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PRO: Koma verhindern

von Andreas Schnauder

Auch wenn das Ausmaß noch nicht sicher ist, eines kann getrost gesagt werden: Das Coronavirus wird die Weltwirtschaft in eine globale Rezession stürzen. Offen ist derzeit, ob sich Arbeitnehmer und Betriebe jahrelang durch ein Jammertal quälen müssen oder ob dem Absturz ein baldiger Aufstieg folgt.

Viel hängt davon ab, wie lange die Aktivitäten derart rigide beschränkt werden wie derzeit. Nachdem die meisten Geschäfte und Restaurants die Rollläden heruntergelassen haben, verfällt zusehends die Industrie in Schockstarre. Selbst dort, wo die Produktion noch auf niedrigem Niveau läuft, gefährden abgeriegelte Grenzen die Lieferketten. Das kostet nicht nur Wohlstand und Arbeitsplätze, sondern nagt schön langsam an der Versorgungssicherheit.

Die Sorgen, die sich die Politik wegen eines Anstiegs der Infektionen bei einer Lockerung macht, sind berechtigt. Doch die Schäden, die derzeit entstehen, müssen mitbedacht werden. Zumal es nicht "nur" wirtschaftliche sind: Zum Anstieg der Arbeitslosigkeit und der Armut gesellen sich seelisches Leid und häusliche Gewalt.

Die Regierung sollte daher rasch einen Stufenplan präsentieren, damit wieder Zuversicht einkehrt. Darin enthalten sein muss: Risikogruppen schützen, Hygieneregeln verschärfen, Schulen geschlossen halten und die Zahl der Tests erhöhen. Aber Wirtschaft und Gesellschaft dürfen wegen Corona nicht dauerhaft ins Koma versetzt werden. (Andreas Schnauder, 27.3.2020)

KONTRA: Viel zu früh

von Irene Brickner

Jeder Schritt hat seinen Preis: Noch selten war dieser Spruch so richtig und todernst wie jetzt. Die umfassenden Kontaktverbote, um die Verbreitung des Coronavirus in den Griff zu bekommen, erdrücken die Wirtschaft. Doch laut den Experten, die die Regierungen beraten, sind sie alternativlos, um Menschen das Leben zu retten, die bei fortgesetzt exponentiellen Fallzahlsteigerungen das Pech hätten, schwerst zu erkranken und zu sterben.

Genau eine solche exponentielle Entwicklung würde man jedoch erneut riskieren, setzte man die drakonischen Maßnahmen so rasch außer Kraft, wie es sich mancher Wirtschaftsvertreter wünscht. Vor allem in Deutschland, wo die Kontaktsperren noch nicht einmal eine Woche in Kraft sind, stehen Firmensprecher diesbezüglich schon in den Startlöchern. Das ist viel zu früh, in China dauerte es sechs Wochen und länger bis zu ersten Lockerungen.

Auch schlägt manch eiliger Wirtschaftsvertreter, um seiner Forderung nach rascher Normalisierung einen Anschein von Machbarkeit zu geben, begleitende Maßnahmen vor, die einem gesellschaftlichen Crashkurs gleichkommen. Um die Jüngeren mit ihrem geringeren Covid-19-Sterberisiko zurück in den Produktionsprozess zu bringen, müsse man die gefährdeteren Alten bis auf weiteres aus der Öffentlichkeit fernhalten, heißt es da etwa. Das käme einer De-facto-Internierung der Generation 65 plus und einer Spaltung der Gesellschaft gleich – ein zu hoher Preis. (Irene Brickner, 27.3.2020)