Ein Nebel vor einem Sternenhimmel, wie Farbe, die sich in Wasser löst.
Eines der neuen Bilder von Euclid zeigt den Nebel Messier 78, in dem laufend neue Sterne entstehen. Es handelt sich nur um einen Ausschnitt eines größeren Bildes.
ESA/Euclid/Euclid Consortium/NASA, image processing by J.-C. Cuillandre (CEA Paris-Saclay), G. Anselmi; CC BY-SA 3.0 IGO or ESA Standard Licence

Der Perseus-Galaxienhaufen gilt als eine der massivsten Strukturen des bekannten Universums. In 240 Millionen Lichtjahren Entfernung sind dort tausende Galaxien versammelt. Diese Eigenschaft machte ihn zu einem idealen Ziel des neuen Satellitenteleskops Euclid der europäischen Weltraumagentur Esa. Es dient der Vermessung großer Massen im Universum und soll so einige der größten Rätsel der Astrophysik zu lösen.

Nachdem Euclid schon bald nach seinem Start letztes Jahr mit spektakulären Bildern seine Fähigkeiten demonstrierte, gibt es nun erstmals bedeutende wissenschaftliche Entdeckungen, von denen zehn zur Publikation eingereichte wissenschaftliche Studien berichten, an denen zum Teil auch Forschende der Universität Innsbruck beteiligt waren.

Ein Bild des Himmels mit zahllosen Galaxien und einem schwachen Lichtschleier im Zentrum.
Ein Bild des Perseus-Galaxienhaufens, aufgenommen vom Weltraumteleskop Euclid. Der geisterhafte Lichtschleier stammt von 1,5 Billionen Sternen.
ESA/Euclid/Euclid Consortium/NASA, image processing by M. Montes (IAC) and J.-C. Cuillandre (CEA Paris-Saclay)

Schleier aus Sternen

Eine davon beschreibt die Untersuchung eines diffusen Lichtschimmers, der sich zwischen den Galaxien des Perseus-Haufens zeigt. Dieses Licht stammt von rund 1,5 Billionen Sternen.

"Dieses diffuse Licht ist mehr als 100.000-mal schwächer als der dunkelste Nachthimmel auf der Erde. Aber es ist über ein so großes Volumen verteilt, dass es, wenn wir es zusammenzählen, etwa 20 Prozent der Leuchtkraft des gesamten Haufens ausmacht", erklärt Matthias Kluge vom deutschen Max-Planck-Institut für Extraterrestrische Physik, der Erstautor der neuen Studie.

Diese Sterne scheinen allerdings nicht, wie zu erwarten, um die massereichste Galaxie des Haufens zu rotieren, sondern um einen Punkt zwischen den beiden leuchtstärksten.

Hier erklären Fachleute der Esa die neuen Erkenntnisse in einem Livestream.
European Space Agency, ESA

Für das sonderbare Verhalten gibt es eine Theorie: "Diese neue Beobachtung deutet darauf hin, dass der massereiche Perseus-Haufen vor kurzem mit einer anderen Gruppe von Galaxien verschmolzen sein könnte. Diese kürzliche Verschmelzung könnte eine gravitative Störung verursacht haben, durch die entweder die massereichste Galaxie oder die verwaisten Sterne von ihren erwarteten Bahnen abwichen, was zu der beobachteten Fehlausrichtung führte", sagt Studienautor Jesse Golden-Marx von der Universität Nottingham.

Hunderte Galaxien und Gravitationslinsen

Von einer neuen Entdeckung berichtet auch ein Team um die Astrophysikerin Francine Marleau von der Uni Innsbruck. In den Euclid-Daten offenbarten sich über 1000 nur schwach leuchtende Zwerggalaxien. Manche davon waren bereits bekannt gewesen, doch 630 waren bisher unbekannt.

Ein Bild voller Sterne und Galaxien, von denen manche seltsam langgezogen sind.
Ein Ausschnitt aus einem neuen Euclid-Bild des Galaxienhaufens Abell 2390. Ein Team aus Innsbruck untersuchte den Gravitationslinseneffekt von Galaxien, die alles hinter ihnen Liegende verzerren.
ESA/Euclid/Euclid Consortium/NASA, image processing by J.-C. Cuillandre (CEA Paris-Saclay), G. Anselmi; CC BY-SA 3.0 IGO or ESA Standard Licence.

Zudem konnten die Forschenden aus Innsbruck bei einem anderen Galaxienhaufen namens Abell 2390 den Linseneffekt beobachten, der durch die Raumkrümmung um große Massen entsteht. Dieser Effekt spielt eine Schlüsselrolle bei der Suche nach Dunkler Materie, weil hier deren Wirkung sichtbar wird. "Unsere Studie zeigt, wie hervorragend das neue Instrument für diese Analyse geeignet ist", sagt Tim Schrabback von der Universität Innsbruck. "Über die Verzerrung der Formen von Hintergrundgalaxien konnten wir die Verteilung der Dunklen Materie im und rund um den Galaxienhaufen vermessen."

In den nun veröffentlichten Arbeiten finden sich zahlreiche weitere Entdeckungen anderer Gruppen, darunter frei fliegende neugeborene Planeten, bisher unbekannte Sternhaufen, sowie sehr weit entfernte Galaxien aus den ersten Milliarden Jahren des Universums.

Vermessung des Alls

Wichtigstes Ziel des Teleskops ist es, möglichst viele Galaxien abzubilden und zu vermessen, um mehr über Dunkle Materie und Dunkle Energie herauszufinden, die 95 Prozent des Universums ausmachen. Dafür ist es wichtig, die Verteilung der sichtbaren Massen im Universum genau zu kennen, um so auf die unsichtbaren, dunklen rückschließen zu können. Milliarden von Galaxien sollen dafür in nur wenigen Jahren kartiert werden.

Ein Ausschnitt einer neuen Euclid-Aufnahme der 62 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxiengruppe Dorado.
ESA/Euclid/Euclid Consortium/NASA, image processing by J.-C. Cuillandre (CEA Paris-Saclay), G. Anselmi; CC BY-SA 3.0 IGO or ESA Standard Licence.

Zu diesem Zweck hat das Teleskop mehrere Kameras an Bord, einmal die Vis-Kamera (visible-wavelength camera). Ihr Zweck ist es, die genaue Position und Form von Galaxien zu bestimmen. Eine andere Kamera namens Nisp (Near Infrared Spectrometer and Photometer) konzentriert sich auf Wärmestrahlung im nahen Infrarotbereich. Damit sind Rückschlüsse auf die Entfernungen möglich.

Die neuen Erkenntnisse seien nur durch die detailreichen Bilder von Euclid möglich, heißt es vonseiten des Teams. Die Schärfe der Aufnahmen entspricht in etwa jener des Hubble-Teleskops, doch das Sichtfeld ist 175-mal größer.

"Euclid ist ein Beispiel für europäische Spitzenleistungen in der Spitzenforschung und Spitzentechnologie und zeigt, wie wichtig die internationale Zusammenarbeit ist", sagt der Esa-Chef Josef Aschbacher. Euclid befinde sich erst am Beginn seiner wissenschaftlichen Reise. (Reinhard Kleindl, 23.5.2024)