Europa soll "Weltmarktführer bei Verbrennungsmotoren" werden, kündigte die ÖVP angesichts des EU-Wahlkampfs unlängst an. Und auch sonst klingen die klimapolitischen Pläne der Türkisen anders, als sie noch zu Beginn der Regierungszusammenarbeit mit den Grünen angemutet haben. Was bleibt übrig von dem gemeinsamen Vorhaben, Österreich bis 2040 klimaneutral zu machen? Und mit welchen klimarelevanten Themen will die ÖVP in den Wahlkampf ziehen? Darüber hat DER STANDARD im letzten Serienteil zu Klimaagenden im Wahlkampf mit dem türkisen Klimasprecher Johannes Schmuckenschlager gesprochen.

Den ersten Serienteil zur Klimapolitik der FPÖ finden Sie hier, jenen zum Programm der Neos hier, den Artikel zu den klimapolitischen Plänen der SPÖ können Sie hier nachlesen. Hier finden Sie den vorigen Serienteil zu den Klimaplänen der Grünen.

"Haben es nicht schlecht gemacht"

Das Gesamtfazit der Türkisen bezüglich der klimapolitischen Zusammenarbeit mit den Grünen fällt durchaus positiv aus. Ja, es sei viel diskutiert worden, dennoch ließen sich die Ergebnisse sehen, sagt Schmuckenschlager. "Prinzipiell haben wir es nicht schlecht gemacht." Viele Themen seien aber "dogmatisch" für die jeweiligen Parteien gewesen, als Beispiel nennt er E-Mobilität und Biotreibstoffe. "Wir waren immer ein Stück offener, was Technologien betrifft." Als Versäumnisse der vergangenen Jahre nennt er den zu langsamen Netzausbau; und auch im Bereich Wasserstoff sei zu wenig weitergegangen. Hier sei das Förderregime für die Industrie nicht attraktiv genug gestaltet worden.

Zum seit Jahren ausständigen Klimaschutzgesetz sagt Schmuckenschlager: "Das wird nicht mehr kommen." In dem Gesetz sollte eigentlich dargelegt werden, wie viele Emissionen in welchem Sektor innerhalb welches Zeitraums reduziert werden müssen. Bis dato konnten sich Grüne und ÖVP jedoch nicht einigen. Als rote Linien nennt der ÖVP-Politiker Klimaschutz in der Verfassung und Sanktionsmechanismen für Bundesländer, die ihre Klimaziele nicht erfüllen. Hier hätte man aus seiner Sicht über den Finanzausgleich einen sinnvolleren Steuerungsmechanismus etablieren können. "Der Rest wäre durchaus akzeptabel", so Schmuckenschlager. Auch der verpflichtende Klimacheck für Gesetze und der geplante Klimarechnungshof würden sich bis zur Wahl nicht mehr ausgehen.

Karl Nehammer während eines Pressestatements zur Entscheidung der Europäischen Union bezüglich Verbrennungsmotoren in Wien
Kanzler Nehammer will am Verbrennungsmotor festhalten und wirbt für den Einsatz von E-Fuels.
APA/EXPA/ MAX SLOVENCIK

Sollte die Partei erneut an der Regierung beteiligt sein, wolle man sich um ein Klimaschutzgesetz bemühen, sagt der Abgeordnete – jedoch unter Aussparung dieser zwei Themen. Und auch über den geplanten CO2-Reduktionspfad müsse man noch diskutieren, am besten im Zuge der Regierungsverhandlungen. Ob das Gesetz tatsächlich auch bei der ÖVP Priorität hätte, ist fraglich. Immerhin war es auch im Koalitionspakt mit den Grünen verankert. Der Entwurf der geplanten Novelle liegt laut Grünen seit Monaten im ÖVP-Klub.

Es sei jedenfalls kein Fehler gewesen, sich auf Klimaneutralität 2040 zu einigen, sagt Schmuckenschlager. Es sei "wesentlich", Ziele zu definieren. Die Partei würde auch in einer nächsten Regierungsbeteiligung an der Netto-Null bis 2040 festhalten wollen. "Wir nehmen den Klimawandel und die Wissenschaft sehr, sehr ernst", betont der Abgeordnete. Das wird umgekehrt nicht immer so gesehen: Erst unlängst gab es einen Protest von Forscherinnen und Forschern vor der Parteizentrale der Türkisen, um gegen Missstände in der Klimapolitik aufmerksam zu machen.

