Der Strafakt zum Wiener Stadterweiterungsfonds hat schon viele Schränke und Schreibtische passiert.

Foto: APAD/ROBERT JAEGER

Die Causa Stadterweiterungsfonds, in der es eine nicht rechtskräftige Anklage gegen den Exfonds- und drei Sektionschefs im Innenministerium gibt (einer ist im Ruhestand), hat eine sehr lange Ermittlungsgeschichte. Eine auffällig lange, wie Kritiker meinen. Sie spielen darauf an, dass die Beamten der damals mitregierenden ÖVP zugerechnet werden und politisch gut vernetzt waren. Im Laufe des Ermittlungsverfahrens sei es zu Verzögerungen gekommen, die mit justizinternen Vorgängen bzw. Weisungen zu tun hätten, heißt es in Teilen der Justiz.

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hat ihren Vorhabensbericht im Juli 2015 vorgelegt. Was sie wollte: die Einstellung des Verfahrens wegen Liegenschaftsverkäufen des Fonds und gegen vier Beamte, die mit einer Satzungsänderung befasst worden sind. Und die Anklage des Fondschefs und der drei Spitzenbeamten, die im Fondskuratorium Sitz und Stimme hatten. Sie sollten wegen Untreue angeklagt werden: wegen Spenden in der Höhe von rund drei Millionen Euro. Ein Beamter sei wegen Amtsmissbrauchs anzuklagen, befand die WKStA.

Teil des Anklagevorhabens weggefallen

Zurückbekommen hat sie den Akt erst rund 22 Monate später, im Frühling 2017. Ein Teil des Anklagevorhabens war weggefallen: Spenden, die hauptsächlich nach einer Satzungsänderung im November 2009 getätigt wurden, seien nicht illegal gewesen, so die Rechtsansicht des Ministeriums, der der Weisungsrat zustimmte.

Allerdings kam der Akt im März 2015 mit der Weisung zu den Ermittlern zurück, dass die Beschuldigten "ergänzend" einzuvernehmen seien. Erteilt hatte diese Weisung das Justizministerium, das damals vom (ÖVP-nominierten) Universitätsprofessor Wolfgang Brandstetter geführt worden ist.

Die Beschuldigten bestreiten den Vorwurf, Spenden in der Höhe von rund einer Million Euro aus dem Fonds entgegen in der Satzung festgeschriebenem Fondszweck an ihnen Nahestehende verteilt zu haben. Ihre neuerlichen Einvernahmen, die Ende 2017 durchgeführt wurden, nützten sie gut. Einer der Beschuldigten etwa legte eine Liste früherer Spenden des Fonds vor, deren Original sich die Ermittler organisierten und nachprüften. Das dauerte wieder ein Weilchen: Es ging dabei um Aufzeichnungen der Jahre 1956 bis 2017.

Zur Erinnerung: Der Wiener Stadterweiterungsfonds war 1857 von Kaiser Franz Joseph I. gegründet worden. Er beschloss das Schleifen der Stadtmauer, aus dem Verkaufserlös von Liegenschaften sollten öffentliche Gebäude in der Innenstadt finanziert werden, vor allem solche an der Ringstraße. Dieser Fondszweck wurde zuletzt 2009 verändert.

Neuerliche Einvernahmen

Begründet hat das Ministerium die ergänzende Einvernahme der vier Beschuldigten sinngemäß so: Rechtliche Struktur und Begründung des Vorgehens der Staatsanwaltschaft hätten sich geändert. Es entspreche der Fairness und der Wahrung des rechtlichen Gehörs, die Beschuldigten noch einmal zu befragen.

Ein Argument, das in der Justiz nicht alle teilen: Es sei ja kein neuer Vorwurf dazugekommen. Zudem wäre dadurch die (schon im ersten Vorhabensbericht von 2015 geplante) Einstellung des Verfahrens gegen die vier anderen Beamten aus dem Innenministerium quasi unnötigerweise verzögert worden. Strafsektionschef Christian Pilnacek habe damals intern gemeint, es handle sich bei der ergänzenden Einvernahme um eine "politische Ehrenrunde", wird erzählt. Das weist Pilnacek zurück, die Beschuldigten hätten nur das ihnen zustehende Recht eingeräumt bekommen, ausreichend Stellung zu nehmen. Zudem habe der Weisungsrat alles genehmigt.

Überhaupt versteht er die Kritik nicht, das Ministerium habe im politisch heiklen Fall unsachliche Einflussnahme geübt. Denn – und da kommt noch eine Runde ins Spiel: Wäre es nämlich nach der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien gegangen, hätte die schon Anfang 2016 die Weisung an die WKStA erteilt, das gesamte Verfahren einzustellen. Das habe das Justizministerium ja verhindert, erklärt Pilnacek sinngemäß.

Und warum wollte der Oberstaatsanwalt die Causa einstellen? Das ist nicht zu eruieren. Nur so viel sagt der damals zuständige Oberstaatsanwalt Michael Klackl: Beim Stadterweiterungsfonds handle sich um einen komplexen und rechtlich schwierigen Fall. (Renate Graber, 31.7.2019)