Dass die Kitzbüheler Wintergäste christbaummäßiges Abgeräumtwerden als VIP-Behandlung interpretieren, ist eine schöne Tradition der Tiroler Bergwelt. Insofern sollte es kein Problem gewesen sein, dem Zuma-Franchisenehmer aus Dubai kolportierte drei Millionen Euro Mindestumsatz zu garantieren, damit er das neue Restaurant des Hotels Weißes Rössl bis Ende März als Pop-up bespielt.

Der Franchisenehmer der Zuma-Filiale in Dubai heizt den Robata-Grill bis März auch im Kitzbüheler Weißen Rössl auf.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Wem Zuma kein Begriff ist: Das erste Restaurant wurde 2002 in London-Knightsbridge aufgesperrt, die Kombination aus voll aufgedrehten Lautsprechern, mit allerhand Yuzu und Trüffel-Bling-Bling aufgemotztem Sushi und wild zusammengefangenen Luxuszutaten auf dem fotogen züngelnden Robata-Grill traf den Geschmack der Boomjahre des neuen Jahrtausends auf den Punkt. Heute gibt es Franchises in Phuket, Hongkong, New York oder Abu Dhabi – und allein drei in der Türkei. Die Supermodels, Schauspieler, auch die A-List der globalen Oligarchie sind längst zu neuen Adressen weitergezogen. In Dubai, Bodrum, nun auch Kitzbühel zieht das Konzept aber nach wie vor.

Dementsprechend gibt es in "Kotzbühel", wie die Skiparty-Destination unter besonders fidelen Stammgästen gerufen wird, in diesem Winter erhöhten Bedarf an Schneekrabbenbeinen, Thunfischbauch, Wagyu-Filet und anderen Luxuszutaten vom tunlichst anderen Ende der Welt. Man muss beim Après-Ski ja an irgendwas knabbern, während die Stylingtipps für Greta Thunberg ("Süß, aber sie muss sich schleunigst die Lippen machen lassen!") ausgetauscht werden.

Pressealarm!

Die Speisen landen in rasantem Durcheinander auf den Tischen und sind explizit auf "Sharing" ausgelegt. Manches, wie die dicken Filets von pazifischen Tiefseefischen ("Black Cod", "Chilean Seabass"), betört durch souveränen Schmelz und die global erfolgreiche Aromenkombination aus Miso, Zucker und intensivem Grillfeuer.

Anderes, wie das makellos aussehende Sashimi vom fett marmorierten Thunfischbauch ("Otoro"), verstört mit sehniger, kaum zu kauender Konsistenz. Gyoza mit Black-Cod-Garnelen-Fülle sind ideal knusprig gebraten, die Fülle aber gerät breiig und schmeckt unangenehm nach Restlverwertung: Faschierte Fischstäbchen sind die unmittelbare Assoziation.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Tataki vom australischen Wagyu ist um 35 Euro die teuerste Vorspeise, dafür sind die briefmarkengroßen Scheibchen aber auch köstlich rauchig und rare gegrillt – die Marinade mit schwarzem Trüffel, Trüffelöl und Yuzu vermag dies nicht vollständig zu maskieren. Gebackene Calamari sind knusprig, haben aber nur geringe Restfeuchte und noch weniger Geschmack, das bringt eine Triester Osteria ungleich verlockender hin. Nur – die gibt es in Kitzbühel nicht.

Die Signature-Makis, mit Schneekrabbenbein, Avocado und Tobiko-Rogen zum Beispiel, sind dann überhaupt ein Fiasko. Sie wirken vorgefertigt, das Nori-Blatt durchgeweicht, die nominell so noble Füllung geschmacklich vernachlässigbar, schade. Ebi-Nigiri mit köstlich wächserner, roher Garnele enttäuscht mit klebrigem, viel zu weichem Sushi-Reis, der im Mund immer mehr wird. Vollends skurril wird es, als der Service den Fotografen registriert und in der Küche offenbar Pressealarm schlägt.

Plötzlich erscheint der Küchenchef, um Nigiris über den Tisch zu schieben, die gar nicht auf der Karte stehen, dafür aber mit weißem Trüffel aufgemotzt sind. Und, siehe da, ganz anderen Reis als Unterlage haben: nicht kühlschrankkalt, im Biss definiert, mit genau jenem frischen Glanz, der gutes Sushi charakterisiert. Theoretisch können sie es also – umso mehr darf man sich wundern, warum das echt Gute hier in der Hinterhand behalten wird. Und wer wohl die Gäste sind, die zum Premiumpreis auch mit echter Qualität rechnen dürfen. (Severin Corti, RONDO, 31.1.2020)

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