Das "spirituelle Medium" Ira Wolff reagiert innerhalb von fünf Minuten auf meine Anfrage. "Meine Geist bzw. Fernheilung lege ich den meisten Menschen ans Herz, ganz besonders bei der von Ihnen beschriebenen Thematik." Die Thematik, die ich Wolff per E-Mail-Anfrage zukommen ließ ist – Gott sei Dank – frei erfunden und dennoch höchst realistisch. Meine Mutter wäre an Corona erkrankt, liege in der Universitätsklinik Innsbruck, ich machte mir Sorgen, stelle mich ein wenig dumm und naiv und erkundige mich zum Thema Fernbehandlung oder Fernreiki. Einen fiktiven Geburtsort, Geburtsdatum, Sternzeichen und Wohnadresse liefere ich mit, so etwas mögen Geist- und Fernheiler. Wolff verspricht: "Stärkung gegen das Virus", ihre Geistheilung unterstütze "Heilungsprozesse auf körperlicher, emotionaler, mentaler sowie auf spiritueller Ebene. Für zwei Wochen intensive Hilfe bitte ich um einen Betrag von 980 Euro". Für den Preis habe ich Verständnis, die Kölnerin Wolff ist so etwas wie die Jetset-Lady der Esoterikszene, auf ihrer Webseite posiert sie mit edlen Limousinen und Chauffeur und in feinem Outfit. 

"Heiler Michael" geht das hemdsärmelig an

Eher bodenständig agiert "Heiler Michael". Die Startseite seines Webauftritts schmückt ein schlichtes Kreuz. Michael Risse hat offenbar aufgrund früherer Erwähnungen durch die Stiftung Gurutest die eher gewagt formulierten Versprechungen um seine Fernheilungs-Künste vor einigen Monaten offline genommen, auf die Anfrage per E-Mail antwortet er aber erfrischend unbürokratisch und schnell: "Dafür könnte ich ihrer Mutter Heilbehandlung anbieten. Hierzu würde ich Ihnen fünf Behandlungen empfehlen die insgesamt 399 Euro kosten. (...) Wenn Sie mit diesen Angebot einverstanden sind so könnte ich ihn in Kürze die Termine für ihre Mutter schicken jede Behandlung dauert übrigens 45 Minuten. Des Weiteren wenn Sie das Angebot annehmen so benötigen Sie natürlich auch meine Bankverbindung die würde ich ihn dann in Kürze schicken damit Sie bitte den Geldbetrag überweisen." Kaum ist das Geld auf Risses Konto, konzentriert er sich sicher stark und intensiv um eine alte Dame in einem österreichischen Spital.

Für eine Coronabehandlung müssen sie gar nicht mehr aus dem Bett - Fernheiler sei dank!
Foto: Getty Images/iStockphoto/Alicia_Garcia

Fernheiler im Test

Wolff und Risse sind Profis in Sachen Selbstvermarktung, gezieltes Investieren in Google-Werbung listet die beiden ganz oben bei allfälligen Suchen nach Fernheilung und ähnlichem Zinnober. Das macht mich neugierig. Was bieten Energetiker und Heilpraktiker auf dem flachen Land so an in Sachen "Ich schicke Ihrer Mutter Genesungswünsche", wie gehen sie die Distanzheilung an, wie sieht es mit den Tarifen aus? 

Von 30 Kontaktierten sagt nur einer: "Ich kann nicht helfen"

Ich kontaktiere 30 Anbieter mit meinem Anliegen nach Fernbehandlung oder Fernreiki. Fast alle schreiben innerhalb weniger Stunden zurück. Ein einziger davon macht das, was man erwarten sollte: "Bei Corona bin ich definitiv der falsche Ansprechpartner, vertrauen Sie auf die ärztliche Betreuung – ich kann da leider nicht helfen", schreibt mir der Heiler Hans Ulrich Burkhard. Eine Ausnahme ist auch die Wiener Reiki-Praktikerin Alexandra Petz. Sie bietet mir sieben Reiki-Termine an, will dafür aber auch auf Nachfrage kein Honorar. Alle anderen spielen munter einen lieben Gott, der gegen Honorar und mit einigem Selbstbewusstsein mit der Kraft ihrer Gedanken einer alten Dame in einem Krankenhaus beizustehen verspricht. Die Kosten schwanken zwischen 35 und rund 100 Euro pro feinstofflichem Genesungsgedanken ins Krankenhaus.

Mental-Coach transformiert Corona-Informationen

Der "diplomierte Mental-Coach" Maria Nunez aus der Schweiz macht Nägel mit Köpfen: "Ich habe meine geistige Methode, mit der in der Aura Ihrer Mutter die Informationen des Corona-Virus transformiert werden dürfen." Die Entfernung spiele keine Rolle, Nunez habe bereits Fernbehandlungen in Australien durchgeführt. Die Wiener Energetikerin Birgit Thiel weist immerhin darauf hin, dass Sie kein Heilversprechen abgeben darf und umschreibt recht charmant, dass sie wirkungslose Zauberei abliefert: Ihre "energetische Harmonisierung" könne bedeuten, "dass Ihre Mutter sich wieder schnell erholt, andererseits aber auch, dass sie sich bereits für einen anderen Weg entschieden hat." Ähnlich pragmatisch formuliert die in der Steiermark ansässige Energetikerin Claudia Lewenbauer die Belanglosigkeit ihrer Dienste: "Ob Ihre Mutter die Energie annehmen möchte, entscheidet sie bzw. ihre Seele, ebenso wie lange sie noch auf der Erde sein möchte."

Preise variieren je nach Organ, was auch immer das heißen soll

Recht detailliert, aber für den Einsteiger verwirrend sind die Versprechungen des deutschen Channel-Mediums Sabine Skala: "Für die Behandlung auf Seelenebene bedarf es einer Freischaltung der
Kraft der Seele, die ich aber bei der Behandlung von Corona davor machen könnte. Die "Behandlung auf Seelenebene Organe" schlage sich laut E-Mail ab 95 Euro zu Buche, der Preis sei aber letztlich "vom Organ abhängig". Bei Nieren zum Beispiel, könne der Preis auch höher sein, schreibt mir Skala. Da sind wir dann mal froh, dass wir uns von Skala nicht Nierensteine fernbehandeln lassen, sondern nur Corona. 
  

Diplompsychologin und "Channeling"-Expertin spielt Arzt

An die falsche Adresse in Sachen Fernheilung bin ich in der Praxis der steirischen Diplompsychologin Regina Pitscheneder gelangt. Sie bietet zwar "Channellings" und "Aura-Reading an", was ich – mea culpa – mit  Fernheilung verwechselte. Pitscheneder ist darob nicht empört, sie stellt mir umgehend eine Ferndiagnose und empfiehlt ein Mittelchen aus ihrer Hausapotheke. Für eine alte Dame, die in einem Universitätsklinikum behandelt wird, schlägt sie per Mail "Bryonia D12 sowie Eupatorium D12" um 24 Euro plus Versandkosten vor mit dem aufmunternden Zusatz: "Homöoapthie hilft immer." (Christian Kreil, 2.4.2020)

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