Landhausstil im Herzen der Innenstadt: der langgestreckte Speisesaal des neuen Restaurants Boxwood.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Der Heiligenkreuzerhof ist ein verwunschenes Innenstadtidyll von barocker Pracht, das heute im Wesentlichen als Parkplatz genutzt wird und neben einer Kapelle und zwei Instrumentenbauern auch ein Restaurant beherbergt. Letzteres ist dem Hotelier Robert Hollmann zu verdanken, dessen Hollmanns Salon war eines der schönsten, in jedem Sinn geschmackvollsten Restaurants der Nullerjahre.

Heute schaut es ganz anders aus, ist deutlich größer geworden, heißt aber immer noch nach seinem Betreiber – jetzt halt nach dem neuen. Benjamin Buxbaum hat es ergattert, nachdem Hollmann seine Hotels multipliziert und keine Zeit mehr fürs Wirtsein hatte. Indirekt ist das auch der Grund, warum Buxbaum, der vor etwas mehr als drei Jahren ohne Branchenerfahrung von der Hochfinanz in die höhere Gastronomie eingestiegen war, jetzt vor dem grünen Tor zum Heiligenkreuzerhof noch ein zweites Restaurant eröffnen konnte.

Bissl Mallorca, bissl Kitzbühel

Das Boxwood ist nämlich zum größten Teil dort untergebracht, wo Hollmann (einst Schauspieler) zuvor seinen "Theater-Salon" hatte. Der war auch schon länger leer gestanden. Buxbaum brach zu einem Lager des Installateurs von nebenan durch, schnappte sich ein angrenzendes, leeres Lokal und schuf so ein Restaurant von beachtlicher Größe.

Der langgestreckte Saal mit großen Fenstertüren zur Gasse wurde im Landhausstil ausgestattet, ein bissl Mallorca, ein bissl Kitzbühel, dazu ein paar Weinfässer für den rustikalen Touch. Was auffällt, ist die angenehme Lichtstimmung, die gute Geräuschdämmung – da dürfen sich viele Hütten eine Scheibe abschneiden.

Für die Speisekarte zeichnet einstweilen der Buxbaum-Küchenchef Martin Zeißl verantwortlich. Hier wie dort wird eine austromediterrane Küchenlinie mit durchaus luxuriösen Grundprodukten gefahren.

Englisch gebratene Tranchen vom Kalbsrücken mit Erdnuss, Honig und Topinambur geraten zur Vorspeise nicht ganz so süß, wie’s klingt, die Tiroler Alpengarnele (ein mit erheblichem Heizaufwand in Tanks gezüchtetes Produkt, das frisch angeliefert werden kann), ist in Bierteig souverän knackig gebacken, dazu gibt es eine diskret abgeschmeckte Mayonnaise, in die dem Vernehmen nach Datteln und Habanero-Chili eingearbeitet werden.

Kalbsstelze mit Süßkartoffel, Knoblauchmayonnaise und violetten Erdäpfelchips ist ein ziemlicher Instagram-Bringer.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Artischocken sind einerseits gedünstet, anderseits frittiert und werden auf Schwammerlcreme mit in Essig eingelegten Seitlingen serviert. Derlei Zuchtschwammerln als "Pilzraritäten" anzupreisen verwundert ein wenig, aber egal, das Gericht ist insgesamt gut abgeschmeckt.

Brokkolicremesuppe kommt in einer eisernen Kanne zu Tisch und ist zum Zungenverbrennen heiß, der dazu servierte Crostino wurde laut Service mit "Gel von der Wildkamille" bestrichen und mit einer Art Pesto garniert. Was ein wenig nach Heilsalbe klingt, schmeckt – zum Glück – sehr indifferent.

Spektakuläres Getürme

Die Schnitte vom kapitalen Wolfsbarsch zeigt, dass bei der Qualität der Grundprodukte nicht gespart wird, Geschmack und Konsistenz deuten auf Wildfang hin. Dazu gibt es Linsen (in der Karte als Kichererbsen angekündigt), die Mangosalsa dazu ist so diskret abgeschmeckt, dass man sie kaum wahrnimmt – im Zweifel kein Fehler.

Kalbsstelze mit Süßkartoffel, Knoblauchmayonnaise und violetten Erdäpfelchips ist, siehe Bild, ein ziemlicher Instagram-Bringer. Am Gaumen kommt das spektakuläre Getürm leider nicht so gut: eher zäh, trocken, mit sirupös reduziertem Jus und der breiten Süße der orangen Knolle, keine Empfehlung.

Die Weinkarte ist derweil noch recht schmal – wer dem Service charmant auf die Nerven geht, darf aber auch etwas aus der prächtigen Auswahl kommen lassen, die im Buxbaum zur Verfügung steht. (Severin Corti, RONDO, 21.2.2020)

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