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Der Kurs der türkischen Lira war am Freitag im freien Fall.

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Der Job von Finanzmarktanalysten ist es, Finanzmärkte zu analysieren. Daraus können im besten Fall vorsichtige Kursprognosen entstehen. So empfahlen Experten von JPMorgan am vergangenen Freitag, die türkische Lira zu verkaufen, sollte sie zum US-Dollar auf 5,50 fallen. Aber in der Türkei ist Wahlkampf, und die Finanzmärkte sind ein fixer Bestandteil von Erdoğans Feindbild (neben Terroristen aller Art). Schon länger vermutet er, dass eine internationale Zinslobby am Werke sei, um die Türkei zu schwächen.

Aus diesem Grund kündigte die türkische Bankenaufsicht an, eine Untersuchung der türkischen Büros der Investmentbank JPMorgan einzuleiten. Der Verdacht auf Marktmanipulation sei gegeben. Man hätte "Hinweise erhalten, dass ein Report den Ruf der türkischen Banken schädige und die Volatilität erhöhe".

Provokationen gegen Türkei

Ein gefundenes Fressen war das auch für den türkischen Präsidenten, der am Sonntag eine seiner größten Wahlkampfveranstaltungen in Istanbul hielt. Mehrmals betonte er, "Investoren würden einen hohen Preis bezahlen, wenn sie sich an provokativen Aktionen gegen die Türkei beteiligten".

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Erdoğan wirft ausländischen Finanzclans Manipulation vor.
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Am kommenden Sonntag finden in der Türkei Kommunalwahlen statt. Die AKP-Regierung droht erstmals seit Jahren die Städte Ankara und Istanbul an die Opposition zu verlieren.

Lira als Achillesferse

Erdoğan weiß, wie empfindlich die türkische Wirtschaft auf Schwankungen der Lira reagiert, und die ist momentan die Achillesferse der AKP. Jahrelang war der wirtschaftliche Aufschwung des Landes unter Erdoğan der Garant für seine Wiederwahl. Jetzt beginnt der zu bröckeln: Die Arbeitslosigkeit ist so hoch wie zuletzt 2008. Die Inflation liegt bei 20 Prozent und treibt vor allem die Lebensmittelpreise in die Höhe.

Auch das ist eine Folge der Währungsturbulenzen vom vergangenen Sommer. Nach einer Zinserhöhung in den USA und einem Zerwürfnis mit US-Präsident Trump zogen zahlreiche internationale Investoren im vergangenen Sommer ihr Kapital ab. In der Folge verlor die Lira bis zu 40 Prozent ihres Werts. Nur mühsam konnte der Kurs in den vergangenen Monaten wieder halbwegs stabilisiert werden.

Zinsen steigen

Am vergangenen Freitag aber rauschte die Lira abermals in den Keller und verlor zeitweise bis zu sieben Prozent zum US-Dollar. Experten aber waren sich einig, dass dies kaum mit dem JPMorgan-Report zu tun, sondern vielmehr makroökonomische und politische Ursachen hatte. Am Montag erholte sich die Lira etwas, die Geldmarktzinsen stiegen aber deutlich.

Der Analyst und Türkei-Kenner Timothy Ash äußerte sich auf Twitter zu der Aktion: "Tatsache ist doch, dass Investmentbanken aufhören werden, Recherchen zu veröffentlichen, und ohne das investieren normale Menschen nicht." Oder wie ein altes Sprichwort eben sagt: Don't kill the messenger. (Philipp Mattheis aus Istanbul, 26.3.2019)