Das Arbeitspensum von Euclid ist nicht von dieser Welt. Innerhalb weniger Jahre soll das 2023 ins All gestartete Teleskop der europäischen Weltraumorganisation (Esa) Milliarden von Galaxien beobachten und mehr als ein Drittel des gesamten Himmels kartieren. Das rund zwei Tonnen schwere und 1,4 Milliarden Euro teure Gerät ist ein europäisches Gemeinschaftsprojekt, an einem Instrument ist auch die US-Weltraumbehörde Nasa beteiligt. Auch Euclids Taxi ins All stammte aus den USA, das Teleskop wurde mit einer Rakete der US-Firma Space X befördert. Der ursprüngliche Plan, mit Roskosmos zu fliegen, wurde nach dem russischen Überfall auf die Ukraine verworfen.

Außerirdisch ist auch Euclids Arbeitsplatz: Er liegt gut 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt, beim sogenannten Lagrange-Punkt 2. Dort kann sich das Weltraumteleskop mit wenig Energieaufwand halten. Euclid kann mithilfe eines Sonnenschilds das störende Licht von Sonne, Erde und Mond blockieren und den Blick auf die Weiten des Alls richten. Der konstante Abstand zur Erde ist auch für die Datenübertragung günstig, Euclid soll etwa 100 Gigabyte an Messdaten pro Tag nach Hause schicken. Rund zehn Monate nach seiner Ankunft kann das Teleskop nun erste große Erfolge für sich reklamieren.

Das Weltraumteleskop Euclid soll dem dunklen Universum auf die Spur kommen. Nebenbei liefert es zahlreiche Entdeckungen.
via REUTERS/EUROPEAN SPACE AGENC

Am Donnerstag wurden die bisher detailreichsten Aufnahmen des Teleskops veröffentlicht. Sie zeigen das volle Potenzial des astronomischen "Auges" und bringen auch gleich zahlreiche Entdeckungen mit sich. Ein Forschungsteam der Universität Innsbruck fand mit Euclid mehr als 600 bisher unbekannte Zwerggalaxien im sogenannten Perseushaufen, einer gigantischen Ansammlung von Galaxien in etwa 240 Millionen Lichtjahren Entfernung. In diesem Haufen erspähte das Teleskop auch unzählige Sterne, die sich auf "falschen Bahnen" befinden. Das liegt an gravitativen Störungen, die durch galaktische Kollisionen aufgetreten sind. Zehn wissenschaftliche Arbeiten wurden bereits zur Veröffentlichung eingereicht.

Rätselhafte Entitäten

Das ist erst der Anfang, Euclid ist zu Größerem bestimmt. Die Schärfe der Aufnahmen entspricht in etwa jener des Hubble-Teleskops, doch Euclids Sichtfeld ist 175-mal größer. Das neue Teleskop soll dabei helfen, Antworten auf zwei der wichtigsten Fragen der Kosmologie zu finden: Woraus besteht der unsichtbare Teil des Universums, und weshalb dehnt sich der Kosmos immer schneller aus? Denn alles, was wir sehen können – etwa Planeten, Sterne, Nebel und Galaxien – macht gerade einmal fünf Prozent des Kosmos aus.

Die übrigen 95 Prozent bestehen aus mysteriösen Größen, die verlegenheitshalber Dunkle Materie und Dunkle Energie genannt werden. Sie sind für uns unsichtbar, ihre Wirkung ist aber gewaltig. Auch für Euclid liegt das dunkle Universum im Verborgenen, das Teleskop soll aber indirekt Daten darüber sammeln. Astronominnen und Astronomen wollen so die genaueste 3D-Karte des Universums erstellen und damit mehr über die Verteilung der Dunklen Materie erfahren. Langweilig dürfte es am Lagrange-Punkt 2 also nicht werden. (David Rennert, 23.5.2024)