Gerade noch tönt Michael Jacksons Smooth Criminal aus den Autoboxen. Danach ist wieder Good-old-90s-Techno dran. Es spielt rumänisches Alltagsradio. Das Holzkreuz, das am Rückspiegel hängt, schwingt im Takt mit, ebenso die Insassen des weißen Pick-ups mit dem Deutschlandsberger Kennzeichen. Das hat weniger mit der Musik und mehr damit zu tun, dass der Wagen nicht auf der Straße fährt, sondern quer über die Weide rumpelt.

Bisons stammen aus Amerika, fühlen sich aber auch in Rumänien wohl – auf den Weiden von Hans Kilger, der ihr Fleisch nach Österreich bringt.
Foto: Nina Wessely

Kein Asphalt, keine anderen Autos, nur Schnee: Driften zwischen Eichen und Bisons. Diesen scheint dieses weiße, wackelnde Ding, das da über Hügel und Steine hoppelt, gänzlich egal zu sein. Meistens sind es Mitarbeiter von Wildhüter Rudolf Karner oder er selbst, der im ersten Gang über die Siebenbürgener Hügel fährt und von den Bisons ignoriert wird. Er und sein Team wollen sichergehen, dass es den Tieren gutgeht. Das ist ihnen und dem Besitzer der Herde, Hans Kilger, wichtig.

Ein Münchner in Rumänien

Hans Kilger stammt aus Bayern. In München arbeitet er als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater. Auf einer Reise nach Siebenbürgen verliebte er sich in das Land. "Kein Westeuropäer weiß, wie schön es hier ist", sagt Kilger. Und so führte der Besuch schlussendlich zum Kauf von 30 Bisons und 2500 Hektar Land im siebenbürgischen Recea-Cristur. Kilger: "Als Wirtschaftsprüfer fabrizierst du Papier, das zwar dringend erforderlich ist, aber nichts Nachhaltiges." Er aber möchte Bleibendes schaffen.

Heute bewohnen 600 Bisons wie auch Yaks, Wasserbüffel, Rotwild und Wildschweine Kilgers Landstrich. Dazu kamen Restaurants und eine Weinproduktion in der Steiermark und im Burgenland sowie Lokale in München und Wien. Mit der Steiermark erging es dem Unternehmer genauso wie mit Siebenbürgen: Ein Blick auf die rebenbedeckten Hügel und sein Herz war an die Landschaft verloren.

Foto: Nina Wessely
Foto: Nina Wessely

"Um reich zu werden, geht niemand in die Gastronomie oder kauft Bisons in Rumänien", sagt Kilger. Geld bringen soll es trotzdem. "Ansonsten endet das großangelegte Hobby mit dem Lebenszyklus des jeweiligen Menschen." Dieser Kreislauf aber soll bestehen: Ein Szenario, in dem glückliche Bisons leben und auf der Weide, ohne Stress, geschossen werde; in dem gesundes, fettarmes Bisonfleisch in der Steiermark in Restaurants auf den Tisch kommt. Und dazu gibt es Wein aus Kilger-Produktion. Soweit der Plan, den Hans Kilger seit 2015 forciert.

Um seine Träume zu verwirklichen, hat der Unternehmer Leute um sich geschart, die genauso mit dem Herzen dabei sind. Wie Rudolf Karner, der, bevor er Kilger kannte, Rotwild in der Steiermark hütete. Nun sorgt er für das Wohl der Bisons 830 Kilometer von der Heimat entfernt. Die Strecke hat Karner mit seinem Deutschlandsberger Pick-up schon oft zurückgelegt. "Bis wir jemanden finden, der die Dinge so erledigt, wie wir uns das vorstellen, machen wir es lieber selbst", so der kernige Steirer, der die Bisonhälften in weniger als 24 Stunden von der Weide nach Österreich bringt.

