Nicht beliebt, aber auch nicht blöd: Borkenkäfer erkennen den Unterschied zwischen echten Bäumen und Fallen. Attackieren Käfer eine Fichte, ist sie praktisch chancenlos.

Foto: APA/HERBERT PFARRHOFER

Mit voller Kraft heizt die Sonne eine Lichtung im Waldviertel auf. Rund um die kahlgeschlagene Stelle ragen Palmen und Pinien in den Himmel. Eine dystopische Vorstellung? Palmen und Pinien sucht man im Waldviertel noch vergeblich – nicht jedoch kahlgeschlagene Stellen. Fichten sind es, die rund um die Lichtung ein trauriges Dasein führen. Ein kleiner Windstoß lässt es Nadeln regnen. Die Bäume sind tot, haben den Kampf gegen den Borkenkäfer verloren.

Was Flachwurzler bräuchten, um sich gegen die aggressiven Insekten zu wehren, ist Wasser. Mittels Harz könnten sie die Käfer abwehren und das eigene Überleben sichern. Abwechselnd warmes und wieder nasses Wetter, das wünscht sich ein Baum. Doch der Klimawandel macht sich bemerkbar. Seit ein paar Jahren regnet es zu wenig. Trockene Bäume sind für die auf Fichten "spezialisierten" Borkenkäfer Buchdrucker und Kupferstecher ein gefundenes Fressen.

Ein Borkenkäfer-Männchen nistet sich in der Baumrinde ein und "ruft" die Weibchen. In der sogenannten Rammelkammer vermehren sie sich schnell.
Foto: Wolfgang Simlinger

Vermehrung in der Rammelkammer

Zwar blendet die Sonne ein wenig, doch die Bohrlöcher mit einem Durchmesser von rund einem Millimeter sind klar ersichtlich. Die Schädlinge nisten sich ein, vermehren sich rasend schnell in einer sogenannten Rammelkammer und unterbinden den Saftfluss im Baum. Ein unumgängliches Todesurteil. Und nun drängt die Zeit. Einmal befallen, muss der Baum schnellstmöglich raus aus dem Wald. Es gilt, einen ausufernden Kollateralschaden zu vermeiden.

Wenig verwunderlich hat die Digitalisierung ihren Weg auch hierher gefunden. Der Wald steht unter laufender Beobachtung. Martin Schönsgibl, der Förster von Droß in Niederösterreich, zeigt auf einem Tablet eine Karte des Gebiets mit unterschiedlichen Farbschattierungen und Pfeilen. Pfeile stehen für Borkenkäferbefall. Laufend wird nach "Opfern" gesucht. Im Sommer streifen Schüler von Forstschulen durch den Wald und lokalisieren die unleidigen Parasiten. Zur Analyse größerer Flächen kommen Drohnen zum Einsatz.

Mit einem Tablet werden die befallenen Bäume geortet und möglichst schnell umgeschnitten und aus dem Wald gebracht.
Foto: Wolfgang Simlinger

Klimabedingtes Umdenken

Schädlingsbefall ist nur eine Komponente, die die Natur unter Druck setzt. Wetterextreme sowie Windwürfe mehren sich ebenso. "Mit dem Klimawandel werden sich unsere Wälder verändern. Wir können sie nicht mehr so bewirtschaften wie bisher, es ist höchste Zeit umzudenken", sagt der Vorstand der Österreichischen Bundesforste (ÖBf) Rudolf Freidhager bei einer Waldexkursion im gut zehn Kilometer von Krems entfernten Droß. Die Fichte sei und bleibe in Österreich die häufigste Baumart, ihr Bestand werde langfristig von 60 auf 40 Prozent sinken. Außerdem werde sich die Baumgrenze nach oben verschieben.

Die Zeit der intensiv bewirtschafteten Fichtenwälder dürfte vorbei sein. Den klimatischen Veränderungen sind die Flachwurzler nicht gewachsen – ein zum Teil hausgemachtes Problem. Aktuell verfügt das Waldviertel über 80 Prozent Nadel- und 20 Prozent Laubholz. Ursprünglich wäre es genau andersrum gewesen, doch das wurde via Menschenhand umgekehrt. "Laubholz war nichts wert, die Fichte hingegen eine Goldgrube. Viele Generationen haben gut von ihr gelebt, doch ein wirtschaftliches Umdenken muss her", glaubt Freidhager.

Förster Martin Schönsgibl erklärt, wie man anhand eines Monitoring-Systems versucht Borkenkäfer zu verstehen.
Foto: Wolfgang Simlinger

Amerikanische Zukunft

Etwas tiefer im Wald ragen Douglasien aus dem Boden. Um die zwei Meter hoch, aber erst sechs oder sieben Jahre alt. Diese Tannenart feiert in Österreich ein Comeback, um 1900 gab es erste Versuche, den "Nordamerikaner" hier anzusiedeln. Douglasien wachsen schnell, werden groß, kommen mit Trockenheit gut zurecht, brauchen aber auch viel Pflege und strategisch kluge Positionierung. Man läuft Gefahr, dass sie umliegenden Laubbäumen das Licht wegnehmen, außerdem vertragen sie kalkhaltige Böden nicht. An kahlgeschlagenen Stellen sollen in 30 Jahren 60 Prozent der amerikanischen Pflanze stehen.

Doch nicht nur die Douglasie tritt ins Rampen- respektive Sonnenlicht. Zurück zum Mischwald durch Naturverjüngung, lautet die Devise. Die ÖBf haben ein Szenario für das Jahr 2100 errechnet, wie es um unsere Wälder bestellt sein kann oder soll. Je nach Region, Bodenbeschaffenheit, Mikroklima und Höhenlage werden die Veränderungen sehr unterschiedlich ausfallen. Der Anteil der Lärchen wird von derzeit nicht einmal zehn auf knapp 25 Prozent steigen. Tanne, Buche, Kiefer, Esche – all diese Baumarten werden mehr.

Keimlinge sprießen

Tatsächlich sprießen überall verstreut entsprechende Keimlinge aus dem Boden. So weit, so gut. Jedoch weisen viele davon Spuren von Wildtieren und deren Appetit auf Nichtfichten auf. Das minimiert die Überlebenschancen. Es brauche gute Zusammenarbeit mit der Jägerschaft und eine gezielte Kontrolle des Wildbestands, so der ÖBf-Vorstand. Auf fast der Hälfte der Jungwuchsflächen würden Tannen wegen Verbiss nicht höher als 1,30 Meter.

Jungpflanzen finden bei Wildtieren großen Anklang. Besonders wenn sie keine Fichten sind.
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Die Bundesforste stützen ihren Plan auf das Pariser Klimaziel, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Verfehlt die Menschheit diese Vorgabe, werden die Karten neu gemischt und es bedarf neuer Berechnungen und anderer Bäume.

Als "Lichtblick" am Ende des Tages wird es am Himmel dunkel und beginnt es zu schütten. Der Redakteur wird zwar nass, doch die Bäume freut es bestimmt. (Andreas Danzer, 20.7.2019)