Biosprit und E-Fuels

Sehr unterschiedliche Zugänge im Vergleich zu den Grünen sieht der Klimasprecher beim Thema Verkehr. Den Verbrennungsmotor zu verbieten sei nicht der Weg der ÖVP. Vor allem im Bereich der Biokraftstoffe als Überbrückungstechnologie ortet Schmuckenschlager "enorme Kapazitäten". Und auch E-Fuels seien Teil der Lösung, um Emissionen im Verkehr zu reduzieren und zugleich die Bevölkerung vor neuen Anschaffungskosten zu schützen. Der Haken an der Sache: Der Einsatz von synthetischen Kraftstoffen für den Pkw-Verkehr ist aus Sicht der Wissenschaft ineffizient. Sie sind in der Produktion teurer, der Wirkungsgrad von elektrisch betriebenen Autos ist fünf- bis sechsmal höher. Schmuckenschlager bezeichnet sich selbst als "keinen Gegner" der E-Mobilität, sieht aber eine "extreme Überförderung" in dem Sektor. Statt die Autos selbst, solle der Staat die Infrastruktur für die E-Mobilität fördern, "dann fügt sich der Markt danach". An bestehenden Tempolimits will man bei der ÖVP nicht schrauben.

Wie sollen darüber hinaus Emissionen im Verkehrssektor reduziert werden? Die Antwort des Türkisen überrascht durchaus: Um den Tanktourismus – und die damit Österreich zugerechneten Emissionen – zu reduzieren, sollen Spritpreise erhöht werden, etwa über die Mineralölsteuer. So sollen die Preise für Diesel und Benzin an das Niveau der Nachbarländer angepasst werden. Um Bürgerinnen und Bürger angesichts dessen nicht vermehrt zu belasten, soll aber ein Ausgleich geschehen, beispielsweise durch eine angehobene Pendlerpauschale. "Wenn das sozial abgefedert retour gegeben wird, macht das durchaus Sinn", sagt Schmuckenschlager. Das habe auch die CO2-Bepreisung gezeigt. Für das Klima generell wäre all das freilich keine Entlastung: Die Emissionen würden ja weiterhin anfallen, aber anderen Ländern zugerechnet werden.

Eine Frau beim Tanken an einer Zapfsäule.
Durch ein Angleichen der Spritpreise an die Nachbarländer soll der Tanktourismus eingedämpft werden.
via www.imago-images.de

Insgesamt müsse jedenfalls auch der öffentliche Verkehr besser ausgebaut werden, wobei am Land der Individualverkehr auch notwendig sei, betont Schmuckenschlager. Das Klimaticket sei dahingehend ein "Top-Ergebnis" der Regierungszusammenarbeit gewesen. Und auch im Bereich der Erneuerbaren ortet der Politiker noch Luft nach oben, in erster Linie, was Wind- und Sonnenenergie und Biomasse anbelangt. Vor allem im Westen des Landes müsse – "dort, wo es möglich ist" – das Windkraftpotenzial mehr ausgeschöpft werden. "Es ist kein Beinbruch, was Neues aufzustellen, da müssen die Länder mehr an sich arbeiten."

Heizförderung "extrem hoch"

"Klimaschutz mit Hausverstand" lautet das Motto der Türkisen für den Wahlkampf. Dabei gehe es vor allem um Technologieoffenheit. Ein Verbot für fossile Heizungen im Bestand wolle man weiterhin nicht, sollte die ÖVP Teil der nächsten Regierung sein. Vielmehr müsse laut Schmuckenschlager Augenmerk darauf gelegt werden, wie bestehende Systeme auch künftig genützt werden können. Die bestehenden Förderungen für den Heizkesseltausch nennt er "extrem hoch". Dass gewisse Gruppen einen hundertprozentigen Zuschuss bekämen, sehe er nicht ein. Zur Einordnung: Jene 100-Prozent-Förderung gibt es derzeit für einkommensschwache Haushalte.

ÖVP-Klimasprecher Johannes Schmuckenschlager bei einer Pressekonferenz im Jahr 2021.
ÖVP-Klimasprecher Johannes Schmuckenschlager sagt, dass sogenannte Klimakleber "rigoros bestraft" werden sollten.
GEORG HOCHMUTH / APA / picturede

Was die ÖVP auch in einer möglichen nächsten Koalition beibehalten möchte, ist der CO2-Preis. Die für 2025 geplante Erhöhung würde Schmuckenschlager wie geplant belassen und den Klimabonus entsprechend erhöhen. Wie dann weiter verfahren werden soll, müsse man angesichts der gesamtwirtschaftlichen Lage bewerten.

Wenig Verständnis zeigt die ÖVP für sogenannte Klimakleber. "Ich sehe es als Riesenfehler, wie sie agieren", sagt Schmuckenschlager. Die Aktivistinnen und Aktivisten würden viele Menschen verstören, die generell hinter dem Thema stünden. Man könne im Rahmen des Versammlungsrechts demonstrieren, "aber die nehmen sich mehr heraus, weil sie irgendwo hingehen", sagt der Abgeordnete. "Das gehört rigoros bestraft."

Aber auch für den klimapolitischen Kurs der Freiheitlichen hat man bei den Türkisen wenig Verständnis. Diese habe Klimaschutz "generell abgeschrieben". Laut derzeitigen Hochrechnungen geht sich für die ÖVP eine Zweierkoalition mit der SPÖ oder der FPÖ aus. In beiden Fällen würde man sich um die Klimaagenden bemühen, einige der Umweltagenden aber wieder ins Landwirtschaftsministerium rückführen wollen. (Nora Laufer, 18.5.2024)