Hans Kilger ist Wirtschaftsprüfer aus Bayern. 2009 erfüllte er sich einen Herzenswunsch und kaufte 30 Bisons in Rumänien.
Foto: Ovidiu Soim

Müsste er nicht Bisons transportieren, würde er wahrscheinlich mit seiner Harley anreisen, verraten Lederjacke, Harley-Ketterl und Motorradsprech. In der Steiermark, in Eibiswald, wartet Fleischermeister Hermann Kassler. Hände so groß wie Teller, er könnte ein Harley-Bruder von Karner sein. Bäriger Typ, harter Händedruck, weiches Lächeln.

Bison spielt alle Stücke

Was die kulinarischen Möglichkeiten, die Kilgers Bisonfleisch bietet, angeht, könnte Fleischer Kassler ohne Probleme in Spielfilmlänge vortragen. Wenn es sein muss, tüftelt er wochenlang an Rezepturen und Konsistenzen. So lange, bis es passt. Dabei dürfen abgesehen vom Bisonfleisch Wein, Nüsse, Trüffel, Rum und mehr in die Wurstmasse. Chemische Zutaten ausgeschlossen. Kassler liefert dazu essbare Beispiele: Bisongulasch, kräftig gewürzt, das Fleisch butterweich.

Bisongulasch, kräftig gewürzt.
Foto: Nina Wessely

Darauf folgt ein Bisonsteak, durch brät er nur, wenn es sich nicht verhindern lässt. Das nächste essbare Beispiel sind Hauswürstl aus Bisonfleisch. Als Zwischengang gibt es Rohschinken vom Hirsch, auch aus Rumänien. Darauf wieder Salami vom Bison mit etwas Schweinespeck für die weichere Konsistenz. Schwarze Pfefferkörner sind in der Pur-Version sowie in der Chili-Bison-Salami vertreten.

Bisonfleisch ist von Natur aus fettarm. Die Kräuter, die sich die großen Tiere eigenständig suchen, schmeckt man, sagt Kassler. Warum keinen Leberkäse aus Bison machen?, fragte der Alles-ist-möglich-Unternehmer Kilger eines Tages beim Brainstorming. Kasslers Antwort darauf ist Bison-Leberkäse, erhältlich in den Varianten naturbelassen, mit Kürbiskernen, mit Chili gespickt. Verkosten kann man die Bisonprodukte im Krawall am Wiener Naschmarkt oder in den Lokalen der Domaines Kilger in der Steiermark, wie dem Jaglhof in Gamlitz. Online Bestelltes wird in Österreich geliefert.

Lokales nur im Ausland

Dass man die Spezialitäten aus dem rumänischen Bisonfleisch nicht auch vor Ort essen kann, will Hans Kilger bald ändern. Spruchreif sind Pläne, die eine Gastrohütte am Rande des Bisonareals vorsehen.

Als der weiße Pick-up an der Stelle hält, an der in naher Zukunft Kilgers erste rumänische Gastro-Dependance entstehen soll, das Ruckeln aufhört, der Motor stoppt, ist es mit einem Mal still. Ein Bison dreht langsam den Kopf. Es scheint verwundert, dass der einzige Krachmacher weit und breit plötzlich verstummt. Der Rest der Herde schaut weg. Auch die Yaks, Wasserbüffel, Wildschweine und sogar das ansonsten scheue Rotwild lässt der Menschenbesuch kalt.

Die Sonne verschwindet hinter den Hügeln im weiten Land an den Ausläufern der Karpaten. Mensch, Büffel, Bison und Yak schauen zu. Bald sollen weitere Bisons zur Herde stoßen. Auf 2000 Tiere möchte Kilger sie ausweiten. Bei den Verhandlungen um weitere Hektar Land in Rumänien kam ein Hundebaby mit in das Paket. "Meine Söhne werden sich freuen", sagt Kilger. Beim nächsten Transport fährt der kleine rumänische Mischling mit Wildhüter Karner im weißen Pick-up mit. (Nina Wessely, RONDO, 23.1.2020)