Ludwig Rumetshofer und Katharina Forster sind Landwirte. Dass sie das heute sind, hatte er sich einst nicht erträumt und sie sich einst nicht erhofft.

Foto: Mike Vogl - VOGL-PERS

Das Kraut wird diesen Sommer nichts, das sieht Ludwig Rumetshofer jetzt schon. Die Erdflöhe sind schuld, das Wetter auch. Dafür wachsen die Zwiebeln heuer gut. Als hätte man die Saat am Lineal ausgerichtet, recken sich grüne Halme aus dem Acker. Daneben arbeitet sich Karottengrün durch die Erde, das Unkraut rundherum auszuzupfen wird Rumetshofers Aufgabe fürs Wochenende.

Ludwig Rumetshofer ist Bauer. Prinzipiell nichts Exotisches rund um Braunau, eine Gegend, wo Straßen gesäumt werden von Werbeschildern für den freitäglichen Bauernmarkt und das Heidelbeerfeld zum Selberpflücken. Doch dass er Landwirt werden konnte, hat der Mittdreißiger seiner Frau Katharina Forster zu verdanken.

Ludwig Rumetshofer ist Boku-Absolvent. Heute erntet er im Gewächshaus seines eigenen Betriebs.
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Ohne Erbe kein Bauernhof

Ohne landwirtschaftlichen Hintergrund, so wie in Rumetshofers Fall, ist es schwer, an einen landwirtschaftlichen Betrieb zu kommen. Stolz, emotionale Bindung und nicht zuletzt steuerliche Nachteile sind Hindernisse, die den scheidenden Bauern bei einer außerfamiliären Hofübergabe im Weg stehen. Auf der anderen Seite aber finden Landwirte, die auf die Pension zugehen, immer schwieriger eine Nachfolge für den Betrieb, müssen also ihr Lebenswerk schließen oder ihre Flächen an Fremde verpachten.

Rumetshofer studierte Agrarwissenschaften an der Boku, seine Großeltern hatten einen Hof am Mühlviertel. Landwirt zu sein und mit seinen Händen und der Hilfe von Erde, Licht und Wasser die Menschen in der Region mit Lebensmitteln zu versorgen war, lange bevor er Forster kennenlernte, sein Ziel. "Ich wollte nicht nur auf theoretischer Ebene über Landwirtschaft reden, ich wollte ins Tun kommen", sagt er. Doch ohne Erbe sei es nahezu unmöglich, in die Landwirtschaft einzusteigen. Bei den derzeitigen Produktionsbedingungen würden sich die Investitionskosten nicht rechnen.

Katharina Forster ist Architektin und Bäuerin. Beides zu verbinden erfordert Flexibilität, sagt sie.
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Katharina Forster wiederum ist Architektin. Den Hof der Großeltern übernahmen die Eltern, verpachteten die Anbauflächen und bauten eine Kunstschmiede auf. Sie ist noch aktiv; während Forster über ihren Entscheidungswandel erzählt, blitzt das Licht eines Schweißgeräts aus den Fenstern des Hofanbaus neben ihr. Dass der Betrieb auch wieder landwirtschaftlich genutzt wird, soll den Eltern ein großes Anliegen gewesen sein, sagt Forster. Aber das kam weder für sie noch für ihre vier Geschwister infrage. "Landwirtin zu sein, das war keine Berufsoption, das war nicht in meinem Kopf", sagt sie.

Emanzipierte Kinder

Etwa 160.000 land- und forstwirtschaftliche Betriebe gibt es momentan. Vor 30 Jahren waren es noch ein Drittel mehr. Umfragen zeigen, dass nur 30 Prozent der Hofbetreiber ihre Nachfolge geklärt haben. Die Dunkelziffer dürfte höher liegen. "Es ist ein Thema, mit dem Bauern und Bäuerinnen sich nicht auseinandersetzen wollen", sagt Thomas Huemer vom Netzwerk Existenzgründung in der Landwirtschaft. Die Kinder der Landwirte hätten sich emanzipiert, können studieren und in die Stadt gehen, wenn sie das wollen.

Der Hof, den Rumetshofer und Forster betreiben, wird auch als Kunstschmiede genutzt.
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So auch Katharina. Doch je mehr sie sich in ihrer Arbeit als Architektin mit den Problemen auf dem Land auseinandersetzte, desto mehr kam der Wunsch, dort etwas zu bewegen. Mit Ludwig kam die Entscheidung, den Wunsch umzusetzen. Also übernahmen die beiden vor vier Jahren den Betrieb in Braunau. Den Hof nebenan samt Mütterkühen und Kälbern betreiben Katharinas Cousine und ihr Mann. Zu viert bewirtschaften sie im Gemeinschaftsprojekt 15 Hektar Wald, 20 Hektar Acker und 20 Hektar Wiese.

Leben und arbeiten an einem Ort

Eine Hofübergabe ist mehr als ein bürokratischer Akt, mehr als die Frage, wie viel der Hof wert ist, wer die Flächen womit bebaut und wer für die Pflege der Landwirte in Pension aufkommt. Weil in der Landwirtschaft Lebens- und Arbeitsort eins sind, drängen die Übernehmer in die tiefste Privatsphäre der Übergeber ein – und umgekehrt. Wenn unterschiedliche Lebensstile und Rituale aufeinandertreffen, birgt das Konfliktpotenzial. Darum steht, in Sichtweite und nur ein paar Meter vom Hinterhof entfernt, in dem Katharina und Ludwig am Holztisch sitzen, das Auszugshäusel von Katharinas Eltern, ihre Mutter pflückt gerade Ribiseln. "Bei aller Gemeinschaft ist es wesentlich, dass eine Grundprivatheit für alle vorhanden ist", sagt Katharina.

