So groß die Freude der Freunde von Michael Ludwig am Parteitag der Wiener SPÖ war, so groß waren auch Jammer und Frust bei jenen, die Andreas Schieder unterstützt hatten.

Das zeigte sich bereits am nächsten Tag. Die Schieder-Seite ließ sich darüber aus, dass sich "alte Männer" gegen die Jugend und auf Kosten der Frauen durchgesetzt hätten. Die Ludwig-Seite revanchierte sich mit (nicht bestätigten) Listen über mögliche Ablösekandidaten in der Stadtrat-Riege. Der Frust und die Sorge vor dem Revanchismus der "Faymann-Ludwig-Partie" sind ebenso groß wie die Angst, dass die Partei unter dem Einfluss mächtiger ÖGB-Funktionäre und Landespolitiker, allen voran Hans Niessl im rot-blauen Burgenland, nach rechts rücken könnte.

In den Unterhaltungen und Debatten fallen auch immer wieder die Worte "Abspaltung" oder "Neugründung". Es sei völlig vergebens, zwischen den Genossen vermitteln zu wollen, heißt es, man habe eigentlich schon lange nichts mehr gemeinsam. Hier stehe "alte" gegen "neue" Politik.

Das ist gar nicht so abwegig, wie es scheint, und in der jüngeren Vergangenheit auch schon mehrfach passiert. So ist etwa die aufmüpfige Sektion 8 entstanden, deren ehemaligem Vorsitzenden Niki Kowall es mit einer einzigen engagierten und überzeugenden Rede gelang, das kleine Glücksspiel in Wien zu kippen. Die ehemalige Vorsitzende des VSStÖ, Barbara Blaha, trat aus, als die SPÖ ihre Position gegen Studiengebühren aufgab, und gründete Momentum, wo regelmäßig Themen wie sozialer Fortschritt, Bildung und Menschenrechte verhandelt und linke Positionen diskutiert werden. Oder die ehemalige, innerparteilich als "aufmüpfig" geltende Abgeordnete Sonja Ablinger, die nach der Bildung der rot-blauen Koalition im Burgenland endgültig aus der SPÖ austrat und sich weiterhin feministisch engagiert. Eine starke Bewegung ist aus all diesen Einzelaktionen allerdings bisher nicht entstanden.

Tiefer Graben

Seit vielen Jahren klafft ein tiefer Graben zwischen universitär geprägten Partei-Linken, die irgendwann zur SPÖ gefunden haben, und der Funktionärsebene, die vielfach den Marsch durch die Institutionen hinter sich hat und gewohnt ist, in den Strukturen und Hierarchien der SPÖ und ihrem innerparteilichen Machtausgleich zu denken. Wer immer im Hinterkopf hat, welche Teile der Partei gegen eine inhaltliche Forderung sein könnten, lernt am Ende, den Kompromiss schon vorauszudenken. Den richtigen Platz für die SPÖ sehen die Vertreter dieser Linie immer in der politischen Mitte – dort, wo sich vermeintlich die meisten Wähler tummeln.

Allerdings herrscht dort von jeher ein ziemliches Gedränge – und es spräche wenig dagegen, das Wagnis einer neugegründeten Linkspartei einzugehen. Das muss nicht a priori schiefgehen und, wie es oft heißt, das "linke Lager noch mehr spalten". So ist etwa die Neugründung der Neos eine Erfolgsgeschichte – die am Gesamterfolg des "rechten Lagers" nichts verändert hat. Die politische Auseinandersetzung um Inhalte würde jedenfalls bereichert.

Dagegen spricht der stärkste Klebstoff der Welt, der immer noch hält, wenn sich zwei komplett auseinandergelebt haben: die Angst vor Veränderung und den damit verbundenen Konsequenzen.

Das hat schon viele potenzielle Aufstände verhindert. Nicht nur in der SPÖ. Aber dort besonders. (Petra Stuiber, 30.1.2018)