "eine kleine Oase in der österreichischen Universitätswüste", erinnerte sich Gottfried Schatz, der – so wie viele andere Mitarbeiter Tuppys – international groß Karriere machte. Und nicht nur für Schatz war Tuppy "ein Vorbild für wissenschaftliches Talent, Fairness, Dynamik und Offenheit".

Tuppy selbst verschaffte sich in dieser Zeit unter anderem mit der biochemischen Erforschung der Blutgruppensubstanzen internationale Anerkennung. Daneben war er immer stark in der Lehre engagiert: Tausende von Medizinern haben seine Vorlesungen besucht. Doch die Universität allein war ihm zu wenig: Tuppy war stets auch bestrebt, die Wissenschaft in die Gesellschaft hinauszutragen, sei es im Rahmen der Erwachsenenbildung oder im Rahmen der Politik.

In den 1960er-Jahren machte sich der Biochemiker als ÖVP-Experte in Sachen Bildung und Wissenschaft schnell einen Namen. 1974 wurde er Präsident des damals noch jungen Forschungsfonds FWF, bei dem er internationale Standards der Projektförderung einführte. 1983 wurde Tuppy für zwei Jahre zum Rektor der Universität Wien gewählt, gleichzeitig stand er der Österreichischen Rektorenkonferenz vor.

Ruf als Wissenschaftsminister

1985 folgte die Wahl zum Präsidenten der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) – eine Funktion, die er 1987 frühzeitig aufgab, um dem Ruf der ÖVP für den Posten des Wissenschaftsministers zu folgen. Aber bereits im April 1989 musste Tuppy im Zuge der ÖVP-Regierungsumbildung den Ministersessel für seinen Nachfolger Erhard Busek räumen.

In all diesen Funktionen hat Tuppy eine ganze Menge zum internationalen Anschluss der auch noch lange nach 1945 provinziellen österreichischen Forschung beigetragen. Um nur zwei Beispiele zu nennen: Als Minister war er dafür verantwortlich, dass man an den Universitäten auch in anderen Sprachen als in Deutsch unterrichten durfte. Und in nahezu all seinen Funktionen war Tuppy bei der Gründung und Entwicklung des Vienna Biocenter beteiligt – jener Erfolgsgeschichte, die ohne seine Verbindungen gar nicht erst begonnen hätte.

Aus der Politik zog sich Tuppy nach seinem Ministeramt bald wieder zurück, der Wissenschaft blieb er bis zum Schluss in einer jugendlichen Leidenschaft verbunden. Auch noch weit jenseits seines 90. Geburtstags konnte man ihn in seinem kleinen Büro am Vienna Biocenter antreffen, wo er sich wissenschaftlich auf dem Laufenden hielt. Nur wenige Monate vor seinem 100. Geburtstag ist dieses lange, erfüllte Leben für die Wissenschaft zu Ende gegangen. (Klaus Taschwer, 8.5.2024)