Der Schutz der Privatsphäre mag ein Grund sein, warum außerfamiliäre Hofübergaben immer noch die Ausnahme sind. In einer Bedarfsstudie fand die Landjugend heraus, dass von gut 1.000 befragten Personen, die die Hofnachfolge bereits geklärt hatten, nur 20 Personen ihren Betrieb an Nichtfamilienmitglieder übergeben.

Hubert Stark, 53 und Biolandwirt im oberen Waldviertel, weiß jetzt schon, dass sein Lebenswerk irgendwann an jemanden gehen wird, den er heute noch nicht kennt. Die Kinder wollen den Hof nicht. "Wenn man das mit Zwang oder Druck macht, geht das in der Regel schief", sagt Stark. "Dann wirtschaften die Kinder auf extrem niedrigem Niveau weiter, bis die Eltern nicht mehr sind, und dann geht das den Bach runter." Die Alternative wäre, die Flächen zu verpachten und bis zum Tod im Haus zu bleiben. "Doch wenn dann die Alten sterben, steht das Haus leer und verfällt", auch das wollte Stark nicht.

Der Fendt, mit dem Rumetshofer die Äcker pflegt – nicht neu, aber wirkungsvoll.
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Also überlegten er und seine Frau sich, was das Beste für den Betrieb wäre. Der Schluss: "Der Betrieb will, dass er repariert wird, wenn etwas kaputt ist, dass sich jemand kümmert und ihn weiterentwickelt", sagt Stark. Wer das mache, das sei für den Betrieb letztlich egal. Also sucht Stark mit seiner Frau nach einer Familie, die den Hof samt Schweinezucht und Mutterkühen übernehmen wird, wenn er in etwa zehn Jahren in Pension gehen wird. Die Hofbörse "Perspektive Landwirtschaft", eine Initiative des Netzwerks Existenzgründung, hilft, Suchende und Abgebende zusammenzubringen.

Für Außenstehende um zehntausende Euro teurer

Doch geht ein Hof an jemanden außerhalb des Familienkreises, kostet das. Dann ist die Wertgrenze für die Schenkungssteuer niedriger – also schon ab 15.000 Euro Schenkungswert zu zahlen. Auch die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbssteuer ist eine andere, wenn der Betrieb nicht an den begünstigten Personenkreis geht – damit fällt sie in vielen Fällen höher aus. "Eine Übergabe kann schnell einige zehntausend Euro mehr kosten, wenn sie an einen Fremden geht", sagt Franz Staudinger, Jurist bei der Oberösterreichischen Landwirtschaftskammer.

Und: Für die grundverkehrsbehördliche Bewilligung muss jemand, der kein Erbe ist, nachweisen, dass er entsprechende agrarische Kenntnisse hat – ein Erbe, egal welchen Beruf er ausübt, muss das nicht. Der Grund dafür: "Lange Zeit hieß es, Bauernland muss in Bauernhand bleiben", so Staudinger.

Grafik: DER STANDARD

"Für den Hof ist es nicht gut, wenn auf seinem neuen Betreiber ein Schuldenpaket lastet", sagt Hubert Stark, "er soll sich ja weiterentwickeln." Wenn er in ein paar Jahren übergibt, soll das so sanft wie möglich passieren, Geld sei da nicht die Hauptsache.

Was zählt, ist Sympathie. Erste Gespräche mit Paaren hatten sie schon, nett seien sie gewesen, sagt Stark. Aber ernst wurde es bisher noch nicht. "Wenn wir bei jemandem mit hoher Wahrscheinlichkeit sagen können: 'Die sind es', dann werden wir eine Probezeit machen", sagt Stark. Denn mit dem Hofübergeben sei es wie mit dem Heiraten: Das Kennenlernen zählt. "Das Schlimmste ist, wenn man glaubt, man ist ganz schnell in jemanden verliebt, und auf einmal kommt man drauf, was einen an ihm stört", sagt Stark, "dann geht's schief. Vorher muss man eine Weile zusammenleben."

In Braunau, auf dem Hof, den die ehemaligen Studenten nun im Gemeinschaftsprojekt betreiben, sagt Landwirtin und Architektin Forster: "Außenstehende haben oft so ein Sommerfrischlerbild: dass ich hier die geistige Arbeit der Architektur mit frischer Luft und körperlicher Arbeit verbinden kann und nach Lust und Laune wechsle." Diese romantische Vorstellung hatte sie selbst nie. Sie wusste, dass sie Arbeitseinsatz erwartet, dass sie im Sommer angebunden sein wird und Energie in den Aufbau des Gemeinschaftsprojekts fließen wird, sagt sie, rechts von ihr ein alter Kirschbaum, links von ihr die eufeubewachsene Gebäudefassade. Doch jetzt fühlt sie sich dem Hof verbunden, jetzt will sie hierbleiben. Zumindest bis zur Pension. (Gabriele Scherndl, 15.7.2019)