Geschockte Passanten kurz nach der Amokfahrt eines Deutschen in Münster.

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Trauernde stellten am Sonntag die Frage nach dem Warum.

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Münster – Nach der Amokfahrt von Münster am Samstag mit zwei Todesopfern und dutzende Verletzten besuchte der deutsche Innenminister Horst Seehofer (CSU) am Sonntag den Tatort, legte Blumen nieder und bezeichnete den Vorfall als "feiges und brutales Verbrechen". Doch er machte auch klar, dass "leider eine absolute Sicherheit nicht möglich ist". Er sei nach Münster gekommen, "um die Anteilnahme der gesamten Bundesregierung zum Ausdruck zu bringen, insbesondere der Bundeskanzlerin". Angela Merkel hatte schon am Samstag, nach der Todesfahrt, erklärt, sie sei "zutiefst erschüttert" .

Auch aus dem Ausland trafen Beileidsbekundungen ein, US-Präsident Donald Trump betonte: "Auch wenn die deutschen Behörden noch kein Motiv für diese feige Attacke auf unschuldige Menschen genannt haben, verurteilen wir sie dennoch." Zu diesem Zeitpunkt war die Lage noch unübersichtlich.

Viele Menschen hatten den ersten wirklich warmen Tag des Jahres für einen Bummel in der zehntgrößten Universitätsstadt Deutschlands (300.000 Einwohner) genutzt, in der Innenstadt waren die Cafés voll. Kurz vor 15.30 Uhr raste ein Van in die beliebte Gaststätte Kiepenkerl. Der Fahrer des Wagens tötete eine 51-jährige Frau und einen 65-jährigen Mann, verletzte mehr als 30 zum Teil schwer und erschoss sich selbst.

Vorfall rasch als Anschlag eingestuft

Die Polizei stufte den Vorfall rasch als Anschlag ein. Unklar war zunächst, ob ein islamistischer Hintergrund vorlag. Die Vize-Fraktionschefin der AfD im Bundestag, Beatrix von Storch, stellte den Zusammenhang aber sofort her, twitterte "WIR SCHAFFEN DAS" mit Wut-Emoji und implizierte damit, dass es sich um die Tat eines Flüchtlings handle.

Mittlerweile wird ein islamistischer Hintergrund ausgeschlossen. Der Todeslenker sei "mit hoher Wahrscheinlichkeit" ein aus Deutschland stammender Einzeltäter und kein Flüchtling, sagte der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU). Es gebe "eine Menge Erkenntnisse", dass das Motiv in der Person des Täters liege. Die Ermittlungen dauern noch an. Am Sonntag gab die Polizei auch bekannt, dass sie nicht mehr nach möglichen Komplizen suche. Zunächst war Hinweisen von Augenzeugen nachgegangen worden, wonach zwei weitere Personen involviert hätten sein können. Sie sollen – so erste Angaben – aus dem Auto gesprungen sein.

Medienberichten zufolge handelt es sich bei dem Autofahrer um den 48-jährigen Jens R. aus Münster. Er soll psychische Probleme gehabt haben und vor kurzem einen Suizidversuch unternommen haben.

Täter war polizeibekannt

"Es gibt zurzeit keinen Hinweis auf einen politischen Hintergrund", erklärte dann am Sonntagnachmittag die Leitende Oberstaatsanwältin Elke Adomeit. Der Täter sei polizeibekannt gewesen. In Münster habe es 2015 und 2016 drei, in Arnsberg ein Verfahren gegen ihn gegeben. Es ging um Bedrohung, Sachbeschädigung, eine Verkehrsunfallflucht und Betrug. Die Verfahren seien alle eingestellt worden. "Aber auf den ersten Blick haben wir hier keine Anhaltspunkte auf eine stärkere kriminelle Intensität, die wir bei dem Täter feststellen konnten", so Adomeit.

Empörung herrschte über den Tweet der AfD-Abgeordneten von Storch. "Das tragische Unglück von Münster ruft Leute auf den Plan, die das politisch instrumentalisieren und die Angehörigen der Opfer missbrauchen wollen – das ist schändlich", twitterte SPD-Vizechef Ralf Stegner. Auch der Parlamentsgeschäftsführer der Linksfraktion im Bundestag, Jan Korte, kritisierte Storch. "Wer nicht einfach mitfühlen und trauern kann, bei dem stimmt der Kompass der menschlichen Anständigkeit nicht." Von Storch warf ihren Kritikern vor, islamistischen Terror zu verharmlosen: "Ein Nachahmer islamischen Terrors schlägt zu – und die Verharmlosungs- und Islam-ist-Vielfaltsapologeten jubilieren."

Keinen Zusammenhang gibt es laut Polizei zwischen der Tat in Münster und einem Vorfall in Cottbus am Freitagabend. Da war ein 25-Jähriger aus bislang ungeklärter Ursache mit dem Auto auf einen Gehsteig gefahren und hatte zwei Fußgänger verletzt. (Birgit Baumann, 8.4.2018)