Tal Silberstein bei seiner Festnahme in Israel im August 2017.

Foto: APA/AFP/JACK GUEZ

Wien – Was sich gerade medial in Österreich abspielt, ist nicht ohne. Im Recherchemedium "Addendum" meldete sich dieser Tage Tal Silberstein zu Wort. Wir erinnern uns: Silberstein, ein PR-Mann, der keine Dreckskampagnen scheut, war in Österreich zuletzt Wahlkampfleiter des glücklosen SPÖ-Altkanzlers Christian Kern. Silbersteins aktuelle Analyse seiner eigenen und einer anderen Person: In Ungarn verhetzt bekanntlich Viktor Orbán den Philanthropen George Soros auf übelste Weise. Jetzt sei er für den ÖVP-Chef Kurz, was Soros für Orbán sei – "der leibhaftige Dämon". Das spricht immerhin für ein starkes Selbstbewusstsein.

"Ich habe zwar keinerlei Gemeinsamkeiten mit George Soros, aber wir sind zufällig beide Juden. (...) Die Verwendung unserer Namen als Synonym für Schlechtes dient dunklen Zwecken – in beiden Ländern."

Warum er zu diesem Gastkommentar im "Addendum" ausgeholt hat? Silberstein wehrt sich gegen Kurz-Schüsse, er habe bei dem Ibiza-Video seine Hand im Spiel gehabt. Hoffen wir, dass die Soko Ibiza auch das klären wird.

Festplattenschwund im Kurz-Kanzleramt

Im Moment jedenfalls hat diese einen Kurz-Adepten im Visier. Ein offensichtlich zukunftsfroher Homo politicus aus dem Team des kurzfristigen ÖVP-Kanzlerteams. Ein Mitarbeiter, der inzwischen gemeinsam mit dem Parteivorsitzenden in die ÖVP-Parteizentrale übersiedelt ist.

Kurz vor dem Auszug aus der schmucken Adresse Ballhausplatz 2 brachte dieser Kanzlerzögling eine Druckerfestplatte zu einem Schreddermeister.

Angeblich dreimal ließ er die Festplatte häckseln und ließ diesen Vernichtungsprozess nie aus den Augen. Allerdings unter falschem Namen und, wie es heißt, ohne anschließend zu zahlen. Nur deshalb sei nach ihm geforscht worden. So ein Pech auch. Ein anderes Pech ist, dass im digitalen All auch geschredderte Dokumente offenbar rekonstruierbar sind. Warten wir einfach ab.

Tal-Fahrt der türkisen ÖVP

Zurück zur Tal-Fahrt der türkisen ÖVP. Martin Engelberg, prominenter jüdischer Abgeordneter der Kurz-ÖVP, war sich nicht zu schade, auf Silberstein in der Tageszeitung "Die Presse" einen Kommentar zu veröffentlichen. Parteipropaganda durch und durch, zudem ein fatales Double-Face-Spiel mit der bösen Saat des Antisemitismus. Gut, dass Erwin Javor in derselben Tageszeitung sofort replizierte und analysierte: "Nichts weiter als parteipolitische Instrumentalisierung." Sein Resümee: Silberstein und Engelberg seien sich ebenbürtig. Wie recht er offenbar hat. Leider.

Gefährliches Spiel mit dem Feuer

Tal Silberstein hatte sich selbst während des Kern-Wahlkampfes zu einem willkommenen Feindbild der ÖVP-Propaganda gemacht. Das ist er nun auch heute noch. Auch im Zusammenhang mit dem Ibiza-Video schwärzt die ÖVP nach wie vor und ganz gezielt durch Unterstellungen den Politikberater an: Dieser könnte doch auch vielleicht und überhaupt in diesen Skandal involviert sein. Derartige antisemitische Taktiken sind schlicht und ergreifend unwürdig, sie wecken und bedienen allenfalls widerwärtige Ressentiments. Kann so etwas aus Ahnungslosigkeit passieren? Zweifellos ist es ein gefährliches Spiel mit dem Feuer.

Und was meint der ÖVP-Vorsitzende Kurz dazu? Der hatte dieser Tage keine Zeit für solche "Petitessen". Er musste Koffer packen für seine Privatreise in das Silicon Valley.

Geballte Medienpräsenz beim Kurz-Trip ins Silicon Valley

Allein zu reisen kann einsam machen und unauffällig. Also lud sich der Parteivorsitzende eine Schar maßgeblicher Medienmenschen für einige Tage als Begleitung ein. Seitens des Privatsenders Puls 4 kommt sogar der Geschäftsführer der Kommerz-Sendergruppe Pro7Sat1Puls4, Markus Breitenecker, persönlich mit. Vertreten sein werden auch "Die Presse", der "Kurier", die "Kronen Zeitung", die "Vorarlberger Nachrichten" und die APA. Der ORF hat sein Korrespondentenbüro angewiesen, diese Tal-Fahrt zu covern. Mit dabei wird auch ein Start-up-Vertreter sein. In Österreich wird also flächendeckend, nahezu gleichgeschaltet berichtet werden. DER STANDARD war nicht dabei.

Pressefreiheit in Gefahr

Natürlich ist es spannend, nach Silicon Valley zu reisen. Keine Frage. Ist es jedoch für Medienmenschen genauso aufregend, sich an der Propaganda für einen wahlkämpfenden Altkanzler zu beteiligen? Anders gefragt: Ist in Österreich die Pressefreiheit nur durch die Politik in Gefahr – oder ist der lockere Umgang mit Politiker-Offerten die größere Gefahr für die Unabhängigkeit der Medien?

PS: Wer sich übrigens in den Umgang mit Medien von den Herren namens Kurz und Kickl vertiefen möchte, der schlage nach im neuen Buch des langjährigen "Kurier"-Chefs Helmut Brandstätter nach. (Rubina Möhring, 21.7.2019)