Der Frühling neigt sich dem Ende zu, allerhöchste Zeit also, einem seiner prächtigsten Gemüse zu huldigen: der Zwiebel. Sie strotzt jetzt nur so vor Saft und Kraft, und gesund ist sie angeblich sowieso. Schon einfach so in dünne Scheiben geschnipselt sind sie brauchbar, so richtig gut aber werden sie erst, wenn sie gegart werden – oder, am allerbesten, verbrannt.

Foto: Tobias Müller

Wenn die Zwiebel einfach so, wie die Natur und der Gärtner sie schuf, auf glühende Kohlen geschmissen wird, verkohlt ihre äußerste Lage. Innen aber dämpft der weiche Kern im eigenen Saft und karamellisiert unter der Ruß-Schicht. Das Ergebnis ist einfach umwerfend: süß, rauchig, saftig, mit cremig-üppiger Konsistenz, die Zwiebel in ihrer allerbesten Form. Derzeit gibt es noch die letzten Frühlingszwiebel, die bereits vergangenen Herbst angesetzt wurden und die daher deutlich größer sind als ihre jungen Brüder und Schwestern von diesem Jahr. Das Verbrennen geht mit beiden, wenn die Zwiebel etwas größer ist, hat der Esser allerdings mehr davon. Wer keine Frühlingszwiebel hat: Auch Schalotten eignen sich gut für die Methode.

Je nach Partyart (Zwiebelorgie oder Afternoon-Tea) und Grillergröße können Sie die Zwiebel samt Grün oder auf die Knolle reduziert in die Glut schmeißen. Beides hat Vor- und Nachteile: Mit Grün braucht ziemlich viel Grillplatz und der Stiel ist nicht wirklich essbar – die Konsistenz ist einfach zu gummig. Dafür machen die Blätter das Abschälen der verkohlten Außenschicht leichter, und der Esser kann sich den süß-rauchigen Wonneproppen dionysisch von oben in den Mund hängen lassen, bevor er ihn abbeißt – ein rußig-wollüstiges Vergnügen. Wer nur die Köpfe grillt, spart Platz und kann das Ergebnis zivilisierter anrichten und verspeisen.

Foto: Tobias Müller

Die Australierin und ich haben die verbrannte Zwiebel in größerem Stil beim Heurigen-Test verwendet. Sie ist ein herrlicher Snack für sich, wenn sie etwa mit selbst gemachter Mayonnaise (unvergleichlich besser als Fertigprodukte) mit ordentlich Estragon als Dip serviert wird, und sie eignet sich hervorragend als Beilage zu kaltem Fleisch, etwa zu Roastbeef.

Mir selbst ist die Idee, Zwiebel direkt auf die Glut zu werfen, nie gekommen, obwohl das doch bestechend nahe liegt. Ich habe sie von den Katalanen abgeschaut, die traditionell wissen, was gut ist. In der Gegend um Barcelona haben Bauern über die Jahrhunderte eine besonders prächtige Frühlingszwiebel-Variante gezogen, die Calcot, der sie alljährlich in ihrem Frühling (unserem Spätwinter) zu Leibe rücken und sie auf den Scheiterhaufen werfen. Unsere jungen Knollen mögen später reifen und etwas kleiner sein. Es gibt aber keinen Grund, es den Katalanen nicht gleich zu tun – und mit ihnen die Grillsaison zu eröffnen.

Wie die Zwiebel aus der Asche steigt

Besorgen Sie sich pro Esser einen Bund prächtiger Frühlingszwiebel. Sie sollten nicht zu riesig (garen nicht durch), aber auch nicht zu klein (verbrennen zu sehr) sein. Waschen Sie sie nicht, schneiden Sie sie nicht, hacken Sie nur, wenn Sie wollen, das Grün ab. Werfen Sie die Knollen direkt auf die Glut (etwa, während das Fleisch vom vorherigen Grillen rastet) und lassen Sie sie dort bei geschlossenem Deckel je nach Größe und Resthitze fünf bis zehn Minuten liegen. Sorgen Sie sich nicht, die Zwiebel halten einiges aus und dürfen ruhig übel verbrannt aussehen. Wenn die Knollen groß sind, wenden Sie sie und geben Ihnen nochmals einige Minuten.

Foto: Tobias Müller

Holen Sie sie aus dem Feuer und lassen sie in einem großen Haufen etwas rasten, bis sie genug ausgekühlt sind, dass man sie angreifen kann. Schälen Sie nun die äußere verkohlte Schicht ab: Am besten geht das, wenn Sie die Zwiebel an einer wenig verkohlten Stelle von oben nach unten aufreißen und dann das Innere heraus holen. Halten Sie eine Schüssel Wasser bereit, in die Sie immer wieder Ihre verrußten Finger tauchen können, um die sauberen Kerne nicht allzusehr anzuaschen. Ein paar Flocken schwarze Zwiebelhaut am Endprodukt schaden aber gar nicht, sondern sind gut für den Geschmack.

Foto: Tobias Müller

Für die Estragon-Mayonnaise mischen Sie ein zimmerwarmes Eigelb mit ordentlich Dijonsenf und gießen ganz langsam Erdnussöl zu, während Sie kräftig mit einem Schneebesen schlagen. Je mehr Öl bereits mit dem Ei gebunden ist, desto schneller können Sie gießen. Ein Eigelb sollte problemlos etwa 200 Milliliter Öl binden können (für mehr Mayonnaise-Familien-Theorie, klicken Sie hier.

Hilfreich für alleinstehende Mayonnaise-Macher: Geschirrtuch zusammenrollen, zu einem Kreis formen, und die Rührschüssel in die Mitte setzen, damit sie weniger rutscht.

Foto: Tobias Müller

Wenn Sie genug Mayonnaise haben oder Ihr Arm zu sehr schmerzt, schmecken Sie das Ergebnis mit Salz und Zitronensaft ab und mischen ordentlich frischen, gehackten Estragon unter. Idealerweise darf das ganze nun eine Stunde im Kühlschrank durchziehen. Zwiebel eintunken und genießen.

Sollte wider Erwarten etwas von den Zwiebeln übrig bleiben: In Öl gelagert halten sie sich tadellos einige Tage.

Foto: Tobias Müller

(Tobias Müller, derStandard.at, 11.05.2014)